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Allein gegen die Infektionsschutzverordnung. „Unser Stadionerlebnis funktioniert nicht mit Abstand, und wenn wir nicht singen und schreien dürfen, dann ist es nicht Union", sagt Dirk Zingler, der Präsident des Klubs. Das erklärt einiges.

© imago images/Contrast

Union ignoriert Infektionsschutzordnung: Das muss Konsequenzen haben

Der 1. FC Union pflegt das Image, anders zu sein. Wenn es aber um den Schutz vor dem Coronavirus geht, sollte der Klub mit dieser Haltung nicht durchkommen.

Geschwindigkeitsbegrenzungen sind in Deutschland nicht besonders beliebt. Manchen gelten sie schon als Vorstufe zur Freiheitsberaubung, trotzdem sehen die meisten Autofahrer ein, dass Tempo-30-Zonen vor Schulen durchaus ihre Berechtigung haben. Dass man sich allerdings auch während der Ferien daran halten soll, ist für viele schon wieder eine fast unerträgliche Zumutung. Der Berliner Fußball-Bundesligist 1. FC Union würde in Ferienzeiten vermutlich einfach mit 50 Sachen durch die Dreißigerzone brettern.

Der 1. FC Union hält sich nämlich offensichtlich nur an Regeln und Gesetze, die er selbst für sinnvoll erachtet.

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Nicht anders sind die Ausführungen zu verstehen, die Christian Arbeit, Unions Geschäftsführer Kommunikation, am Donnerstag gegenüber dem RBB getätigt hat. Es ging um die am vergangenen Wochenende veränderte Infektionsschutzverordnung für Berlin. Nach der sind nun in ausnahmslos allen Fußballstadien der Stadt Gesänge und Anfeuerungen untersagt. Die Anhänger von Union sangen beim Testspiel gegen Hannover trotzdem – weil ihr Klub die neue Verordnung einfach ignorierte. Verstehen wir nicht. Finden wir nicht gut. Machen wir nicht mit.

In Berlin schnellen die Zahlen der Corona-Infizierten in die Höhe – und trotzdem kann man, wie der 1. FC Union, viele Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie für weltfremd, für überzogen oder wirkungslos halten. Das ist durch die Meinungsfreiheit in diesem Land gedeckt. Es steht auch jedem Milliardär frei, den Spitzensteuersatz für zu hoch halten; bezahlen muss er die Steuern trotzdem (oder die Konsequenzen tragen, wenn er es nicht tut).

Die Selbstgerechtigkeit ist längst unerträglich

Im Fall des 1. FC Union geht es nicht um Geschmacksfragen, also darum, wie intelligent es grundsätzlich ist, in einer sich zuspitzenden Pandemie und bei deutlich verschärften Regelungen in der gesamten Stadt, massiv Zuschauer für ein belangloses Testspiel ins Stadion zu locken. Das ist nicht verboten. Es geht darum, dass Union geltende Regelungen nach eigenem Gutdünken einfach missachtet. Es geht um die in der Coronavirus-Pandemie immer deutlicher zu Tage tretende Arroganz des Klubs und seine zunehmend unerträglichere Selbstgerechtigkeit. Wenn jeder, so wie Union, bestehende Regeln und Gesetze individuell auslegt, funktioniert es eben irgendwann nicht mehr.

Konsequenzen für sein Fehlverhalten scheint der Klub trotzdem nicht zu befürchten. Das ist in vielerlei Hinsicht fatal: zum einem mit Blick auf das sich im Rest der Republik immer mehr verfestigende Bild, dass die Politik in Berlin ihren Laden schon lange nicht mehr im Griff hat. Zum anderen für die Bereitschaft aller anderen, sich an die Regeln zur Beherrschung der Pandemie zu halten. Gerade deshalb sollte die Berliner Politik die Gelegenheit nutzen, ihren Kuschelkurs mit dem Kultklub aus Köpenick zu beenden.

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