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Mit Tomas Rincon (l.) im rechten Mittelfeld kam wieder Stabilität ins HSV-Spiel, allerdings könnte er im Derby aus taktischen Gründen auf der Bank sitzen. Aaron Hunt ist hingegen das Herz im Spiel des SV Werder Bremen.

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Vor dem 100. Nordderby: Werder und HSV im Vergleich: Tief im Norden

Vor fünf Jahren trafen sich Werder Bremen und der Hamburger SV noch im Uefa-Cup- und DFB-Pokal-Halbfinale. Das 100. Nordderby am Samstag ist nur noch ein Abstiegsduell. Was beide Mannschaften eint und was sie trennt.

Die Trainer
Bremens Trainer Robin Dutt folgte zu Saisonbeginn auf die lebende Werder-Legende Thomas Schaaf. Manch einer sprach damals von großen Fußstapfen, von einem schweren Erbe. Aber so schwer war es dann doch nicht. Denn schon unter Schaaf war Werder vom Champions-League-Teilnehmer wieder zur grauen Maus geschrumpft. Dutt betonte von Anfang an, dass es Zeit brauche, die Mannschaft zu entwickeln. Er stellt sich auch nach Pleiten hinter seine Spieler – bis auf eine Ausnahme vor wenigen Wochen. Da bemängelte er die „fehlende Wettkampfmentalität“. Der 49-Jährige spricht viel mit „seinen Jungs“, man weiß nur nicht, ob sie verstehen, was er von ihnen will.

Der Hamburger Boulevard hat bereits einen ganz eigenen Namen für den neuen Coach Mirko Slomka gefunden: „Magic Mirko“. Zu überraschend kam dieses 3:0 gegen Borussia Dortmund am vergangenen Samstag, da musste doch Magie im Spiel gewesen sein. Tatsächlich hat Slomka in seiner ersten Woche beim HSV nur an zwei Stellschrauben gedreht: einerseits wurde das Training intensiviert und zum anderen das System umgestellt. Aus bisweilen nur vier Einheiten plus Abschlusstraining unter Bert van Marwijk machte Slomka kurzerhand sieben, aus einem 4-2-3-1 machte Slomka ein 4-4-2. In Tateinheit mit seiner Kraft des positiven Denkens hat Slomka in seinen ersten Tagen Berge versetzt. Ein ähnliches Gestein türmt sich nun auf: den HSV endlich auf Beständigkeit zu trimmen.

Die Verantwortlichen
Der neue starke Mann an der Weser ist Thomas Eichin. Als er kam, verbreitete er eine gewisse Aufbruchsstimmung. Man hatte gar gehofft, das Duo Eichin/Dutt könne so etwas werden wie „Schaaf/Allofs reloaded“. Doch es wurde ein Duo, das die Krise verwalten muss. Die Trennung von Thomas Schaaf brachte Eichin souverän über die Bühne. Messen lassen muss er sich aber vor allem an den Neuzugängen. Die Probleme auf dem Platz hat bislang keiner der Neuen wirklich lösen können. Als Eishockeymanager bei den Kölner Haien wurde Eichin mal als „Architekt des Untergangs“ bezeichnet, dann wieder als „Baumeister des Glücks“. Noch weiß man nicht so recht, was auf den Werder-Sportchef Eichin zutrifft.

HSV-Sportchef Oliver Kreuzer und -Vorstand Carl-Edgar Jarchow strahlten am vergangenen Samstag wie Geburtstagskinder. Was für ein Start mit dem neuen Chefcoach! Hatten die beiden da nicht zur Abwechslung auch einmal etwas richtig gemacht? Slomka ist nicht nur aus dem Polnischen übersetzt der „Strohhalm“, der 46 Jahre alte Coach ist auch der Strohhalm des Vereins. Misslingt die Mission mit dem dritten Chefcoach der Saison, dürfte es die beiden Vorstände bei der nächsten Mitgliederversammlung im Juni hinfortspülen. Dass sie noch dabei sind, ist schon ein Erfolg für sie. Wäre Felix Magath gekommen, hätten sie gehen können.

