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Sport: Vom Rücktritt zurückgetreten

Henry Maske boxt am Wochenende nach zehn Jahren Pause wieder – ungewöhnliche Comebacks gab es im Sport schon öfter

Stand:

Am kommenden Samstag steigt Henry Maske nach mehr als zehn Jahren Pause wieder in den Boxring. Der 42 Jahre alte Maske kämpft in München gegen den US-Amerikaner Virgil Hill. Der Rücktritt vom Rücktritt ist im Profisport nicht selten. Die Motive allerdings sind verschieden. Im Folgenden eine Auswahl verschiedener Comebacks prominenter Sportler:

COMEBACK AUS FINANZNOT

Graciano Rocchigiani, Boxer

„Wenn ich das Geld hätte, würde ich nicht mehr boxen“, hat Graciano Rocchigiani vor seinem bis heute letzten Comeback gesagt. 2003 war das. Nach über zwei Jahren Pause und 279 Tagen im Gefängnis sollte der 39 Jahre alte Rocchigiani noch einmal in den Ring steigen, gegen einen zwölf Jahre jüngeren Boxer namens Thomas Ulrich. Ulrich kannten zu diesem Zeitpunkt wenige. Rocchigiani dagegen war so etwas wie ein Antiheld in Deutschland. Wahlweise wurde er in die Ecke des Bösen oder des Schmuddeligen gestellt. Der Gute war er nie. Das Fernsehen benutzte ihn gern, 2003 kassiert Rocchigiani dafür immerhin noch einmal 1,5 Millionen Euro. Gegen Ulrich war Rocchigiani erstaunlich fit. Den Kampf vor 6000 Zuschauern in Stuttgart um den Intercontinental-Titel des WBC im Halbschwergewicht verlor er knapp nach Punkten, seine Fans aber feierten ihn. „Das Urteil ist gerecht“, sagte Rocchigiani später. Zu diesem Fazit war er in seiner 20 Jahre langen Karriere selten gekommen. Gegen Henry Maske und Dariusz Michalczewski unterlag er jeweils umstritten und fühlte sich betrogen. In den Rückkämpfen jedoch war der in Rheinhausen geborene Kämpfer chancenlos. Der Kampf gegen Ulrich hätte das versöhnliche Ende einer beständig am Rande des Wahnsinns taumelnden Karriere sein können, die 1988 mit dem Gewinn des IBF-Weltmeistertitels vielversprechend begonnen hatte. Stattdessen geriet Rocchigiani zuletzt wieder in die Schlagzeilen, nachdem er einen Taxifahrer verprügelt hat. Momentan sitzt er seine Haftstrafe ab.

COMEBACK ALS BESTÄTIGUNG

Ulrike Meyfarth, Hochspringerin

Los Angeles, 1984. Wo Sommerspiele drauf stand waren Spiele des Westens drin – der Osten boykottierte, der Kalte Krieg war Schuld. Trotzdem war mancher Wettbewerb gut besetzt, der Hochsprung der Frauen gehörte dazu. Titelverteidigerin Sara Simeoni aus Italien war am Start – und Ulrike Meyfarth, die Deutsche, die als 16 Jahre alte Schülerin 1972 in München die Weltelite geschockt hatte und jüngste Olympiasiegern im Hochsprung wurde. 1984 ist Meyfarth 28, sie hat zwölf Jahre mit vielen Tiefen und wenigen Höhen hinter sich. „Ich wurde von der Popularität völlig überrollt, für einen Teenager war so ein Rummel nicht zu verkraften“, hat sie später gesagt. „Ich hatte dann eine Verletzung und bin in ein tiefes Loch gefallen.“ Doch Anfang der Achtzigerjahre ging es wieder aufwärts, sie tritt als aktuelle Europameisterin in den USA an. Es ist ihre letzte Saison, Meyfarth ist angeschlagen in Los Angeles, hat eine Verletzung der Achillessehne – und springt höher als alle anderen: 2,02 Meter – zehn Zentimeter höher als damals in München. Die jüngste Olympiasiegerin aller Zeiten ist nun auch die älteste aller Zeiten im Hochsprung. Heute sagt Ulrike Nasse-Meyfarth: „Das erste Gold war überraschend, das zweite hart erarbeitet. Es hat die Eintagsfliege bestätigt – das musste sein.“

COMEBACK AUS ÜBERMUT

Mark Spitz, Schwimmer

Mark Spitz. Schnurrbart, Frauenschwarm, Stehaufmännchen. Mexiko City 1968 sollten die Olympischen Spiele des US-Amerikaners werden, wurden sie aber nicht. Spitz scheiterte an seinen ganz hohen Ansprüchen: nur zweimal Gold. Er verschob seinen ganz großen Triumph: 1972 wurde er mit sieben Goldmedaillen der Star von München. Dann trat er zurück, begann sich irgendwann zu langweilen und hielt sich immer noch fit: 1984 schlug er fast sensationell den damaligen 100–Meter-Weltrekordhalter im Schmetterling, Rowdy Gaines. Die Idee des Comebacks war geboren: Spitz trainierte und trainierte und bereitete sich ab 1989 für die US-Trials vor, er wollte zu den Spielen in Barcelona 1992 – da wäre er 42 Jahre alt gewesen. Doch Spitz verpasste die Qualifikationszeiten für das US-Team – obwohl er sogar zum Teil schneller geschwommen war als zwei Jahrzehnte zuvor, ohne Schnurrbart übrigens.

