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Lustig war gestern. Auch Dante zeigte zuletzt wenig Frohsinn an Wolfsburger Spieltagen.

© dpa

Champions League: VfL Wolfsburg: Gegen den Schlendrian

Wolfsburg galt mal als Bayern-Jäger, doch längst ist Tristesse eingekehrt. Auch Trainer Hecking gerät langsam unter Druck.

Von Christian Otto

Kurz vor der Abreise dominierte immer noch das Kleinlaute. Echter Mumm war nicht in Sicht. Die Zuversicht hielt sich in Grenzen, die Vorfreude kam nur scheibchenweise zum Vorschein. „Das wird ein toller Fußballabend", glaubt Dieter Hecking, der Trainer des VfL Wolfsburg. Aber ausgerechnet in der Anbahnung eines Meilensteins für die grün-weiße Vereinsgeschichte ist etwas Elementares auf der Strecke geblieben.

Eigentlich müsste die Elf des Vizemeisters mit breiter Brust und als Favorit in das Achtelfinale der Champions League starten. Doch vor dem Duell mit dem Belgischen Meister KAA Gent, das heute (20.45 Uhr/ZDF und Sky) mit dem Hinspiel in Flandern beginnt, spielt ständig die Frage mit: Was ist bloß aus diesem Topteam geworden, das neulich noch Deutschlands erster Jäger des FC Bayern München war?

Im Ligaalltag eher Mittelmaß, im DFB-Pokal bereits ausgeschieden: Irgendwie ist es verständlich, wenn das Duell zwischen der Überraschungsmannschaft aus Gent und dem großspurigen Verein aus Wolfsburg mit einer großen Portion Skepsis betrachtet wird. Heckings Team, gespickt mit Stars wie Max Kruse, André Schürrle und Julian Draxler, spielt seit Wochen wie von einer schweren Lethargie befallen.

„Die Kritik tut weh. Aber sie war auch absolut berechtigt“, sagt Mittelfeldspieler Draxler. Er klang nach dem jüngsten, eher soliden 2:0-Erfolg gegen den Bundesliga-Aufsteiger Ingolstadt so, als sei seine Mannschaft bereits therapiert. In Wahrheit ist sie immer noch stark verunsichert und bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Wie soll bundesweit eine Begeisterung für den VfL Wolfsburg und sein millionenschweres Projekt entfacht werden, wenn selbst die heimischen Fans mehr nörgeln als jubeln? „Reißt euch endlich den Arsch auf“ – das war die letzte große Botschaft, die der Anhang im VfL-Stadion platziert hatte, ehe Draxler & Co. die Dienstreise nach Gent antraten.

In Wolfsburg wirken immer noch die Krise des Geldgebers Volkswagen und der Weggang des besten Spielers Kevin De Bruyne nach. Aber das allein erklärt nicht, wieso sich die Wolfsburger Könner aus aller Welt selbst in ganz simplen Situationen haarsträubende Fehler leisten.

Hecking bemängelt, dass seine Mannschaft sich im Training alle nur erdenkliche Mühe gebe, aber den Transfer ins Stadion nur bedingt schaffe. Als Übungsleiter ist er ständig damit beschäftigt, einen Schlendrian zu vertreiben, der es sich gemeinsam mit den Wolfsburger Profis in der Komfortzone des Lebens gemütlich machen möchte. Dass zur Vorbereitung auf die Partie in Gent zuletzt auch ein Straftraining gehört hat, lässt aufhorchen. „Die Qualität ist da. Die Grundtugenden müssen her“, findet Hecking. Deshalb ist es beim VfL Wolfsburg zuletzt auch nicht gerade lustig, sondern vor allem laut zugegangen.

Für Berufsfußballer, die sich nicht so gerne schmutzig machen, besitzt ein Abend wie der heutige in Gent einen entlarvenden Charakter. Die Atmosphäre im Stadion an der Magleinstraat wird furchteinflößend sein. Das Team von KAA, das im Vorjahr erstmals den Meistertitel gewinnen konnte, gilt als robuste Einheit und schmückt sich mit dem Beinamen „Buffalos“. „Auf uns wartet ein Hexenkessel. Gent steht zu Recht im Achtelfinale“, befürchtet Hecking.

Vor allem für ihn steht gegen die belgischen Büffel eine Menge auf dem Spiel. Nach enttäuschenden Leistungen seines Teams werden erste Zweifel daran angemeldet, ob dieser Trainer für die ganz großen Aufgaben des europäischen Fußballs der richtige ist. Stück für Stück hat Hecking die Daumenschrauben angezogen und auch teure Neuzugänge wie Schürrle und Kruse öffentlich an den Pranger gestellt. Bisher hat dies aber zum Leidwesen von Trainer und Verein seine Wirkung eher verfehlt.

Trotz so mancher Enttäuschung: Schürrle und Kruse sind die Hoffnungsträger der Wolfsburger Offensive, weil Bas Dost verletzt ist und Nicklas Bendtner weiterhin dicht an der Grenze zur Arbeitsverweigerung entlangdribbelt und gar nicht im Kader steht. In der Abwehr fehlt heute zudem Routinier Naldo wegen einer Gelb-Sperre. Im Tor wird der erkrankte Kapitän Diego Benaglio durch Koen Casteels ersetzt. Ausfallen werden auch die Stammspieler Daniel Caliguiri (Pferdekuss) und Josuha Guilavogui (Zerrung). Die Stimmung könnte also besser sein. Oder um es positiv zu formulieren: Die Rahmenbedingungen dafür, dass der VfL Wolfsburg mit einem europaweit bestaunten Fußballabend verblüfft, könnten kaum besser sein.

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