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Ons Jabeur macht sich nicht nur über Tennis Gedanken.

© dpa/Andreas Gora

Tunesische Tennisheldin Ons Jabeur: „Ich hasse Politik so sehr, besonders jetzt“

Ons Jabeur ist mehr als nur eine erfolgreiche Tennisspielerin. Als Botschafterin des Welternährungsprogramms der UN will sie auf die Situation in Gaza aufmerksam machen.

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Die „Ministerin des Frohsinns“ hat derzeit wenig Freude. Hinter Ons Jabeur, der tunesischen Volksheldin, liegen durchwachsene Jahre auf den Tennisplätzen dieser Welt. 2022 stand sie als erste Spielerin aus Afrika und dem arabischen Raum in Wimbledon im Finale, wiederholte das Kunststück ein Jahr später und stand zwischendurch auch noch bei den US Open im Endspiel.

Der Grand-Slam-Titel allerdings blieb ihr verwehrt und inzwischen ist es deutlich ruhiger um Jabeur geworden. Stand sie vor drei Jahren noch auf Position zwei der Weltrangliste, ist sie jetzt nur noch die Nummer 61. In Berlin, wo sie 2022 den Titel gewann, musste sie sogar in die Qualifikation und war dort eigentlich ausgeschieden. Doch als Lucky Loser rückte sie noch ins Hauptfeld nach und steht nach zwei Siegen dort nun am Freitag plötzlich im Viertelfinale.

„Es fühlt sich an wie ein neues Turnier in einem schon laufenden Turnier. Ich hoffe, ich kann das Licht am Ende des Tunnels sehen“, sagte sie nach ihrem Sieg am Mittwoch gegen die Italienerin Jasmine Paolini. Nach den Gründen für ihre besondere Beziehung zu Berlin befragt, meinte sie lachend: „Das muss am See liegen und dem Bad darin.“ Als sie hier ihren Titel 2022 gewann, schwamm sie anschließend eine Ehrenrunde im Wasser gleich hinter dem Steffi-Graf-Stadion.

Doch trotz dieser schönen Erinnerungen mag die 30 Jahre alte Frau aus Ksar Hellal derzeit nicht wirklich strahlen. Und das liegt an der aktuellen Weltlage. Jabeur ist seit Februar 2024 Goodwill Ambassador des World Food Programmes (WFP) der Vereinten Nationen und in dieser Funktion wird sie immer wieder mit dem Leid der Menschen konfrontiert. Insbesondere die Lage in Gaza setzt ihr zu, weil die Hilfe die Bedürftigen kaum erreicht.

Es ist beängstigend, was gerade in der Welt passiert.

Ons Jabeur in Berlin über den Konflikt im Nahen Osten

„Es ist beängstigend, was gerade in der Welt passiert. In Gaza sterben die Menschen, sie haben nichts zu essen“, erzählte sie in Berlin verzweifelt und wirkte dabei beinahe hoffnungslos: „Ich hasse Politik so sehr, besonders jetzt.“ Dass es keine einfachen Antworten in dem Konflikt im Nahen Osten gibt, weiß sie und trotzdem wünscht sich Jabeur den Frieden in der Region „so sehr“.

„Alle wissen, wie gefährlich diese Situation ist und noch werden kann. Die Beteiligten sollen sich zusammensetzen und nach einer Lösung suchen.“ Kürzlich erzählte Jabeur beim Turnier in Rom davon, wie sie die Situation in Gaza auch emotional stark beschäftige. Zwar sei sie von Beruf Tennisspielerin, aber die Bilder von hungernden Menschen bekomme sie auf dem Platz nur schwer aus dem Kopf.

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höchster Platz von Ons Jabeur in der Weltrangliste im Jahr 2022

Dass sie sich für die leidenden Palästinenser starkmacht, führe auch zu persönlichen Anfeindungen. „Ich bin schon so oft als Terroristin bezeichnet worden. Ich weiß nicht, wie man so einen Zusammenhang herstellen kann. Ich versuche, Menschen zu helfen, vor allem Kindern, die hungern.“

In jedem Falle ist Jabeur eine Stimme, die wahrgenommen wird. Nicht nur bei politischen, sondern auch bei gesellschaftlichen Themen. Kürzlich prangerte sie in Paris bei den French Open die mangelnde Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Sandplatzklassiker an. Dass dort die Night Sessions ausschließlich ihren männlichen Kollegen vorbehalten waren, sei im Jahr 2025 einfach nicht mehr zeitgemäß.

„Diese Leute, die sowas entscheiden, haben wahrscheinlich noch nie Frauentennis gesehen“, legte sie in Berlin nun noch einmal nach. Trotzdem solle es auch weiter gemischte Veranstaltungen mit Turnieren von Frauen und Männern geben, bei den anderen Grand-Slam-Events funktioniere das auch sehr gut. Dass Roland Garros, aber auch Madrid und Rom die Frauen für bestimmte Spielzeiten aber von vornherein ausschließen, „gefällt mir nicht“.

Aus der „Ministerin des Frohsinns“ ist längst eine Anwältin für die Rechte Schwächerer geworden. Auf der Tennistour stellte Ons Jabeur damit eine Ausnahme dar, doch Stimmen wie ihre sind wichtig – und einflussreich. Sollte die Tunesierin in Berlin und anschließend auch in Wimbledon an alte sportliche Erfolge anknüpfen können, wird sie auch mit diesen ihr wichtigen Themen noch einmal deutlich mehr Gehör finden.

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