zum Hauptinhalt
Elemente des Menüs, das koreanischer Ernährungslehren folgt: Sam Nester, eingelegtes Gemüse, scharfer Tofu und roher Lachs

© Heon Kan/promo

Das koreanische Atelier-Restaurant NaNum: Auf der Suche nach dem Geschmack der Kindheit

Jinok Kim-Eicken ist Keramikerin, Künstlerin und Köchin: In ihrem Restaurant „NaNum“ vereint sie all diese Talente in einem außergewöhnlichen Menü.

Von Kai Röger

Auf einer unregelmäßig lasierten Keramikplatte mit rauer, unbehandelter Unterseite liegen fünf Reisbällchen. Das erste ist erdfarben, enthält eingelegte Sesamblätter und Knoblauchblüte. Das zweite ist heller und belegt mit süß-saurem Rettich. Eines ist rot gefärbt, und die dünne Scheibe rote Bete darauf ist von durchdringender Senfschärfe. Jedes überrascht mit einem anderen Geschmack. Die Form erinnert an Sushi, die intensiven Aromen stammen aus der koreanischen Küche. Es sind Eigenkreationen von Jinok Kim-Eicken aus dem Atelier-Restaurant „NaNum“. Sie nennt die Reishappen „Sam Nester“ und sagt, sie seien „beseelt“.

Die "Sam Nester" sind kleine Reishappen, deren Zutaten wie eingelegte Knoblauchblüte und Sesamblätter ständig variieren
Die "Sam Nester" sind kleine Reishappen, deren Zutaten wie eingelegte Knoblauchblüte und Sesamblätter ständig variieren

© Max Scharzlose/promo

Kim-Eicken, 68, ist eine welterfahrene Frau, elegant gekleidet, eine Grande Dame. Ihr Auftreten hat Star-Appeal, ihr Lächeln ist filmreif und doch einnehmend. Sie beherrscht die große Geste, in expressiver Körpersprache aber die kommt von Herzen.

Jinok Kim-Eicken (68) bei ihrem Sommerfest 2020 auf der Freifläche gegenüber dem Jüdischen Museum
Jinok Kim-Eicken (68) bei ihrem Sommerfest 2020 auf der Freifläche gegenüber dem Jüdischen Museum

© Max Scharzlose/promo

Die Bühne ist ihr nicht fremd. Vor 42 Jahren führt sie ein Stipendium nach Berlin, sie studiert Gesang an der Hochschule der Künste, wird Altistin, gibt weltweit Konzerte, lehrt als Dozentin. 2004 veröffentlicht sie ein Buch über deutschen Liedgesang.

In der Freizeit beginnt Jinok Kim-Eicken zu gärtnern, baut koreanische Kräuter und Gemüse an, die es in Berlin nicht zu kaufen gibt. Sie fermentiert, experimentiert, immer auf der Suche nach Aromen, die sie aus ihrer Kindheit kennt.

In ihrem Garten zieht Jinok Kim-Eicken Kräuter wie Sesamblätter und Gemüse, die es in Berlin nicht zu kaufen gibt
In ihrem Garten zieht Jinok Kim-Eicken Kräuter wie Sesamblätter und Gemüse, die es in Berlin nicht zu kaufen gibt

© NaNum/promo

2009 beginnt sie sich mit Tonerde zu beschäftigen, lernt autodidaktisch die koreanische Keramikproduktion, entwickelt ihren eigenen minimalistischen Stil – rohbelassen, naturalistisch. In Seoul zeigt sie ihre Werke in einer Ausstellung. Vor zwei Jahren eröffnet sie ihr Restaurant „NaNum“, der Raum von Klarheit dominiert, auf der Galerie ihr offenes Atelier, in dem sie ihre Keramiken töpfert und ausstellt.

