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Zur Eröffnungsfeier am Dienstagabend strömten die Gäste der Bread & Butter durch den Haupteingang in das Flughafengebäude.

© Thilo Rückeis

Bread & Butter: Flughafen Tempelhof: Ein Denkmal für die Mode

Ein stillgelegter Flughafen als Messestätte für Mode – eine gewagte Kombination. Zum Auftakt der Modemesse Bread & Butter erzählen wir die turbulente Geschichte einer einmaligen Maßarbeit.

Wenige Wochen vor der Eröffnung der weltweit wichtigsten Messe für Street- und Urbanwear, vor gut einem Jahr, war Dorothea Krömer mit ihrer Geduld am Ende: Die für den Flughafen Tempelhof zuständige Mitarbeiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde verfügte einen Baustopp auf dem Gelände, das gerade für die „Bread & Butter“ vorbereitet wurde. Eine rot-weiße Banderole und ein behördliches Schreiben verwehrten den Zugang zur Baustelle – plötzlich stand die Veranstaltung auf der Kippe.

Zu diesem äußersten Mittel griff die Denkmalschützerin, weil Behörde und Messe-Management noch keine Einigung gefunden hatten, wie die 30 Tonnen schwere künstliche Fassade mit ihren 12.000 Stahlträgern am Dach des Baudenkmals befestigt werden sollten, das einige Meter über das Flugfeld hinausragt. Weil die Zeit drängte, hatten die Veranstalter begonnen, Anker für die Fassade in die Träger des Daches zu bohren. Ein Eingriff in die Substanz des größten europäischen Baudenkmals, das Krömer selbst geradezu körperlich schmerzte. Und weil noch keine Baugenehmigung ergangen war, stoppte sie kurzerhand per Verfügung die weitere Montage.

Heute lacht sie darüber und sagt: „Man muss die Veranstalter loben.“ Denn der Baustopp währte nur kurz, statt zu bohren wurde geklammert. Und die Fassade steht auch nur während der Dauer der Modemesse – und nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, das ganze Jahr über. „Das kostet die Veranstalter viel Geld“, weiß die Denkmalschützerin – und lobt auch deshalb die Zusammenarbeit mit dem Team um Bread-&-Butter-Chef Karl-Heinz Müller.

„Wir verlassen den Flughafen, ohne Spuren zu hinterlassen“

Dass nun eine geklammerte nur „temporäre Fassade“ geschaffen wurde, wie die Architekten sie nennen, ist aus Sicht der Denkmalpflegerin eine ideale Lösung. Denn wenn die Konstruktion, mit der die Veranstaltungsfläche vor den Hangars vor Wind und Wetter geschützt wird, dauerhaft aufgebaut worden wäre, hätte dies das typische Erscheinungsbild des Flughafens „erheblich negativ beeinträchtigt“, wie es im Deutsch der Denkmalschützer heißt. Und das sei mit dem gesetzlichen Auftrag nicht zu vereinbaren, sagt Dorothea Krömer.

„Wir verlassen den Flughafen, ohne Spuren zu hinterlassen“, verspricht David Gil Braojos. Der Event-Direktor der Bread & Butter ist ein ruhiger Mann mit dunklem Dreitagebart. Und auch er erinnert sich: „Wenn der Baustopp damals einen Tag länger gedauert hätte, wäre die Eröffnung geplatzt.“ Rückblickend kann auch er darüber schmunzeln, zumal er betont, wie stark die Veranstaltung vom historischen Flughafen-Ambiente profitiert: „Die Besucher flippen total aus, wenn sie zum ersten Mal herkommen.“

Und die Veranstalter verstehen es, die historische Bühne zu bespielen: Motive aus den zwanziger Jahren und Szenen aus dem Film „Cotton Club“ zieren die Balustrade der früheren Abflughalle, die als Eingangsbereich dient. Es gibt Beleuchtung im Art-Deco-Stil in den sieben Hangars und dem Flugvorfeld. Und im Gastronomie-Zelt, wo Platz für 4000 Menschen ist, gab es zur Eröffnungsparty Burlesque-Nummern und Boxkämpfe – so sollten die Goldenen 20er Jahre stilistisch wieder aufleben. Aber auch Bands werden auftreten, darunter „Bonaparte“.

In der Aufbauphase arbeiten 3000 Monteure gleichzeitig

Über 800 Mitarbeiter werden während der Schau im „Gastro-Bereich“ eingesetzt, sagt Sebastian Hennecke, Vizepräsident der Bread & Butter. Länger als 15 Minuten soll niemand auf sein Essen oder sein Getränk warten. „Die Leute sollen sich wohl fühlen“, sagt er. Und das geht so: keine Schlangen beim Einlass, schnelles Einchecken, eine saubere Anlage – und eben gutes Essen.

Fast 100 Mitarbeiter sind fest angestellt bei der Bread & Butter. In der heißen Phase des Aufbaus werkeln rund 3000 Monteure auf dem früheren Flughafen. Mehrere Millionen Euro kostet jede Messe, zweimal jährlich findet sie statt. Aber der große Zuspruch und die vielen Besucher, mehr als zwei Drittel aus dem Ausland, machen die Bread & Butter zu einem Erfolg. Bei dieser vierten Veranstaltung macht man keinen Hehl mehr aus den Schnitzern in der Startphase. So zum Beispiel, als plötzlich der Polizeipräsident von Berlin, Dieter Glietsch, im Flughafengebäude stand. Ihm war der Weg zum Arbeitsplatz versperrt worden. Denn für die Dauer der Messe wird der Platz der Luftbrücke und das Messeumfeld für den Verkehr gesperrt, und das Präsidium befindet sich just dort. So kam es, dass der Polizeipräsident auf Schleichwegen über das Messegelände zu seinem Schreibtisch gelotst werden musste.

„Der Zeitdruck war das größte Risiko bei dem Projekt“, sagt Sven Lemiss, Chef der landeseigenen Berliner Immobilien Management. Die BIM verwaltet den Flughafen und bereitet das Areal für die Mieter vor. Zwischen der Entscheidung zugunsten der Bread & Butter und der Eröffnung der Schau lagen nur gut sechs Monate. Das ist knapp bemessen, weil ein ganzes Räderwerk in Gang gesetzt werden musste, um den Flughafen in eine Messestätte zu verwandeln: 25 Firmen gingen teilweise gleichzeitig vor Ort zu Werke, es mussten 22,5 Kilometer Stark- und Schwachstromkabel verlegt werden, 2,5 Kilometer Heizungsleitungen, 23 Luftheizgeräte installiert und 60 neue Fluchttüren eingebaut werden.

Für die Bread & Butter wurden fünf Millionen Euro in das Flughafengebäude investiert

Rund fünf Millionen Euro hat die BIM in das Flughafengebäude investiert, um die Bread & Butter möglich zu machen. „Dieses Geld ist in weniger als zwei Jahren refinanziert“, sagt Lemiss. Nicht nur die Modemesse profitiert von den Um- und Einbauten, sondern auch die anderen Veranstalter, die den stillgelegten Airport in der Zeit zwischen den beiden für die Mode reservierten Terminen mieten.

Ganz ohne Eingriffe in die Bausubstanz wäre die Schau aber auch nicht möglich gewesen. So wurden Durchgänge zwischen den getrennten Hangars geschaffen. Eine kleine Werkstatt in einem der Hangars wurde abgerissen, Fluchttüren wurden in die Rolltore der Hangars eingebaut. Von außen sind die allerdings nicht sichtbar. „Tapetentüre“ nennt sie Denkmalschützerin Krömer nach dem Vorbild der unsichtbaren Türen, die in barocken Schlössern den Weg zu den Geheimgängen bahnen. Und sie sind ein weiteres Beispiel für die Kompromisse, die zwischen Ämtern und Veranstaltern bei der Umgestaltung des Airports gefunden wurden.

Der frühere Flughafen ist auch deshalb so spektakulär, weil in seinem Inneren verschiedene Bauschichten zu finden sind: Neben der ursprünglichen Konstruktion sind das die Einbauten der Alliierten aus den 50er Jahren. Die Glaswände, die an den Gates die aussteigenden Passagiere von den einsteigenden trennten, zählen dazu. Dem Messebetrieb standen sie im Wege. Auch hier einigte man sich auf einen Kompromiss: Die Oberlichter blieben erhalten, auch kleine Teile der Glaskonstruktion. Die abgebauten Scheiben dagegen wurden vor die Wände gehängt. „So bleibt der Grundriss ablesbar“, sagt die Denkmalschützerin zufrieden.

Auch die Generalprobe endete vor einem Jahr fast in einem Desaster – und stellte die Schöneberger Firma „System 180“, die vor allem bekannt ist für ihre modularen Möbelsysteme, auf eine harte Probe: Ausgerechnet am Tag der Abnahme der 400 Meter langen temporären Fassade unter dem frei schwebenden Dach des Flughafens rauschte ein LKW in die Wand aus Stahlrohren und Kunststoffkissen. Statt den Abschluss der Arbeiten feiern zu können, mussten Architekten und Monteure unter Hochdruck den Schaden beseitigen. „Wie der Fahrer das hingekriegt hat, ist mir bis heute ein Rätsel“, sagt Architekt Christoph Blanc. Glücklicherweise sei der Firmensitz nur zehn Minuten vom Flugfeld entfernt – ein Hersteller aus den Niederlanden oder Portugal hätte die Reparatur wohl nur unter Mühen rechtzeitig erledigen können.

Den Männern von „System 180“ gelang es, und eine gute Woche später feierte auf der wiederhergestellten Ausstellungsfläche die weltweit größte Schau für Urbanwear ihre hochgelobte Berlin-Premiere. Eine Premiere war es auch für die künstliche Fassade. „Das war unser erstes Luftkissenprojekt“, sagt Blanc, der zuvor nur an Prototypen experimentiert hatte. Luftkissen? Ja, denn die zwei Kunststoffbahnen zwischen den Stahlträgern werden mit Luft gefüllt, und bilden ähnliche Polster wie Luftmatratzen. Das ist nicht nur hübsch anzusehen, zumal die Bahnen für die Bread & Butter zu einem bunt bestrahlten Rautenmuster aufgeteilt werden; die Polster schützen auch als Dämmschicht den Innenraum vor der kalten Witterung.

Im Jahr zwei der Bread & Butter ist nach der gelungenen Premiere fast schon Routine eingekehrt während des Aufbaus der Fassade. Optimiert wird trotzdem noch: Weil die großen Aussteller – Levi’s, Diesel oder Wrangler – eigene Zelte auf dem Flugfeld aufstellen, werden diese nun über Tunnel mit der Hauptbühne verbunden: „Sie werden angedockt an unsere Fassade, ähnlich wie die Flugzeuge an die Gates“, sagt Blanc. Auch das ist eine Art, an die frühere Nutzung des größten Baudenkmals Europas zu erinnern.

Der gedruckten Ausgabe des Tagesspiegels liegt heute eine zwölf Seiten starke Beilage zur Bread & Butter bei, die wir Ihnen, liebe Leserinnen, liebe Leser, hiermit gern ans Herz legen. Mehr dazu hier.

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