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Rauch in Mannheim. Das Spiel Waldhof gegen Uerdingen musste abgebrochen werden.

© dpa

Ausschreitungen im Fußball: Wer ein Ticket kauft, erwirbt kein Recht auf Anarchie

Böller und Raketen im Stadion, Ausschreitungen auf den Rängen, Posieren wie der Ku-Klux-Klan: Der Fußball und seine Fans geben derzeit ein beschämendes Bild ab. Ein Kommentar.

„Fans, wir müssen reden!“ Mit diesen Worten eröffnet Sky-Moderator Jörg Wontorra jeden Sonntag seinen Fußballtalk. Wir müssen tatsächlich reden. Aber nicht darüber, wie lange Trainer „xy“ noch im Amt bleiben darf, ob der Abstieg des Hamburger SV verdient ist oder warum der Videobeweis Mumpitz ist. Wir müssen über uns reden. Denn der Fußball und seine Fans geben ein beschämendes Bild ab in diesen Tagen. Und damit irgendwie auch unsere gesamte Gesellschaft.

Da gab es den 34. Bundesliga-Spieltag vor zwei Wochen, als der erste Abstieg des HSV Gewissheit wurde und ein herausragendes, versöhnliches Klima im Stadion verpestet wurde von hundert unverbesserlichen Krawallmachern, die einen Spielabbruch mit Qualm und Rauchbomben heraufbeschworen.

Da gab es den „Finaltag der Amateure“ vor einer Woche, der von DFB-Chef Reinhard Grindel zum Feiertag erkoren wurde, in deren Livekonferenz im Ersten Deutschen Fernsehen letztlich aber bei fast jeder zweiten Schalte Pyrotechnik und Fanausschreitungen das Bild prägten. Ob in Koblenz, wo eine Pyroshow Verletzte forderte, darunter auch ein Kind. Ob in Saarbrücken, wo sich Fans vor der Ausführung eines Elfmeters mit Ordnern prügelten. Oder ob in Babelsberg, wo sogar die Siegerehrung entfallen musste unter dem Raketenfeuerwerk einiger Zuschauer.

Und dann gab es da die Regionalliga-Relegation am Sonntag, als das Spiel zwischen Waldhof Mannheim und dem KFC Uerdingen abgebrochen werden musste. Zunächst rumorte es im Sektor der Uerdinger Anhänger, wieder kam dabei auch ein Minderjähriger zu Schaden. Danach knallte es auf der anderen Seite, weil Mannheimer Chaoten die Silvesternacht vorziehen wollten und das Spiel mit Böllern und Raketen eigenhändig beendeten. „Ich finde es schade, dass die Leute heute mit Kriegswaffen reingekommen sind“, zeigte sich Waldhof-Trainer Bernhard Trares konsterniert.

Auch im Saisonfinale kann man den Kopf gebrauchen

Vorfälle über Vorfälle, alles innerhalb von nur zwei Wochen. Natürlich ist es kein Zufall, dass es gerade in der finalen Phase einer Fußballsaison zu einer derartigen Anhäufung von Ausschreitungen kommt. In diesen Wochen werden Sieger und Verlierer gemacht, es geht um die Ernte einer ganzen Saison, diese Partien spielen geradezu mit den Emotionen der Fans.

Trotzdem darf auch in diesen paar Mai-Wochen der Kopf gebraucht werden. Viele Fußballfans marschieren immer noch mit der Überzeugung ins Stadion, sie hätten mit dem Ticket das Recht auf Anarchie erkauft, und merken gar nicht, mit welcher Attitüde sie durch die Welt spazieren. Das muss aufhören. Genauso aber müssen sich Vereine und deren Sicherheitspersonal überprüfen. Unschuldige Stadiongäste müssen am Eingang ihre Sonnencreme abgeben, während die echten Problemkinder Feuerwerksvorräte für eine ganze Wohnsiedlung eingeschmuggelt bekommen. Das ist absurd.

Trotz des positiven sportlichen Ausgangs produzieren auch einige Fans von Energie Cottbus wieder negative Schlagzeilen. Der Aufstieg in die Dritte Liga gegen Weiche Flensburg wurde in der Innenstadt bis in die Nacht hinein von mehreren Anhängern im Ku-Klux-Klan-Outfit gefeiert. Ein verstörendes Bild. Zumal sich Cottbus zuvor im Stadion noch ganz anders gezeigt hatte. Da luden Anhänger vom FC Energie sogar die mitgereisten Gästefans aus Flensburg zum Freibier ein. So macht Fußball Spaß. So macht Fußball Sinn.

Steven Wiesner

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