Das System
System hat bei Werder anscheinend nur, dass der Trainer das System Woche für Woche umkrempelt. Meistens mit nur einem Stürmer, mal mit derer zwei. Mal mit der Doppelsechs, mal mit nur einem zentralen defensiven Mittelfeldspieler. Das Hauptaugenmerk nach der Gegentrefferflut in der Vorsaison legte Dutt auf die Defensive. Das funktionierte zunächst ganz gut – zu Lasten der Offensive. Inzwischen zählt Werder – System hin, System her – wieder zu den Schießbuden der Liga. Immerhin: Der Torwartwechsel von Sebastian Mielitz zu Raphael Wolf hat für ein bisschen mehr Ruhe gesorgt.

Mit Tomas Rincon rechts und Petr Jiracek links im Mittelfeld bekam der HSV die nötige Stabilität gegen Dortmund. In ihrer Mitte standen Milan Badelj und Tolgay Arslan; das war eine ultradefensiv ausgerichtete Linie, in der sich der BVB immer wieder verfing. Die rechte Seite mit Heiko Westermann als Verteidiger und Rincon davor ignorierte die Offensive einfach. So kann man nur in Ausnahmen spielen, andererseits: Nach zuvor acht Niederlagen geht das in Ordnung. Die Frage lautet nun, ob der HSV bei Werder offensiver antritt – oder noch einmal mit dem sicherheitorientierten 4-4-2 vom vergangenen Samstag?

Die Gestalter
Aaron Hunt ist das Herz des Werder-Spiels. Man weiß nur nicht so genau, wie lange es noch für grün-weiß schlägt. Hunts Vertrag läuft im Sommer aus. Sportchef Eichin kündigte an, dass der Klub an die Schmerzgrenze gehen würde, um seinen besten Fußballer zu halten. Hunt will sich Mitte März entscheiden. Angeblich liegen ihm Angebote aus England vor. Dort könnte er auf höherem Niveau spielen. Als Jugendlicher büxte Aaron Hunt, von Heimweh geplagt, aus dem Werder-Internat aus. Längst ist er heimisch geworden an der Weser. Heimweh würde er inzwischen nur nach Bremen bekommen.

Beim HSV ist Rafael van der Vaart wieder fit, und einiges spricht dafür, dass Slomka im Mittelfeld auf Rincon verzichtet, dafür Freistoßkünstler Hakan Calhanoglu zurückzieht und van der Vaart seinen Lieblingsplatz schenkt: als hängende Spitze. Hinter Pierre-Michel Lasogga, der die Arbeit macht und den Gegner anläuft, soll van der Vaart Ruhe für die lichten Momente haben. Er hat zusammen mit Calhanoglu schon gute Spiele gemacht; die beiden können den HSV inspirieren. Aber manchmal weiß der eine auch nicht, was der andere macht.

Das Personal
Mit dem verletzten Aleksandar Ignjovski und den gesperrten Luca Caldirola und Felix Kroos fallen gleich drei Spieler aus der Viererkette bei Werder Bremen aus. Für die vakante Position in der Innenverteidigung kommt nur Assani Lukimya in Frage, was ob der Patzer des Kongolesen in der Vergangenheit durchaus für Sorgenfalten bei den Bremer Fans sorgt. Rechts dürfte Kapitän Clemens Fritz für Ignjovski spielen.

In Hamburg ist die ganz schlechte Stimmung verschwunden, und wie sollte es anders sein in der Hansestadt: Dafür hat ein einziger Sieg genügt. Gefeiert wird vor allem Mittelstürmer Lasogga. Genesen für das Derby soll die Hertha-Leihgabe seinen elf Bundesliga-Treffern weitere folgen lassen. Dass Westermann grippekrank ausfällt, trifft keinen – er sollte schon gegen Dortmund pausieren, hätte sich nicht Dennis Diekmeier am Abend vor dem Spiel abgemeldet.

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