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Viele Medaillen, ganz viel Drama: So geht die Karriere von Claudia Pechstein zu Ende
Die emotionale Reise der erfolgreichsten deutschen Eisschnellläuferin ist vorbei. Nun erklärt die Berlinerin offiziell ihren Rücktritt.
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Claudia Pechstein war in ihrer Außendarstellung vielleicht nicht die geschickteste Sportlerin der Welt, aber die Berlinerin war sicherlich die bis dato beste deutsche Eisschnellläuferin. Fünfmal Gold, insgesamt sogar neun Medaillen hat sie auf dem Eis bei Winterspielen errungen, womit sie an letzterer Zahl gemessen die erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin ist. Am Montag nun hat sie ihren Rücktritt erklärt, im für einen Profi außergewöhnlichen Alter von 53 Jahren.
Eine andere Zahl als das Alter war aber wohl entscheidender für den Zeitpunkt des Rücktritts: Elf Tage zuvor hatte sich Pechstein in dem Millionen-Streit mit dem Eislauf-Weltverband (ISU) einigen können. Nur weil das Verfahren noch lief, galt sie offensichtlich noch als aktiv. „Ich habe immer gesagt, wenn alles vorbei ist, höre ich auf. Damit kann ich die Schlittschuhe jetzt an den Nagel hängen“, sagte sie dazu.
Am vergangenen Montag hatten Pechstein und ihr Lebensgefährte Matthias Große sowie dann am Dienstag auch die ISU bekannt gegeben, dass der Rechtsstreit um Schmerzensgeld und Schadenersatz in Höhe von rund 8,4 Millionen Euro nach 16 Jahren beendet ist. Beide Parteien hätten sich am 27. Februar außergerichtlich geeinigt, hieß es.
Die Auseinandersetzung habe „ein klares und versöhnliches Ende gefunden“, sagte Große. Danach hatte es lange nicht ausgesehen. „Ich habe mich schon lange nach dem Moment gesehnt, dass der Fall vorbei ist“, sagte Pechstein nun. Über die Details der laut ISU „gütlichen Einigung“ bewahrten beide Seiten Stillschweigen.
Die jüngsten Jahre ihrer Karriere hätten freilich nicht sein müssen. National war sie aufgrund fehlender ernsthafter Konkurrenz zwar noch lange Zeit spitze. Da gab es ja flotte Sprüche, die sie ihren jüngeren Konkurrentinnen hinterherjagte. So nach dem Motto, wenn ihr mich nicht mehr als Gegnerin wollt, „dann lauft doch einfach schneller als ich“. International lief sie hingegen schon seit einem guten Jahrzehnt der Spitze meist hinterher.
Ohne die Sperre wäre Pechstein wohl noch erfolgreicher gewesen
Claudia Pechstein wird zu Recht einmal darauf verweisen können, dass sie noch erfolgreicher hätte sein können, wenn der Weltverband sie nicht zu Unrecht mit dem Vorwurf des Blutdopings im Spätsommer ihrer Karriere im Jahr 2009 für zwei Jahre gesperrt hätte, ausgerechnet als sie sportlich ganz oben war. Die Spiele von Vancouver 2010 hätten ihre Spiele werden können, das hat sie oft betont. Und das hat sie immer verfolgt.
„Die Wunden meiner Unrechtssperre werden nie gänzlich verheilen“, sagte Pechstein vor einigen Jahren dem Tagesspiegel. „Die Spiele in Vancouver sind mir durch die Bosse des Weltverbandes gestohlen worden. Das war Betrug am Fair-Play-Gedanken und an mir. Ich hoffe nach wie vor, dass die ISU dafür eines Tages bezahlen muss.“
Der glücklose Teil eines großen Gesamtwerks – Pechstein holte ihre letzte olympische Medaille vor 19 Jahren in Turin, den letzten WM-Titel 2004 – wurde immer länger. Bei ihren letzten Olympischen Spielen 2022 in Peking belegte sie kurz vor ihrem 50. Geburtstag noch einmal den neunten Platz im Massenstart, das war natürlich eine Leistung.
Die Wunden meiner Unrechtssperre werden nie gänzlich verheilen.
Claudia Pechstein
Claudia Pechstein wird nicht als Sportlerin in die Geschichte eingehen, die polarisiert hat. Auch, ohne dass ihr Ausflug in die Politik – für die CDU errang sie im Jahr 2021 kein Direktmandat für den Bundestag – Erfolg gehabt hätte.
Das Paar Pechstein und Große war und ist dem großen Rest der Eisschnelllauf-Szene in Deutschland nicht geheuer. Der Unternehmer Große ist eine imposante Erscheinung, ein kräftiger, großer Mann, der 2020 sogar Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) wurde.
Seit 2010 ist er an der Seite von Claudia Pechstein, präsent bei deren öffentlichen Auftritten. Vor allem, wenn es darum geht, die Lebensgefährtin zu verteidigen. Was die nämlich erlebt habe, sei an sich „nicht überlebbar“ gewesen, hat Große einmal formuliert.
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Der Kampf der Polizeimeisterin gegen die ISU war kein einfacher und vor allem ein langer. Seit eben 2009 bei ihr überhöhte Werte von Retikulozyten als verbotene Methode des Blutdopings gewertet wurden, stritt sie um Wiedergutmachung. In ihrer Autobiografie aus dem Jahr 2010 hat sie ihre Selbstmordgedanken in dieser Zeit offenbart.
Nun ist der Kampf von Claudia Pechstein vorbei, am Ende ist ihre Geschichte eine erfolgreiche und große, aber nicht immer großartige Geschichte aus dem deutschen Sport.
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