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Fahrradwerkstatt: Gemeinsam etwas zu reparieren stärkt das Selbstbewusstsein.

© Claus Brencher

Mehr Motivation für Schüler:innen: Nachhilfe allein reicht nicht

Nach Schulschließungen und Wechselunterricht während der Pandemie wollen Schülerlabore bei Kindern und Jugendlichen wieder Lust auf Lernen machen.

Von Catarina Pietschmann

Lockdown, Homeschooling, Wechselunterricht. Keine Frage, die Coronapandemie hat bei 20 bis 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler zu massiven Lerndefiziten geführt, wie Untersuchungen belegen. Deshalb hat die Bundesregierung das mit zwei Milliarden Euro ausgestattete Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ aufgelegt.

Die Hälfte der Mittel soll dafür eingesetzt werden, mit zusätzlichen Förderangeboten Lernrückstände zu schließen. Die andere Hälfte dient der Motivation: Sie fließt unter anderem in außerschulische Sport- und Freizeitangebote sowie in Familienurlaube. Denn es geht auch um soziale Probleme, die durch die Pandemie entstanden sind oder sich verschärft haben. Rund 20 Millionen Euro davon sollen an die rund 450 deutschen Schülerlabore gehen. 

Viele Schüler:innen haben den Spaß am Lernen verloren

Nicht für Unterricht – sondern für eine aktivierende Freizeitgestaltung. „Das ist enorm wichtig, denn viele Schülerinnen und Schüler haben regelrecht abgeschaltet und sich ausgeklinkt. Sie haben den Spaß am Lernen verloren“, sagt Professorin Petra Skiebe-Corrette. Sie ist Leiterin des Mitmach- und Experimentierlabors „NatLab“ an der Freien Universität Berlin und Vorsitzende des Bundesverbandes der Schülerlabore „LernortLabor Bundesverband der Schülerlabore e. V.“ Deshalb hat Lernort Labor gemeinsam mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Programm für Schülerlabore ausgeschrieben.

Für Petra Skiebe-Corrette und die Verantwortlichen anderer Schülerlabore ist es selbst ein großes Experiment, denn die Zielgruppe ist neu. „Zu uns ins NatLab kommt normalerweise eine ganze Grundschulklasse oder höhere Klassenstufen – also 22 bis 28 Schülerinnen und Schüler. Da sind immer viele interessierte Kinder dabei. Doch unsere neue Klientel hat eher Motivationsprobleme, sie muss viel besser umsorgt werden.“ Daher umfassen die Gruppen im neuen Programm nur acht Kinder, und sie werden von jeweils zwei Studierenden betreut.

„Beim Berlin-Brandenburger Schülerlabor-Netzwerk GenaU – die Abkürzung steht für "Gemeinsam für naturwissenschaftlich-technischen Unterricht" wurden zwölf Projekte mit einer Gesamtfördersumme von fast 400 000 Euro bewilligt“, sagt Silke Vorst, Koordinatorin von GenaU. Sie hat vielen der Labore dabei geholfen, Anträge zu schreiben, und ist durch ihren eigenen Antrag in der Lage, die Labore zu unterstützen sowie für Weiterbildungen der Betreuenden zu garantieren. Neben NatLab und PhysLab der Freien Universität Berlin gehören 14 weitere Schülerlabore zu GenaU – darunter das Gläserne Labor in Berlin-Buch und das Mikroskopierzentrum des Museums für Naturkunde – sowie acht assoziierte Partner.

Basteln und Bauen statt Büffeln

Im Vorfeld des Programmstarts hatten die Schulen den Förderbedarf und die Sozialkompetenzen erhoben und die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler anhand der Förderprognose ausgewählt. „Nach unseren Erfahrungen begeben sich die Schülerinnen und Schüler aus entfernten Bezirken wie Kreuzberg nicht nach Dahlem, weil der Anfahrtsweg sehr weit ist. Wir packen deshalb unser Labor in die Kiste und gehen damit an die Schulen“, erklärt Petra Skiebe-Corrette.

Das NatLab kommt zunächst an sechs Berliner Grundschulen und eröffnet dort jeweils eine Arbeitsgruppe – mit je zwei Stunden an zwölf Terminen. Nach den Sommerferien wird es einen zweiten Durchlauf an doppelt so vielen Schulen geben.

