zum Hauptinhalt
 Fabienne Michel wurde in Essen übelst beleidigt.

© imago/foto2press/IMAGO/Sven Leifer

Vergewaltigungsgesänge von Fans in 3. Fußball-Liga: Das Schweigen nach dem Sexismus-Eklat ist beschämend

Essener Fans beleidigen Schiedsrichterin Fabienne Michel, doch danach passiert zunächst nichts. Der Fall zeigt einmal mehr, wie schwer es Frauen im männerdominierten Fußball immer noch haben.

Inga Hofmann
Ein Kommentar von Inga Hofmann

Stand:

Es sind Beleidigungen, die so diskriminierend und zutiefst frauenverachtend sind, dass man sie kaum wiederholen möchte. Und doch wiedergeben muss, um das Ausmaß dessen zu verdeutlichen, was sich am vergangenen Wochenende beim Drittliga-Spiel zwischen dem SC Verl und Rot-Weiss Essen ereignete.

Dort wurde die Schiedsrichterin Fabienne Michel einem Bericht der „Sportschau“ zufolge von Essener Fans als „Hure“ beschimpft, nachdem diese einem Spieler die Gelbe Karte gezeigt hatte. Kurz darauf stimmten die Anhänger einen Sprechchor an, der die Zeile „Die Blonde wird gef*** olé, olé“ enthielt und Michel zum oralen Geschlechtsverkehr aufforderte.

Die Vorfälle sind verstörend und man kann sich fragen: Sollte ein Duell nicht abgebrochen oder wenigstens unterbrochen werden, wenn die Unparteiische verbale, sexualisierte Gewalt erfährt? Wenn Männer lautstark ihre Vergewaltigungsfantasien zum Ausdruck bringen und niemand ihnen Einhalt gebietet?

Bei rassistischen Vorfällen gibt es einen Drei-Stufen-Plan, der zum Abbruch führen kann. So war es beispielsweise bei einem Drittligaspiel zwischen MSV Duisburg und dem VfL Osnabrück im Jahr 2021.

Aber bei Sexismus mangelt es an Maßnahmen – dabei ist das Problem keineswegs neu, auch gegen prominente Schiedsrichterinnen wie Rebecca Welch (England) gab es sexistische Gesänge und Emanuela Rusta (Albanien) musste wegen frauenfeindlicher Kommentare ihren Instagram-Account schließen.

Beim Spiel zwischen Verl und Essen passierte zunächst gar nichts, auch nicht im Nachhinein. Öffentlich wurde der Vorfall überhaupt erst dank des Berichts der „Sportschau“. Und die Essener Vereinsvorsitzenden, die Profispieler, die Sicherheitsbeauftragten des Stadions, der Rest des Schiedsrichter-Teams und der Deutsche Fußball-Bund? Alle schweigen.

Nun kann man dem entgegenhalten, dass sie die Gesänge im Stadion nicht mitbekamen. Aber spätestens nach dem Spiel wäre es das Mindeste gewesen, Stellung zu beziehen und transparent zu machen, wie der Vorfall aufgearbeitet wird, wie man Frauen künftig schützen will.

Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes kündigte am Freitag an, Ermittlungen einzuleiten, wohl auch auf den öffentlichen Druck hin. Aber dabei darf es nicht bleiben. Denn hinter dem Fall Michel steckt ein strukturelles Problem, das sich vom Profibereich bis in die unteren Ligen zieht.

Viele Schiedsrichterinnen sind sexistischen Anfeindungen ausgesetzt – und nur die wenigsten haben Konsequenzen. Es mangelt an Schutzkonzepten, Meldestellen, konkreten Handlungsempfehlungen und letztlich auch einem generellen Problembewusstsein.

Fabienne Michel ist die einzige Schiedsrichterin in den oberen drei Ligen. Wenn es auch in ein paar Jahren noch Frauen geben soll, die diesen Job machen wollen, müssen der DFB und die Vereine endlich mehr dafür tun.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })