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Jogi Löw.

© Andreas Gebert/dpa

WM-Aus für Deutschland: Es spricht nicht mehr viel für Joachim Löw

Deutschland ist in der Vorrunde der Fußball-WM ausgeschieden. Zu Recht. Bundestrainer Joachim Löw hat die Zeichen der Zeit zu spät erkannt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

In den vergangenen Tagen hat es einige erfreuliche Zeichen aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegeben. Zum einen von den Spielern, die im Spiel gegen Schweden unter extremem Druck das frühe Aus bei der Weltmeisterschaft in Russland gerade noch verhindern konnten. Zum anderen von ihrem Trainer Joachim Löw, der rund um das vorentscheidende Spiel deutlich aufgeräumter, klar und entschlossen wirkte. Viereinhalb Wochen nach Beginn der Vorbereitung war Joachim Löw nun endlich in Turnierform. Seit dem frühen Mittwochabend weiß man: Die Zeichen haben getrogen. Deutschland ist ausgeschieden.

In der Vorbereitung  der Mannschaft in Südtirol war viel von Gier und Hunger die Rede. Aber wenn die Spieler und ihr Trainer davon sprachen, wirkten sie so energisch wie jemand, der gerade ein Fünf-Gänge-Menü hinter sich hat. Das Ziel, in Russland mit der erfolgreichen Titelverteidigung Geschichte zu schreiben, haben die Deutschen krachend verpasst. Das Achtelfinale findet ohne die Deutschen statt. Auch das ist historisch. Historisch schlecht. Vor 80 Jahren ist die Nationalmannschaft zum letzten und bisher einzigen Mal schon in der ersten Runde einer WM ausgeschieden.

Von den jüngsten fünf Weltmeistern sind nun vier in der Vorrunde gescheitert. Löw und sein Team kannten diese Statistik. Sie haben immer wieder auf die besondere Herausforderung verwiesen. Die Analyse war richtig; die Schlüsse waren es nicht.

Noch 2017 gewann Löw mit einer B-Mannschaft den Confed-Cup

Wie dramatisch das frühe Scheitern ist, wird einem erst richtig bewusst, wenn man sich in den vergangenen Sommer zurückversetzt: In Polen gewann die deutsche U 21 die Europameisterschaft, und in Russland triumphierte der Weltmeister mit einer B-Nationalmannschaft beim Confed-Cup. Löws personelles Reservoir schien unerschöpflich. Für eigentlich jede Position konnte er aus zwei, drei oder vier Kandidaten auswählen. Der deutsche Fußball im Sommer 2017 war jung, unkompliziert und erfrischend. Der deutsche Fußball im Sommer 2018 kommt träge daher, uninspiriert und altbacken.

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Löw hat sich in Russland noch einmal für Erfahrung und gegen jugendliche Unbekümmertheit entschieden, für die Weltmeister von 2014, gestandene Männer um die 30. Menschlich ist das nach den gemeinsamen Erfahrungen durchaus verständlich – aber es war ein fatales Signal. Es war das Signal: Wir haben etwas zu verteidigen. Und nicht: Lasst uns noch einmal richtig angreifen!

Löw muss jetzt als Bundestrainer aufhören

Löw hat die Zeichen zu spät erkannt und zu spät darauf reagiert. So ist am Mittwoch in Kasan etwas zu Ende gegangen. Nicht nur die Geschichte einer großen Mannschaft, sondern, wenn man ehrlich ist, auch die Ära Löw. Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass er einen positiven Einfluss auf den deutschen Fußball als Ganzes ausgeübt hat. Löw hat als Bundestrainer stilbildend gewirkt, weil er der Bundesliga zu Beginn seiner Amtszeit spielerisch um Längen voraus war. Die Nationalmannschaft hatte anders als viele Klubteams dank ihres Trainers eine klare Identität. Eine Identität zudem, auf die sich das Land verständigen konnte. Doch auch das hat sich, wie die Erdogan-Debatte gezeigt hat, geändert – nicht zuletzt, weil sich das Land verändert hat.

Joachim Löw hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er sich nach Rückschlägen hinterfragen und neu erfinden kann. Diese Fähigkeit aber hätte er schon vor der WM in Russland gebraucht. Und auch wenn sein Vertrag gerade erst bis 2022 verlängert wurde, ist eine Weiterbeschäftigung nach dem Debakel in Russland ausgeschlossen. Das einzige Argument, das im Moment für Löw spricht, ist: Es gibt niemanden, den man sich für diese Aufgabe vorstellen kann. Gerade das aber darf kein Argument sein.

Alle Entwicklungen nach dem WM-Aus Deutschlands in unserem Liveblog.

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