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Kopf runter. Für Hertha und Abwehrchef Toni Leistner fühlte sich das Unentschieden in Fürth wie eine Niederlage an.

© imago/kolbert-press/IMAGO/kolbert-press/Martin Agüera

Und plötzlich hapert es in der Defensive: Hertha BSC hadert mit der 3:3-Niederlage in Fürth

Bis vor einer Woche schienen die Berliner nahezu unbezwingbar, dann aber holten sie gegen zwei Abstiegskandidaten nur einen Punkt – weil Hertha das Gespür für Gefahr fehlte.

Stand:

Linus Gechter wies mit dem Finger auf Kennet Eichhorn. Das war kein gutes Zeichen für den 16 Jahre alten Eichhorn. Vor allem aber ist es kein gutes Zeichen für Hertha BSC als Ganzes, wenn die Spieler gegenseitig mit dem Finger auf sich zeigen.

Die erste Halbzeit von Herthas Auswärtsspiel bei der Spielvereinigung Greuther Fürth näherte sich gerade ihrem Ende. Für den Berliner Fußball-Zweitligisten war bis dahin alles bestens gelaufen. Er trat so dominant auf wie selten in dieser Saison, führte 2:0 und ließ die Heimmannschaft nicht mal ansatzweise zur Entfaltung kommen. „Wir haben hier alles unter Kontrolle“, sagte Herthas Trainer Stefan Leitl später.

Das änderte sich, als Branimir Hrgota, Fürths Kapitän, aus dem Mittelfeld einen Pass hinaus auf die rechte Seite spielte. Der Ball hatte seinen Fuß kaum verlassen, da sprintete er los. Vorbei an Eichhorn, der die Gefahr nicht roch, und hinein in den Berliner Strafraum. Der Ball kam von rechts zu Hrgota zurück. Der Schwede nahm ihn, weitgehend unbedrängt, mit seinem starken linken Fuß an und vollendete, ebenfalls mit links, zum 1:2.

„Das war deiner“, hieß Gechters Fingerzeig an Kennet Eichhorn.

Wir waren einen Ticken zu offen, um auswärts drei Punkte mitzunehmen. Das müssen wir uns ankreiden.

Herthas Trainer Stefan Leitl

Der Anschlusstreffer der Fürther in einem für sie psychologisch äußerst wertvollen Moment war der Knackpunkt in einem Spiel, das Hertha trotz der Dominanz in den ersten 40 Minuten am Ende mit 3:3 verlieren sollte. „Die Enttäuschung ist definitiv sehr groß“, sagte Leitl.

Zumal sich Hertha die Chose weitgehend selbst zuzuschreiben hatte. „Wir müssen das dritte Tor nachlegen. Oder dürfen halt keins kriegen. Dann ist die Geschichte fast schon durch“, sagte Luca Schuler, der in Fürth doppelt für Hertha getroffen hatte. Und Kapitän Fabian Reese, Schütze des Führungstores zum 1:0, klagte: „Wir haben eine sehr, sehr gute erste Halbzeit ein bisschen hergeschenkt.“

3,1
Expected Goals ließ Hertha gegen Fürth zu – mehr als in jedem anderen Spiel der Saison.

Und am Ende einen fast schon sicheren Sieg. Hertha hatte die Fürther gleich zweimal im Schwitzkasten und ließ sie am Ende doch noch entwischen. „Wir führen 2:0 und 3:2 – und kriegen’s nicht hin“, sagte Reese im Interview bei Sky. „Beim Auswärtsspiel müssen drei Tore reichen, um zu gewinnen.“

Es ist schon seltsam: Bis vor einer Woche schien Hertha fast schon unbezwingbar zu sein, eine mittelalterliche Trutzburg sozusagen mit besonders tiefem Graben und extra dicken Mauern. Dann holte die Mannschaft nach ihrer Serie von sieben Pflichtspielsiegen mit nur einem Gegentor gegen den Letzten Magdeburg und den Drittletzten Fürth nur einen von sechs Punkten und kassierte fünf Gegentore. „Das ist mir deutlich zu viel“, sagte Leitl.

Und wieder drin. Dennis Srbeny trifft zum 3:3 für die Fürther. Niklas Kolbe kommt zu spät.

© imago/Zink/IMAGO/Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Die defensive Stabilität ist das Fundament, auf dem Herthas Trainer seine Burg errichtet hat. Sie ist die Basis von allem. In Fürth fehlte sie ab der 42. Minute, als Hrgota stellvertretend für sein Team zum ersten Mal aufs Tor der Berliner schoss. Und schon fiel alles in sich zusammen. „Ich sag’ sogar: Wir können heute gewinnen“, meinte Felix Klaus, der nach der Pause das 2:2 für die Hausherren erzielt hatte.

Das war nicht einmal frech und übertrieben. Der Expected-Goals-Wert (xG), der die Qualität der vorhandenen Chancen bemisst, sprach mit 3,1 zu 2,06 recht deutlich für die Fürther – und er zeigte, wo an diesem Abend Herthas Problem gelegen hatte. Eindeutig in der Defensive.

In den ersten sechs Spielen dieser Saison, als die Mannschaft noch nicht so richtig zu sich gefunden hatte, als das System nicht passte und viele wichtige Spieler fehlten, da hatten die Berliner fünfmal den schlechteren xG-Wert als ihr Gegner. In den zehn Spielen seitdem war dies am Freitagabend erst zum zweiten Mal der Fall. Und es war das erste Mal überhaupt, dass die Qualität der zugelassenen Chancen für mehr als drei Tore gut gewesen wäre.

Hertha fehlten Kompaktheit und Disziplin

Trainer Leitl erinnerte noch einmal daran, „dass wir immer dann gut sind, wenn wir eine Kompaktheit an den Tag legen und wenn wir in Gänze diszipliniert gegen den Ball spielen. Dann sind wir ganz schwer zu spielen und auch ganz schwer zu schlagen.“ Das war in Fürth nicht der Fall.

Besonders schön ließ sich das vor dem 2:2 beobachten, als die Zuordnung in Herthas Defensive nicht passte und Hrgota von links nahezu unbedrängt zu Felix Klaus in der Mitte flanken konnte. Leitl fand sein Team „einen Ticken zu offen, um auswärts drei Punkte mitzunehmen. Das müssen wir uns ankreiden.“

Es war das zweite Mal nacheinander, dass Hertha das richtige Gespür für die Situation vermissen ließ. Beim 0:2 gegen Magdeburg vor einer Woche war die Mannschaft zu leichtsinnig, um wenigstens einen Punkt ins Ziel zu retten.

In Fürth wiederum wusste sie den psychologischen Vorteil nicht für sich zu nutzen, nachdem sie nur vier Minuten nach dem Ausgleich der Hausherren zum 2:2 erneut in Führung gegangen war. „Dann erwarte ich schon von meiner Mannschaft, dass wir das über die Bühne bringen und drei Punkte mitnehmen“, sagte Stefan Leitl. „Sehr ärgerlich.“

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