
© dpa/Rolf Vennenbernd
Start der elektronischen Patientenakte? : Kann das gutgehen?
Am Mittwoch startet die elektronische Patientenakte – begleitet von viel Kritik. Drei Experten geben eine Einschätzung.
Stand:
Sie hat schon vor ihrer Einführung Milliarden von Euro gekostet, ihre Entwicklung hat mehr als zwei Jahrzehnte gedauert. An diesem Mittwoch soll es nun losgehen: Wer nicht explizit widersprochen hat, bekommt jetzt eine elektronische Patientenakte.
Hält sie, was sich die Befürworter versprechen oder gibt es zu viele Sicherheitsrisiken, die auch die vierwöchige Testphase nicht beheben wird? Drei Experten nehmen Stellung. Alle Teile der Serie „3auf1“ finden Sie hier.
Es gibt zu viele Sicherheitslücken
Im Rahmen unseres Vortrags auf dem Chaos Communication Congress haben Martin Tschirsich und ich sehr tief in das Projekt ePA für alle geguckt. So wie es aktuell ist, kann es nicht bleiben. Zu trivial sind die Sicherheitslücken, zu wenig Schutz bietet die ePA in der Form für Menschen, die am meisten von ihr profitieren könnten. Menschen mit stigmatisierten Erkrankungen etwa. Zu leicht ist es uns gemacht worden, hier am technischen Vertrauen der ePA zu rütteln.
Der Weg zu einer echten ePA für auch wirklich uns alle braucht mehr als nur ein paar technische Fehlerkorrekturen. Es braucht einen offenen Entwicklungsprozess über gesamten Lebenszyklus dieser ePA für uns alle und eine offene Risikokommunikation durch eine unabhängige Stelle. Nur dann kann es was werden – mit einer echten ePA für alle.
Ungutes Gefühl wegen kurzer Testphase
Die ePA bietet die Chance, die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu verbessern. Wenn alle wichtigen Unterlagen der Versicherten an einem Ort liegen und die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten direkt darauf zugreifen können, ist der Vorteil erkennbar. Am 15. Januar startet die Testphase, an der ausschließlich ausgewählte Testpraxen aus Hamburg, Franken und Nordrhein-Westfalen teilnehmen – darauf blicken wir mit großer Spannung. Diese Testphase muss dazu genutzt werden, um Kinderkrankheiten der ePA zu erkennen sowie das Zusammenspiel mit anderen TI-Anwendungen zu überprüfen. Wir werden genau hinschauen, ob die ePA reibungslos in den Praxen funktioniert. Das ist eine Voraussetzung, um einen bundesweiten Rollout zu starten. Die zweite und keinesfalls weniger wichtige Voraussetzung ist, dass Datensicherheit und Datenschutz der ePA gewährleistet sind.
Die Probleme, auf die jüngst der Chaos Computer Club hingewiesen hat, nehmen wir sehr ernst und schauen mit einem unguten Gefühl auf die doch kurze Testphase und den sehr zeitig angedachten Rollout-Start. Es muss unbedingt sichergestellt sein, dass die beschriebenen Sicherheitslücken geschlossen sind, wonach offenbar Zugriffe auf beliebig viele ePA möglich sind, obwohl zuvor die elektronische Gesundheitskarte des Versicherten gar nicht gesteckt und damit kein Behandlungskontext hergestellt war.
Die ePA muss fehlerfrei funktionieren und sicher sein – das ist Grundvoraussetzung für die Akzeptanz sowohl bei Praxen als auch bei Patientinnen und Patienten.
Von den Krankenkassen erwarten wir, dass sie ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen und ihre Versicherten umfassend über die ePA informieren. Das ist in unseren Augen noch ausbaufähig und wir sind dazu mit den Krankenkassen im Gespräch. Klar ist: Die Praxisteams haben keine Kapazitäten, um die Patienten über die ePA aufzuklären. Das ist Zeit, die ihnen für die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten fehlt.
So bietet die ePA kaum einen Mehrwert
Es grenzt an Volksverdummung, wenn Karl Lauterbach behauptet, die E-Akte würde schon beim Start zehntausenden Menschen das Leben retten. Nach 20 Jahren Vorlauf und Milliarden Euro Kosten ist das Ergebnis für die Nutzer ernüchternd.
Für chronisch kranke, pflegebedürftige und alte Menschen bietet die E-Akte keinen Mehrwert. Altbefunde fehlen und die zu erwartende Informationsfülle wird Ärzte im Praxisalltag überfordern. Schließlich besteht die E-Akte nur aus gescannten Befunden und Daten. Jede Datei ist zu sichten, um behandlungsrelevante Fakten herauszufinden. Denn das Hinterlegen einer Künstlichen Intelligenz ist erstmal nicht geplant. Doch erst die Filterung, Verknüpfung und Analyse der Datenmengen bringen den entscheidenden Vorteil.
Zudem muss auch technikunerfahrenen Menschen die uneingeschränkte Nutzung ihrer E-Akte ermöglicht werden. Dazu zählen immerhin mehr als 20 Prozent der über 65-Jährigen. Auch ist es fahrlässig, dass etwa psychisch erkrankte Patienten keine höhere Datenschutzstufe haben.
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