Der Gastraum des "NaNum": klare Linien, Bilder der Keramiken, ein Piano für gelegentliche Live-Musik
Der Gastraum des "NaNum": klare Linien, Bilder der Keramiken, ein Piano für gelegentliche Live-Musik

© NaNum/promo

„Manchmal inspirieren mich Speisen zu einer Keramik, manchmal ist es auch eine bestimmte Form, eine Lasur, die mich über das passende Gericht nachdenken lässt“, sagt Kim-Eicken.

Lust auf extra-scharfes Essen bekommen? Hier finden Sie Restaurants in Berlin, die Ihrem Gaumen so richtig einheizen werden.

Anders als in Japan hat in Korea zu einem Essen passendes Geschirr keine Bedeutung. Man isst einfach Angerichtetes unter grellem Licht. Aber koreanische Speisen folgen einer traditionellen Ernährungslehre; sie sollen Wohlbefinden, Harmonie und inneres Gleichgewicht fördern.

In ihrem offenen Atelier auf der Galerie töpfert Jinok Kim-Eicken die Keramiken für das "NaNum" und bietet sie auch zum Verkauf
In ihrem offenen Atelier auf der Galerie töpfert Jinok Kim-Eicken die Keramiken für das "NaNum" und bietet sie auch zum Verkauf

© NaNum/promo

Zu Anfang gab es im „NaNum“ koreanische Klassiker und einige Eigenkreationen à la carte. „Aber die Deutschen bestellen das Falsche, sie wissen nicht recht, was zusammenpasst“, sagt Kim-Eicken. „In Korea werden alle Speisen gleichzeig auf den Tisch gestellt, der Deutsche isst zuerst die Suppe, dann den Salat, und dann will er etwas, das satt macht.“

Lust bekommen, ferne Länderküchen kennen zu lernen? Hier geht es zu 28 Restaurants in Berlin, die das Weite uns kulinarisch näher bringen.

Jetzt hat sie Karte und Konzept geändert: Das attraktive Lunchangebot ist geblieben, aber abends gibt es nur noch vier Menüs, eines mit Fleisch, eines vegetarisch-vegan, zwischen vier bis sechs Gänge (38 bis 55 Euro). Die Desserts zählen extra. Das Fischmenü (43) ist kleiner, da wird eine Dorade im Ganzen serviert. Dazu gibt es Naturweine – eine „Offenbahrung“, wie Kim-Eicken sagt. „In ihnen entfalten sich in gleicher, ungeschminkter Weise die Rohstoffe und sie folgen denselben Prozessen wie die Fermentation und das Einlegen.“

Der scharfe Tofu mit Portobello-Pilzen ist ein Highlight des Menüs
Der scharfe Tofu mit Portobello-Pilzen ist ein Highlight des Menüs

© Heon Kan/promo

„Dunkelgrünes Meeresgewächs“ heißt ein Salat mit Algen, „Austern koreanisch“ bezeichnet einen mit Austern gefüllten Eierpfannkuchen, „Puristisch“ ist dünn geschnittener Schweinebauch mit Fermentiertem, eingehüllt in Salatblätter. Manches ist speziell, nicht jedermanns Geschmack. Kim-Eicken gehört zur Spezies der Autorenköche. Wie bei Sebastian Frank im „Horváth“, bei Dalad Kambhu im „Kin Dee“ und bei The Duc Ngo im „Golden Phoenix“ basieren ihre Gerichte auf Erinnerungen, die in Berlin mit veränderten Zutaten und Techniken zu neuer Form finden.

Mehr Genuss aus Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir auch von Restaurants aus Ihrer Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de.

Die Gerichte im „NaNum“ sind koreanisch, doch frei interpretiert, mit ungewöhnlichen Kräutern aus eigenem Anbau, abgestimmt auf die Menü-Folge und die naturbelassene Keramik. Ausdruck einer Persönlichkeit, auf der Suche nach den Aromen der Vergangenheit.
In mehr als 40 Jahren mag viel in Vergessenheit geraten, die Geschmackserlebnisse aus Kindertagen aber verblassen nie.
NaNum, Lindenstr. 90, Kreuzberg, Mi–Fr 12–14, Do–Sa ab 18 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false