Es wird ausdrücklich kein Schulstoff gebüffelt, sondern mit Spaß gebastelt und gebaut, unter anderem an einer Beleuchtung für eine Mini-Geisterbahn, von Luftballons angetriebenen Rennfahrzeugen und bruchsicheren Verpackungen für Zerbrechliches. Grundlage dafür sind Experimentierkisten von TuWaS!, die speziell für dieses Projekt entwickelt wurden. TuWaS! (Technik und Naturwissenschaften an Schulen!) versorgt 174 Grundschulen in Berlin mit Experimentierkisten und den dazugehörigen Lehrkräftefortbildungen. „Eine Schule hat sich als AG eine Fahrradwerkstatt gewünscht. Daran beteiligt sich ein Studierender, der schon Erfahrungen in der Fahrradwerkstatt der Freien Universität Berlin gemacht hat, sowie ein Lehramtsstudent“, sagt Petra Skiebe-Corrette. 

Lernen durch gemeinsames Arbeiten

Nachhilfe wollen und dürfen die Schülerlabore nicht geben. Aber beim gemeinsamen Arbeiten wird natürlich ganz nebenbei so einiges gelernt. „Wir wollen durch Freude am gemeinsamen Tun vor allem soziale Kompetenzen entwickeln und Schülerinnen und Schüler, die Schwierigkeiten haben, sich zu motivieren, aktivieren.“

Jörg Fandrich vom PhysLab der Freien Universität sieht das genauso. „Die Basis der Schülerlabore ist es ja, mit Freude naturwissenschaftliche Kenntnisse zu vermitteln. Das hilft den Kindern dann auch in der Schule wieder weiter.“ Die PhysLab-Arbeitsgruppen werden dreistündig sein: Zwei Stunden Teamarbeit und dazwischen eine Stunde, in der sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Tee und Keksen ihre Probleme von der Seele reden und Rat einholen können.

Physik auf dem Spielplatz 

Auf dem Programm stehen Experimente zu Optik und Mechanik sowie zur „Physik des Spielplatzes“. Eine Wippe ist schließlich auch nur ein Hebel, die Schaukel ein Pendel; auch Rutsche und Karussell funktionieren natürlich nach messbaren, physikalischen Gesetzen. Darüber hinaus gibt es Projekttage, beispielsweise zum Thema „Lernen mit elektronischen Medien“, und Exkursionen.

„Trotz umfangreicher Planung wird das sicher kein Selbstläufer“, sagt Jörg Fandrich. „Wie ähnliche Projekte werden auch wir Probleme haben. Beispielsweise, dass diejenigen, die es am nötigsten haben, nicht unbedingt von selbst kommen werden. Die durch Corona am stärksten Benachteiligten kommen eher aus bildungsfernen Familien, und wir müssen sie erst einmal davon überzeugen, in ihrer Freizeit an solch einem Programm teilzunehmen.“ Deshalb hat sich das NatLab kompetente Unterstützung gesucht und diese bei Claus Brencher gefunden. Der pensionierte Lehrer kennt die Schülerschaft in den Kiezen, denn er arbeitete lange an der Heinrich-Zille- Grundschule in Kreuzberg. „Er hat Kontakte zu Grundschulen hergestellt, mit den dort tätigen Pädagogen und Pädagoginnen gesprochen und die Studierenden an den Schulen eingeführt“, sagt Petra Skiebe-Corrette.

Mit dem Projekt „Aufholen nach Corona“ öffnen sich die außerschulischen Lernorte nun neuen Lerngruppen. „Schülerlabore haben ja normalerweise auch eine Studienorientierung im Blick, und die Teilnehmenden sind meist ohnehin schon interessiert“, betont Silke Vorst. „Es wäre schön, wenn das Ganze nachhaltig wird und wir auch über das Projekt hinaus benachteiligte Schülerinnen und Schülerinnen erreichen könnten.“

WER WILL MITMACHEN? 

Grundschulen können sich noch für eine Teilnahme bewerben. Auch Studierende werden noch gesucht: Lehramtsstudierende, angehende Absolvent:innen der Fächer Biologie, Physik und Chemie und andere Interessierte. Bitte wenden Sie sich an das Mitmach- und Experimentierlabor „NatLab“: petra.skiebe@fu-berlin.de

Für den Inhalt dieses Textes ist die Freie Universität Berlin verantwortlich.

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