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Franz Beckenbauer hatte eine starke persönliche Ausstrahlung – auf und neben dem Platz.

© IMAGO/ZUMA Wire

Wie umgehen mit einer verstorbenen Heldenfigur?: Franz Beckenbauer sollte nicht verklärt werden

Seit einem Jahr ist Franz Beckenbauer tot. Matthias Sammer ist der Meinung, dass der „Kaiser“ nicht fair behandelt wurde. Doch damit liegt der frühere Profi falsch.

Martin Einsiedler
Ein Kommentar von Martin Einsiedler

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Franz Beckenbauer – mit Blick auf sein sportliches Talent, sein Wirken nach der aktiven Karriere und vor allem seine außergewöhnliche Aura – war vermutlich die bedeutendste Persönlichkeit, die der deutsche Sport bislang hervorgebracht hat. Am Dienstag vor einem Jahr verstarb Beckenbauer im Alter von 78 Jahren in Salzburg.

Fans hatte der „Kaiser“, wie er genannt wurde, Millionen. Einer von ihnen: Matthias Sammer, selbst ein nahezu ebenso begnadeter Fußballer. Sammer ist der Ansicht, Beckenbauer sei von den Deutschen nicht gerecht behandelt worden. „Bei allem, was er tat, er wollte nur das Beste“, sagte er nun in einem Interview.

Dabei spielt der 57-Jährige auf die umstrittene Vergabe der Fußball-WM 2006 an Deutschland an. Beckenbauer geriet dabei ins Visier der Justiz, doch ärztliche Atteste könnten ihn vor einer möglichen Strafe bewahrt haben.

Der Kaiser wollte nicht nur das Beste, er bekam auch fast immer das Beste: Titel, Auszeichnungen, die WM 2006, hochdotierte Sponsorenverträge und – nicht zu vergessen – fünf Kinder von drei Frauen („Der liebe Gott freut sich über jedes Kind“).

So wie er mit dem Ball durch die gegnerischen Reihen tänzelte, tänzelte er auch durchs Leben. Elegant, mit einem anhaltend charmanten Hang zur Selbstdarstellung.

Selbst die spießigsten und prüdesten Deutschen ließen ihm seine Seitensprünge durchgehen. War halt der Kaiser. Und dass ihm in den Siebzigern und Achtzigern Steueraffären anhafteten – egal, der Kaiser.

Franz Beckenbauer entstammt einer Zeit, in der vieles noch per Handschlag geregelt wurde und Begriffe wie „Compliance“ oder „Governance“ so verbreitet waren wie „Gegenpressing“ oder die „abfallende Neun“ im modernen Fußball: nämlich gar nicht.

Doch irgendwann passte Beckenbauers Leichtigkeit nicht mehr in das gesellschaftliche Raster. Er ließ sich vom Fußball-Weltverband (Fifa) und dem DFB in zweifelhafte Geschäfte verwickeln. Er verharmloste in diesem Kontext die Sklavenarbeit in Katar, brachte mit mutmaßlich unsauberen Methoden die WM nach Deutschland und blieb auch bei seiner Tätigkeit als Botschafter für den russischen Erdgaskonzern Gazprom umstritten. Bis heute ist unklar, ob er Einfluss auf die Vergabe der WM 2018 nach Russland hatte.

Wie soll man posthum mit einer wahren Heldenfigur umgehen? Sie verklären, wie es Sammer tut? Hätte man Beckenbauer einfach weiterhin durchs Leben tänzeln lassen sollen – eine Ausnahme machen für einen Ausnahmemenschen? Wohl kaum.

Franz Beckenbauer hat wahrscheinlich genau das bekommen, was er verdient hat: all die Trophäen und Ehrungen – aber auch all die berechtigte Kritik.

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