COMEBACK ALS SHOW

Lorenz Funk, Eishockeyspieler

Langsam und etwas schwerfällig rutschte die Eismaschine in die Deutschlandhalle hinein. Eine Luke öffnete sich – und heraus sprang: Lorenz Funk. Die 3400 Zuschauer waren außer sich, einige vor Lachen, andere staunten. Die anderen kannten die Vita des damals, 2003, 55 Jahre alten Eishockey-Verrückten. Funk war einer der erfolgreichsten Profis der Bundesrepublik. Sein Comeback sollte den finanziell beständig wankenden Berlin Capitals helfen – sein Plan funktionierte nur kurzfristig, der Klub musste später wegen Geldproblemen aufgeben. Der letzte Auftritt des Tölzers in der Deutschlandhalle bleibt dennoch unvergessen. Langsam und etwas schwerfällig wie die Eismaschine rutschte Funk im Gegensatz zu den flinken Regionalliga-Spielern der Capitals und der Jungfüchse aus Weißwasser zwar umher – bei einem Tor aber stand er trotzdem auf dem Eis. Später musste Funk etliche Ehrenrunden drehen. „Mir geht es nicht gut, mir geht es sehr gut“, sagte er. Es war das selbstironische Ende einer außergewöhnlichen Karriere: Lenz absolvierte 225 Länderspiele, holte 1976 bei Olympia in Innsbruck Bronze und wurde zweimal Meister mit dem Berliner Schlittschuh-Club.

COMEBACK AUS EXISTENZNOT

Johan Cruyff, Fußballer

Ein solches Ende hat diese Karriere wirklich nicht verdient. Johan Cruyff, 31 Jahre alt, hat den FC Bayern München als Gegner für sein Abschiedsspiel eingeladen. Fast 60 000 Zuschauer sind am 7. November 1978 im Amsterdamer Olympiastadion, um einen der besten Fußballer Europas in den sportlichen Ruhestand zu begleiten. Sie erleben – ein Debakel. 8:0 gewinnen die Bayern, aber daran liegt es nicht, dass Cruyff schon am 23. Mai 1979 – bei den Los Angeles Aztecs – wieder anfängt Fußball zu spielen. „In ein paar Tagen werde ich es vergessen haben“, sagt Cruyff noch am Abend des Abschiedsspiels. Er muss wieder spielen, weil er sein komplettes Millionenvermögen verloren hat. Ein zwielichtiger Geschäftsmann hat sich der holländischen Fußballlegende als Berater angedient und ihn zu allerhand windigen Geschäften verleitet. Unter anderem investiert Cruyff 1,3 Millionen Dollar in 24 000 Ferkel und 1400 Sauen. Sie enden schon kurz darauf im Schlachthof von Barcelona, das Geld ist weg. 1981 kehrt Cruyff noch einmal zu Ajax Amsterdam zurück, führt den Klub in zwei Jahren zu zwei Meistertiteln. Als er danach keinen neuen Vertrag mehr bekommt, wechselt Cruyff zum Erzrivalen Feyenoord Rotterdam und wird 1984 ein weiteres Mal Meister. Danach beendet Johan Cruyff endgültig seine Karriere. Auf ein Abschiedsspiel verzichtet er.

COMEBACK AUS LANGEWEILE

Björn Borg, Tennisspieler

Der Tennisschläger war immer noch der alte, allerdings war Björn Borg auch älter geworden. Boris Becker staunte nicht schlecht als ihm der Schwede vor einem Training seine alten Holzschläger zeigte. „Und damit willst du spielen“, soll Becker sein Idol gefragt haben. Björn Borg wollte, konnte aber nicht so recht: Tatsächlich traute sich der fünfmalige Wimbledonsieger sieben Jahre nach seinem Rücktritt wieder auf den Tennisplatz. Dabei war Borg im Jahr 1991 gar nicht mal zu alt für einen Profi, hatte er doch 1984 seine Karriere schon mit 26 Jahren für beendet erklärt. Doch die Zeiten und der Stil im Tennis hatten sich seit 1984 geändert: Borg kam bei dem dynamischen Spiel von Becker und Co. nicht mehr mit, verspielte aber bis 1993 ein Stück von seinem Ruf – er überstand bei keinem Turnier die erste Runde. Es war aber eben auch ein Comeback aus finanziellen Zwängen: Nach seiner zweiten Karriere verabschiedete sich Borg in Richtung Seniorentour, auf der er mit seinen einstigen Gefährten wie John McEnroe dann mehr Erfolg und Zuschauer hatte als bei seinem missglückten Comeback – und nun spielte der Schwede auch mit einem modernen Schläger.

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