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Tag der Entscheidung in der Industrie: Metaller ringen um Tariferhöhung
Nach zweimonatigen Verhandlungen steht es Spitz auf Knopf: Entweder gibt es am 17.11. einen Kompromiss, oder der Konflikt eskaliert im Arbeitskampf.
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Die Töne sind moderater geworden in den vergangenen Tagen, allen ist bewusst, um was es am Donnerstagnachmittag in Ludwigsburg geht. Entweder die Tarifparteien in der Metallindustrie verständigen sich auf eine Entgelterhöhung, oder die IG Metall lässt ihre Mitglieder Anfang kommender Woche über einen Arbeitskampf abstimmen. „Ich möchte kein Drohszenario aufbauen. Den Arbeitgebern ist bewusst, um was es am Donnerstag geht“, sagte Roman Zitzelsberger, Verhandlungsführer der Gewerkschaft, am Mittwoch dem Tagesspiegel. Erst seit ein paar Tagen sei „erkennbar, wohin die Reise gehen könnte“. Nach den Erfahrungen in den vergangenen zwei Monaten - die Verhandlungen begannen im September - ist die (An-)Spannung jedenfalls groß. „Ob die Arbeitgeber durch die Tür gehen, ist keinesfalls sicher.“
Der Vorstand der IG Metall hat Zitzelsberger, den Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg, mit der Verhandlung eines Pilotabschlusses für das gesamte Bundesgebiet beauftragt. In den vergangenen Coronajahren übernahmen das die Metall-Tarifparteien in Nordrhein-Westfalen. Wenn es jedoch darum geht, hohe Forderungen durchzusetzen, wählt die IG Metall vorzugsweise Baden-Württemberg als Pilotbezirk: Hier gibt es viele Mitglieder mit Streikbereitschaft und -erfahrung. Acht Prozent fordert die Gewerkschaft bei einer Laufzeit des neuen Tarifvertrags von zwölf Monaten. Die Arbeitgeber haben bislang keine Prozente angeboten, sondern lediglich die so genannte Inflationsprämie von 3000 Euro, die von der Bundesregierung steuer- und sozialabgabenfrei gestellt wird.

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„Die 3000 Euro sind gesetzt“, sagt Zitzelsberger dazu. Ähnlich wie in der Chemieindustrie, wo sich die Tarifpartner auf zwei Auszahlungstermine Anfang 2023 und Anfang 2024 mit jeweils 1500 Euro verständigt haben, könnte es auch für die knapp vier Millionen Metaller die Inflationsprämie in zwei Tranchen geben. „3000 Euro plus Prozente in einer angemessenen Laufzeit – darum geht es“, beschreibt Zitzelsberger die Ausgangslage. Die Komplexität des Konflikts sei „überschaubar“. Aber: „Entscheidend sind die Prozente.“ Man werde am Donnerstagnachmittag schnell sehen, „ob es geht oder nicht“. Ob sich die Arbeitgeber bewegen oder nicht.
Die letzte prozentuale Erhöhung der Tarifentgelte liegt in der Metallindustrie gut vier Jahre zurück, weshalb die IG Metall in diesem Jahr auf Prozente beharrt. Mit einer dauerhaften Erhöhung der Einkommen erhöht sich die Berechnungsgrundlage etwa für Schichtzulagen und ebenso die Basis für kommende Tariferhöhungen. In der Chemieindustrie einigten sich die Tarifparteien im Oktober auf zwei Stufen über insgesamt 6,6 Prozent bei einer Vertragslaufzeit von 20 Monate. In der Stahlindustrie verständigte sich die IG Metall mit den Arbeitgebern auf eine Erhöhung um 6,5 Prozent im vergangenen August bei einer Vertragslaufzeit von 18 Monaten. Das sind die Größenordnungen, die Zitzelsberger auch erreichen will. Mindestens.
„Die vergangenen Wochen wurden nicht für ein Angebot genutzt, die Arbeitgeber strapazieren vielmehr das Thema Laufzeit“, meint der Gewerkschafter und warnt gleichzeitig die anderen Seite. „Es gibt eine Korrelation zwischen Laufzeit und Tariferhöhung, und diese Korrelation ist exponentiell: Je länger die Laufzeit, desto teurer wird es für die Arbeitgeber.“ Da Tarifverhandlungen im Sommer nicht in Betracht kommen, sei nur eine Laufzeit von maximal 19 Monaten bis zum Frühsommer 2024 denkbar. Oder aber eine lange Laufzeit bis zum Herbst. „Wenn wir einen Tarifvertrag über 24 Monate abschließen würden, dann ginge das nur mit einem Preisaufschlag, denn das Jahr 2024 fiele in diesem Fall für eine Tarifauseinandersetzung fast komplett aus“, argumentiert Zitzelsberger.
„Die Laufzeit ist der Knackpunkt“, hatte kürzlich ein Arbeitgebervertreter dem Tagesspiegel gesagt. Je länger ein Tarifvertrag gültig ist, desto besser für die Planungssicherheit der Unternehmen. Und die zusätzlichen Personalkosten, die in der Metall- und Elektroindustrie selten mehr als 15 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, lassen sich auf mehrere Geschäftsjahre verteilen. Das Beharren auf einer sehr langen Laufzeit und gleichzeitig die Weigerung, ein erstes prozentuales Angebot vorzulegen, hat in den eigenen Reihen und bei der IG Metall indes für Irritationen gesorgt. „Je länger die Verhandlungen dauern, desto schwieriger wird es für uns, einen Kompromiss zu vermitteln“, räumt Zitzelsberger ein.
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Mehr als 600.000 Metaller werden sich bis zu der entscheidenden Verhandlungsrunde am Donnerstagabend in Ludwigsburg an Warnstreiks beteiligt haben. „Braucht es noch einen kleinen Schups, damit die Gegenseite sich bewegt, oder haben wir ein grundsätzliches Problem, das zu einem größeren Konflikt führt?“, fragt der Verhandlungsführer der Gewerkschaft. Am Donnerstag gibt es die Antwort.
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