zum Hauptinhalt
Rani Khedira erzielte in Hamburg sein zweites Saisontor.

© imago/Matthias Koch

Wer braucht schon Stürmertore?: Rani Khedira trifft im Auftrag seiner Tochter

Seit zwei Monaten haben die Stürmer des 1. FC Union Berlin nicht mehr getroffen. Das stört aber aktuell niemanden. Rani Khediras Siegtor gegen St. Pauli hat eine besondere Vorgeschichte.

Stand:

Es ist zwei Monate her, dass sich viele Menschen in der Fußball-Bundesliga verwundert die Augen gerieben haben. In der Torschützenliste lagen mit Ilyas Ansah (vier Treffer) und Oliver Burke (3) zwei Spieler des 1. FC Union Berlin sehr weit vorne. Natürlich hinter Ausnahmestürmer Harry Kane, aber doch in Sphären, in denen die Köpenicker Defensivspezialisten sonst nicht eindringen.

Seitdem hat Union siebenmal gespielt – ein Tor für Ansah oder Burke ist nicht dazugekommen. Andrej Ilic, Tim Skarke und der Rest der Berliner Offensive warten noch auf ihren ersten Saisontreffer. Da Union nach dem 1:0 beim FC St. Pauli am Sonntagabend dennoch auf Rang acht geklettert ist und damit bereits acht Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone hat, stört das in Köpenick aber niemanden.

„Das ist kein Thema bei uns“, sagt Kapitän Christopher Trimmel. „Es liegt bei uns in der DNA, dass man als Stürmer nicht unbedingt die Tore schießen muss. Wir müssen als Mannschaft gut funktionieren und das tun wir.“

Es liegt bei uns in der DNA, dass man als Stürmer nicht unbedingt die Tore schießen muss.

Christopher Trimmel

Dass Union die Torflaute der Angreifer so entspannt nimmt, liegt vor allem daran, dass andere Spieler ihren Tordrang aktuell außergewöhnlich stark ausleben. Innenverteidiger Danilho Doekhi hat seine persönliche Bestmarke von wettbewerbsübergreifend sechs Saisontoren bereits eingestellt und war mit einem Doppelpack der große Held gegen Bayern München.

Am Millerntor gebührte diese Rolle Rani Khedira. Der 31 Jahre alte Mittelfeldorganisator schoss das Siegtor. „Das fühlt sich gut an“, sagt Khedira. Am Morgen habe er mit seiner kleinen Tochter telefoniert und sie gefragt, was er machen soll. „Tor“, habe sie geantwortet. „Ich habe ihr gesagt, dass das schwierig wird, es aber umgesetzt.“ Manchmal kommen die besten Anweisungen eben nicht vom Trainer.

Zufall oder nicht?

Khedira war in der Vergangenheit nicht gerade als Torjäger bekannt. Für den FC Augsburg waren ihm in einer Saison zwar mal vier Treffer gelungen, seine Bilanz für Union war vor dem Gastspiel in Hamburg aber eher mau: 162 Einsätze, vier Tore.

Trimmel ist dennoch zuversichtlich, dass sein Kollege noch einige Treffer nachlegt. „Bei unseren Flanken und Einwürfe fallen viele zweite Bälle runter. Vor allem die zentralen Positionen stehen oft richtig, wenn sie aktiv nachgehen. Rani wird vielleicht noch das eine oder andere Tor machen“, sagt Trimmel.

Es sieht oft nach Zufall aus, wie Union nach Standardsituationen zu Chancen kommt, doch es handelt sich eher um programmiertes Chaos. Im Fünfmeterraumgewühl ist die Zone um den Elfmeterpunkt oft verwaist. Gegen Gladbach schoss Khedira einen Volley nach einer kurz abgewehrten Ecke von dort in die linke Ecke.

Am Sonntag war es ein langer Einwurf von Trimmel, den St. Pauli nicht verteidigt bekam. Der Ball kam zu Khedira, dessen erster Schuss noch von Ilic geblockt wurde. „Aber ich bin gierig geblieben und habe den Ball über die Linie gedrückt“, sagt Khedira.

Das war heute kein Fußball-Schmankerl, so ehrlich muss man sein.

Rani Khedira

Dass Union offensiv ansonsten nicht viel gelang, störte den Mittelfeldspieler eher wenig. In der zweiten Hälfte hatten die Berliner bei einem Pfostenschuss der Hamburger Glück, in der Schlussphase rettete Janik Haberer bei einem Eckball, der sich gefährlich Richtung Tor drehte. „Das war heute kein Fußball-Schmankerl, so ehrlich muss man sein“, sagte Khedira hinterher. „Das war ein ganz dreckiger Arbeitssieg.“

Dass die Berliner in den Interviews nach dem Spiel schon wieder auf eine hypothetische Europapokalqualifikation angesprochen wurden, quittierte Trimmel mit einem Lachen. „Jetzt geht das schon wieder los“, sagt der Kapitän.

Khedira warnt davor, die Anspruchshaltung zu verändern. Gerade mit Blick auf die kommenden Gegner Heidenheim und Wolfsburg sei der Blick auf die Tabelle „verführerisch“. Die vergangene Saison habe mit zwei Niederlagen gegen Heidenheim aber gezeigt, „dass wir uns gegen solche Gegner schwergetan haben“, sagt Khedira. „Wir müssen unserem Spiel treu bleiben, auch wenn es nicht schön aussieht. Es geht im Fußball in erster Linie ums Gewinnen.“ Und ums Tore schießen – vor allem, wenn es ein Auftrag der eigenen Tochter ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })