Das koreanische Atelier-Restaurant NaNum: Auf der Suche nach dem Geschmack der Kindheit
Jinok Kim-Eicken ist Keramikerin, Künstlerin und Köchin: In ihrem Restaurant „NaNum“ vereint sie all diese Talente in einem außergewöhnlichen Menü.
Auf einer unregelmäßig lasierten Keramikplatte mit rauer, unbehandelter Unterseite liegen fünf Reisbällchen. Das erste ist erdfarben, enthält eingelegte Sesamblätter und Knoblauchblüte. Das zweite ist heller und belegt mit süß-saurem Rettich. Eines ist rot gefärbt, und die dünne Scheibe rote Bete darauf ist von durchdringender Senfschärfe. Jedes überrascht mit einem anderen Geschmack. Die Form erinnert an Sushi, die intensiven Aromen stammen aus der koreanischen Küche. Es sind Eigenkreationen von Jinok Kim-Eicken aus dem Atelier-Restaurant „NaNum“. Sie nennt die Reishappen „Sam Nester“ und sagt, sie seien „beseelt“.
Kim-Eicken, 68, ist eine welterfahrene Frau, elegant gekleidet, eine Grande Dame. Ihr Auftreten hat Star-Appeal, ihr Lächeln ist filmreif und doch einnehmend. Sie beherrscht die große Geste, in expressiver Körpersprache aber die kommt von Herzen.
Die Bühne ist ihr nicht fremd. Vor 42 Jahren führt sie ein Stipendium nach Berlin, sie studiert Gesang an der Hochschule der Künste, wird Altistin, gibt weltweit Konzerte, lehrt als Dozentin. 2004 veröffentlicht sie ein Buch über deutschen Liedgesang.
In der Freizeit beginnt Jinok Kim-Eicken zu gärtnern, baut koreanische Kräuter und Gemüse an, die es in Berlin nicht zu kaufen gibt. Sie fermentiert, experimentiert, immer auf der Suche nach Aromen, die sie aus ihrer Kindheit kennt.
2009 beginnt sie sich mit Tonerde zu beschäftigen, lernt autodidaktisch die koreanische Keramikproduktion, entwickelt ihren eigenen minimalistischen Stil – rohbelassen, naturalistisch. In Seoul zeigt sie ihre Werke in einer Ausstellung. Vor zwei Jahren eröffnet sie ihr Restaurant „NaNum“, der Raum von Klarheit dominiert, auf der Galerie ihr offenes Atelier, in dem sie ihre Keramiken töpfert und ausstellt.
„Manchmal inspirieren mich Speisen zu einer Keramik, manchmal ist es auch eine bestimmte Form, eine Lasur, die mich über das passende Gericht nachdenken lässt“, sagt Kim-Eicken.
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Anders als in Japan hat in Korea zu einem Essen passendes Geschirr keine Bedeutung. Man isst einfach Angerichtetes unter grellem Licht. Aber koreanische Speisen folgen einer traditionellen Ernährungslehre; sie sollen Wohlbefinden, Harmonie und inneres Gleichgewicht fördern.
Zu Anfang gab es im „NaNum“ koreanische Klassiker und einige Eigenkreationen à la carte. „Aber die Deutschen bestellen das Falsche, sie wissen nicht recht, was zusammenpasst“, sagt Kim-Eicken. „In Korea werden alle Speisen gleichzeig auf den Tisch gestellt, der Deutsche isst zuerst die Suppe, dann den Salat, und dann will er etwas, das satt macht.“
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Jetzt hat sie Karte und Konzept geändert: Das attraktive Lunchangebot ist geblieben, aber abends gibt es nur noch vier Menüs, eines mit Fleisch, eines vegetarisch-vegan, zwischen vier bis sechs Gänge (38 bis 55 Euro). Die Desserts zählen extra. Das Fischmenü (43) ist kleiner, da wird eine Dorade im Ganzen serviert. Dazu gibt es Naturweine – eine „Offenbahrung“, wie Kim-Eicken sagt. „In ihnen entfalten sich in gleicher, ungeschminkter Weise die Rohstoffe und sie folgen denselben Prozessen wie die Fermentation und das Einlegen.“
„Dunkelgrünes Meeresgewächs“ heißt ein Salat mit Algen, „Austern koreanisch“ bezeichnet einen mit Austern gefüllten Eierpfannkuchen, „Puristisch“ ist dünn geschnittener Schweinebauch mit Fermentiertem, eingehüllt in Salatblätter. Manches ist speziell, nicht jedermanns Geschmack. Kim-Eicken gehört zur Spezies der Autorenköche. Wie bei Sebastian Frank im „Horváth“, bei Dalad Kambhu im „Kin Dee“ und bei The Duc Ngo im „Golden Phoenix“ basieren ihre Gerichte auf Erinnerungen, die in Berlin mit veränderten Zutaten und Techniken zu neuer Form finden.
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Die Gerichte im „NaNum“ sind koreanisch, doch frei interpretiert, mit ungewöhnlichen Kräutern aus eigenem Anbau, abgestimmt auf die Menü-Folge und die naturbelassene Keramik. Ausdruck einer Persönlichkeit, auf der Suche nach den Aromen der Vergangenheit.
In mehr als 40 Jahren mag viel in Vergessenheit geraten, die Geschmackserlebnisse aus Kindertagen aber verblassen nie.
NaNum, Lindenstr. 90, Kreuzberg, Mi–Fr 12–14, Do–Sa ab 18 Uhr
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