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Gesundheit: „Bio“ und „Gen“, vereint euch!

Berlin-Brandenburgische Akademie: Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen Gentechnik und Pflanzenzüchtung

An „Genmais“ und „Gentomaten“ scheiden sich die Geister. Doch beim öffentlichen Streit über „Genfood“ wird gerne übersehen, welche Fortschritte die Forschung in letzter Zeit gemacht hat. Einen Überblick gibt jetzt die gestern vorgestellte Studie „Grüne Gentechnologie“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Elsevier Spektrum Akademischer Verlag, 25 Euro). „Wir wollen damit dazu beitragen, die Diskussion zu versachlichen“, sagt Ferdinand Hucho, Biochemiker an der FU Berlin und Sprecher der Arbeitsgruppe Gentechnologie der Akademie.

Neu sind in der grünen Gentechnik etwa die Techniken des „Smart Breeding“. Dafür werden – nicht grundsätzlich anders als in der traditionellen landwirtschaftlichen Pflanzenzucht – Kulturpflanzen mit Wildpflanzen gekreuzt, etwa eine auf dem Markt besonders erfolgreiche Tomate mit einer Wildsorte, die eine einzelne besonders erwünschte Eigenschaft zu bieten hat.

Es geht dabei nur um einzelne Gene, die beispielsweise dazu führen, dass der Zuckergehalt einer Frucht sich erhöht oder dass eine Reissorte Überschwemmungen besser verkraftet. An einer solchen Sorte arbeitet das Internationale Institut für Reisforschung zusammen mit der Universität von Kalifornien.

Für eine Sojasorte mit geringerem Gehalt an Linolensäure, deren Öl weniger schnell ranzig werden soll, interessieren sich die Forscher der Firma Monsanto. Anders als in der klassischen Pflanzenzucht kann hier die Einkreuzung der erwünschten Gene mittels Analyse des Erbguts (DNS) nachgewiesen werden. Man muss also nicht warten, bis das Merkmal an der Pflanze sichtbar ist.

Beim „Smart Breeding“ kommen auch molekularbiologische Techniken zum Zuge, doch werden keine Gene von einer Art in die andere verpflanzt. Für diese Art der Präzisionszüchtung sind Erkenntnisse der Genomforschung wichtig. „Zurzeit wird das Genom von mehr als zehn Pflanzen sequenziert“, erklärt Bernd Müller-Röber, Pflanzenforscher an der Uni Potsdam und federführend bei der Publikation. Die Erfolge der Technik hängen davon ab, ob die eingeschleusten Gene der Wildpflanze auch wirklich in der Frucht der Nutzpflanze aktiviert werden.

Wenig bekannt ist auch, dass mittels grüner Gentechnologie inzwischen nicht nur transgene Pflanzen gezüchtet werden, die etwa das Erbgut von Bakterien enthalten, sondern auch „cisgene“ Pflanzen. Ihnen werden Abschnitte des Genoms entnommen, außerhalb der Pflanze neu kombiniert und dann in das Genom rückübertragen. Das soll zu neuen Eigenschaften führen. So kann eine Pflanze etwa in die Lage versetzt werden, ein Enzym, das bisher nur im Blatt gebildet wurde, auch in der Wurzel zu produzieren. Diese Technik, an der Firmen in den USA und in Neuseeland feilen, soll zum Beispiel die Widerstandskraft von Nutzpflanzen gegen Schädlinge verbessern helfen. Noch ist allerdings unklar, ob die Gene wirklich an der gewünschten Stelle ankommen, und ob sie dort korrekt abgelesen werden können.

Die Autoren der Studie diskutieren auch die Frage, wie solche Pflanzen rechtlich zu behandeln sein werden: Einerseits sind sie mit gentechnischen Verfahren hergestellt, andererseits enthalten sie im Unterschied zu transgenen Pflanzen kein fremdes Erbgut. „Für die Grundlagenforschung ist zu fordern, dass aus genehmigten Freisetzungsversuchen erfolgende Auskreuzungen nicht als kommerzielles Inverkehrbringen gewertet werden“, heißt es im Akademiebericht. Man müsse Regelungen finden, die die Forschung nicht behindern, gleichzeitig aber dem Sicherheitsbedürfnis von Landwirten und Verbrauchern Rechnung tragen.

Die Autoren plädieren auch dafür, die Etiketten „Bio“ und „Gen“ in Deutschland nicht länger als Gegensatz anzusehen. Schließlich war es schon in der ersten Generation der grünen Genforschung erklärtes Ziel, Nutzpflanzen zu entwickeln, die mit wenig oder ganz ohne Unkraut- und Insektenvernichtungsmittel gedeihen. Und auch ökologisch arbeitende Landwirte wollen ohne solche Chemikalien auskommen.

Ein gemeinsames Anliegen von Ökologie und Gentechnik ist es auch, mehr Biomasse erzeugen zu können, die für die Energiegewinnung gebraucht wird. Die Forscher arbeiten daran, dass Pflanzen auf kargen Böden gedeihen und etwa Trockenheit besser vertragen – sich also umweltbedingten Stressfaktoren besser anpassen können.

„Wenn man die Geschichte der Pflanzenforschung betrachtet, wird schnell klar, wie stark in der Züchtung schon immer eingegriffen wurde", sagt Müller-Röber. Durch die moderne Molekularbiologie haben sich die Werkzeuge für die Forschung entscheidend verbessert. „Umso enttäuschender wäre es, wenn die jungen Forscher, die wir hier ausbilden, ins Ausland abwandern würden“, sagte FU-Forscher Hucho dem Tagesspiegel.

Mehr im Internet unter:

www.gentechnologiebericht.de

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