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Harter Aufprall. Für Kiels Nikola Bilyk (links) und Berlins Matthias Zachrisson ist die Saison nun beendet.

© dpa

Vorzeitiges Ende der Handball-Saison: Warum die Füchse Berlin die großen Verlierer des Abbruchs sind

Die Handball-Bundesliga bricht die Saison ab. Die Wertung der Spielzeit per Quotientenregel trifft jedoch besonders die Füchse Berlin hart.

Bob Hanning hat kürzlich einen Vorschlag gemacht, der eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Mittlerweile ist das Geheimnis gelüftet: Der Manager der Füchse Berlin legte den Kollegen vom Liga-Dachverband der Handball-Bundesliga (HBL) dar, wie die Saison 2019/20 – zumindest aus rein subjektiver Sicht – noch zu retten ist. Alle Teams finden sich für ein paar Tage auf neutralem Boden zusammen und bringen die Spielzeit im Turniermodus zu Ende. Es war eine skurrile Idee, die nicht überall auf Zuspruch stieß, aber immerhin: Es war eine Idee.

Knapp eine Woche später ist nun klar: Wenn es in der Handball-Bundesliga überhaupt noch Spiele in absehbarer Zeit geben wird, sind es Rechenspiele. Am Dienstag haben sich Vertreter aller 36 Erst- und Zweitligisten nämlich darauf verständigt, die Saison in beiden Ligen wegen der anhaltenden Coronavirus-Krise mit sofortiger Wirkung abzubrechen – ein Novum in der deutschen Handball-Geschichte. Das Final Four im Pokal wollen die Verantwortlichen aber noch austragen. Das bereits auf den 27./28. Juni verlegte Finalturnier soll nun erneut verschoben werden – auf ein Datum nach dem 31. August.

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„Fakt ist, dass meine Idee nicht mehrheitsfähig war“, sagt Hanning. „Deshalb muss man sich den Argumenten beugen und das akzeptieren.“ Der HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann betonte, dass es aus rein sportlicher Sicht selbstverständlich das Beste gewesen wäre, die Saison fortzusetzen, aber der Rahmen eben nicht gepasst habe. „Von allen ungerechten Lösungen, die auf dem Tisch lagen, haben wir diese für die Beste gehalten“, sagte Bohmann.

An anderen Standorten sehen es die Verantwortlichen ähnlich. Unter normalen Umständen wäre die Saison jetzt auf die Zielgerade eingebogen – mit schönen Aussichten für die Fans aus Kiel und Flensburg etwa. Die beiden ewigen Rivalen aus dem Norden trennen acht Spieltage vor Schluss nur zwei Punkte, nach alter Tradition hätten sie sich einen mutmaßlich spannenden Endspurt geliefert. Durch den HBL-Beschluss vom Dienstag stehen die Kieler allerdings vorzeitig als Meister fest – weil sich das Präsidium, anders etwa als im Eishockey oder Volleyball, explizit gegen eine Annullierung und für die Anwendung der sogenannten Quotientenregel entschied.

Die neue Saison soll mit 20 Teams gespielt werden

Die gewonnenen Punkte jedes Teams werden demnach durch die Anzahl der Spiele geteilt und mit dem Faktor 100 multipliziert. Darüber hinaus wird es keine Absteiger und zwei Aufsteiger geben – den TuSEM Essen und den HSC Coburg. Die HBL geht also mit 20 Klubs in die neue Saison, in der es dann vier statt der üblichen drei Absteiger geben wird.

Die Folgen der Quotienten-Regel sind besonders für einen Verein extrem bitter, der sich in der neuen Tabelle als einziger Vertreter verschlechtert hat: die Füchse Berlin. Hannings Klub rutscht dadurch vom fünften auf den sechsten Tabellenplatz ab, der nicht mehr zur Teilnahme am europäischen Wettbewerb berechtigt. „Obwohl wir die Leidtragenden sind, bin ich entspannt“, sagt Hanning und verspricht: „Wir werden nicht gegen den Beschluss klagen, der am Dienstag gefällt worden ist.“

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Für die Berliner steht in der neuen Saison nun umso mehr ein Neustart an: Denn im Sommer übernimmt in Jaron Siewert, dem aktuellen Trainer des TuSEM Essen, auch ein neuer Verantwortlicher an der Seitenlinie. So weit zur sportlichen Gemengelage. Unter wirtschaftlichen Aspekten zeichnet sich ebenfalls ein Novum für die Berliner ab. „Es wird so sein, dass wir zum ersten Mal seit 2004 keine schwarze Null am Ende des Geschäftsjahres schreiben werden“, sagt Hanning. Seit Ausbruch der Coronavirus-Krise hat der Verein zwar Kreativität walten lassen und nach alternativen Einnahmemöglichkeiten Ausschau gehalten, etwa durch den Verkauf virtueller Tickets für historische Duelle, die via Youtube übertragen werden.

Die tatsächlichen Zuschauereinnahmen sind allerdings ein Faktor, auf den kein Handball-Bundesligist längerfristig verzichten kann. Für die angestellten Profis läuft es darauf hinaus, dass sie sich mit veränderten Zahlungsmodellen werden abfinden müssen. „Ein Profi kann auf Geld verzichten“, sagt Hanning. „Nicht aber ein Mitarbeiter des Vereins, der 2500 Euro brutto im Monat verdient.“ Und so wird Hanning sicher weitere Ideen präsentieren.

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