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Vesna Tolic musste zuletzt pausieren, aber freut sich nun umso mehr auf den Auftakt.

© imago images/Eibner

Wieder mehr Spaß haben: Die Spreefüxxe starten in die Saison - ohne Druck

Für die Handballerinnen um Vesna Tolic beginnt die Saison. Diesmal träumen sie noch nicht vom Aufstieg, sondern verfolgen einen neuen Ansatz.

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Es kribbelt in den Fingern. „Ich kann es kaum erwarten”, sagt Vesna Tolic, die sich mit den Spreefüxxen auf den Start in die neue Saison freut. Die vergangenen dreieinhalb Wochen hatte die Kapitänin der Berlinerinnen pausieren müssen, da sie sich beim Training den Finger ausgekugelt hatte – doch so langsam darf sie den Ball wieder öfter in den Händen halten. „Ich hoffe, dass ich am Wochenende wieder eingreifen kann”, sagt die 30-Jährige vor dem ersten Pflichtspiel in der zweiten Bundesliga bei der TG Nürtingen am Samstag (19.30 Uhr/Sportdeutschland.tv).

Doch selbst wenn sie selbst nicht auflaufen kann, ist Tolic zuversichtlich. Beim Blitzturnier des Erstligisten Union Halle–Neustadt belegten die Spreefüxxe vor kurzem trotz verletzungsbedingt geschwächtem Rückraum einen guten zweiten Platz und das erste Spiel im DHB-Pokal konnte souverän mit 42:16 beim Oberligisten Görlitzer HC gewonnen werden. „Das sah schon ganz gut aus, besonders mit unserem kleinen Kader”, sagt Tolic. „Wir haben dieses Jahr eine gesunde Mischung aus Erfahrung und jungen, sehr talentierten Spielerinnen, sodass es eine gute Konkurrenz auf allen Positionen mit verschiedenen Spielertypen gibt.”

Auch menschlich gesehen die richtige Entscheidung

Mit Torhüterin Ela Szott und den Feldspielerinnen Lucy Gündel, Lara Sophie Fichtner, Michele Stefes und Angela Cappellaro haben die Berlinerinnen fünf neue Spielerinnen verpflichtet, die die Abgänge von Chantal Pagel, Linnea Aula, Simona Kolosove und Bo Dekker kompensieren sollen. Dabei hat sich das Team nicht nur neue Talente gesichert, sondern anscheinend gleichermaßen vom menschlichen Aspekt aus betrachtet, die richtige Entscheidung getroffen. „Man merkt gar nicht, dass sie neu sind. Eher hatte ich das Gefühl, wir würden uns schon ewig kennen”, sagt Tolic über die neuformierte fünfzehnköpfige Truppe, von der sie – wie vom Verein – gern als „kleine Familie” spricht.

Dieses Gemeinschaftsgefühl ist es auch, auf das Trainerin Susann Müller – neben der sportlichen Entwicklung und der zunehmenden Professionalisierung – zuletzt viel Wert gelegt hat. In der Mitte Juni gestarteten Vorbereitung waren die Frauen zusammen im fast schon traditionellen Trainingslager in Dänemark, beim Bogenschießen, im Mountmitte klettern, haben ein maritimes Teambuilding absolviert und den Obstacle Run in Berlin bestritten. „Solche Maßnahmen sind unersetzbar. Und das hat die doch sehr lange Vorbereitung gut aufgelockert und sehr viel Spaß gemacht”, sagt Tolic.

In puncto Spaß sieht sie derweil die größte Herausforderung in diesem Jahr. Anders als in der vergangenen Saison erhofft sich die Führungsspielerin, dass sie und ihre Kolleginnen den Handball mehr genießen können, weniger verkopft an bevorstehende Aufgaben gehen und dadurch unnötige Fehler vermeiden. Dass Niederlagen besser verarbeitet werden und der Druck nicht überhandnimmt, der trotz des erneut angestrebten Aufstiegs und der durchaus vorhandenen Konkurrenz in der Liga groß ist.

Neuer Ansatz für die neue Spielzeit

Auch Tolic hat dahingehend an sich gearbeitet – zum Beispiel mit dem Mentalcoach, auf den das Team seit der letzten Saison zurückgreift. „So etwas ist Gold wert. Es wird immer Krisen geben, auf die man sich mal besser und mal weniger gut vorbereiten kann”, sagt Tolic, die von sich selbst sagt, mittlerweile besser mit Rückschlägen umgehen zu können: „Ich habe gelernt, Dinge zu akzeptieren. Fehler lösen sich nicht auf, nur weil ich drei Tage darüber nachdenke.”

Diesen Ansatz versucht Tolic an die Jüngeren in der Mannschaft weiterzugeben. Und mit diesem Ansatz gehen die Spreefüxxe ebenso die neue Spielzeit an. Zwischenziele setzen, statt gleich vom Aufstieg träumen, heißt das Motto – alles unter der Prämisse, in jedem Spiel das Beste geben zu wollen, versteht sich. Denn verlieren will schließlich keine und das weiß niemand besser als die emotionale Kroatin. „Natürlich wollen wir irgendwann wieder da oben stehen”, sagt Tolic, die vor ihrer Zeit in Berlin bereits in Bosnien-Herzegowina und Frankreich gespielt hat, bevor sie nach Deutschland kam und 2019 in der Hauptstadt landete.

Fehler lösen sich nicht auf, nur weil ich drei Tage darüber nachdenke.

Vesna Tolic

Hier gibt die Rückraumlinke, zu deren Vorbildern die ebenfalls in Split geborene Handball-Legende Ivano Balic zählt, seither alles für den Erfolg ihres Teams – und das während sie halbtags in einer Chiropraktiker-Praxis am Empfang arbeitet. „Das ist manchmal schon sehr viel. Doch wenn man etwas tut, was man liebt, ist es ja nie so schwer. Mit guter Organisation schafft man das alles”, sagt Tolic, die indes zugibt, dass das Pensum am Ende der Woche nicht unerheblich ist..

Durch das Verständnis des Arbeitgebers ließe sich aber beides gut koordinieren. Zumal der Job genauso seine Vorteile mit sich bringt. Bei einer Verletzung kann sich Tolic durchchecken und behandeln lassen, bekommt Einblicke in den Körper, die für die Sportlerin nur hilfreich sein können. „Ich hatte vorher nicht so viel Ahnung davon”, gibt Tolic zu.

Natürlich war sie in der Vergangenheit bereits bei der Physiotherapie, „aber das ist noch einmal eine ganz andere Erfahrung. Das ist wirklich interessant”, sagt die 30-Jährige, die sich durchaus vorstellen kann, nach ihrer aktiven Handball-Karriere im chiropraktischen Bereich ihre Laufbahn fortzusetzen. So weit, dass die anderen Spielerinnen fragend zu ihr kommen, wenn es einmal irgendwo zwickt, ist es allerdings noch nicht. Doch dafür hat die Handballerin aber auf dem Feld genug Expertise, die sie weitergeben kann. Und das möchte Vesna Tolic auch noch eine Weile tun. Am liebsten schon wieder diesen Samstag.

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