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Pauline Deltour

© Cyrill Matter

Designerin Pauline Deltour: Innovativ, erfrischend, feminin

Pauline Deltour hat in kurzer Zeit ein breites Œuvre geschaffen, das in keine Schublade passt. Jedes Material fordert sie heraus.

„Effektivität ist der Beginn der Freiheit. Wenn alles gut organisiert ist, hat man mehr Zeit für Kreativität.“ Wenn das stimmt, was die französische Designerin Pauline Deltour erzählt, dann muss sie äußerst effektiv und und gut organisiert sein, denn ihr umfangreiches und vielseitiges Werk, das sie in kurzer Zeit geschaffen hat, lässt sich nicht so leicht auf einen Nenner bringen. Ihre Arbeiten passen auf den ersten Blick in keine Schublade. Zielstrebig war sie von Anfang an. Schon mit 17 Jahren - vor dem Abitur - war ihr klar, dass sie Design studieren wollte. Auf einer großen Jobbörse überzeugte sie der Stand der Designschule von Nantes. „Es war für mich eine Balance aus Technik, Wissenschaft und Kunst“, erzählt sie. „Das war vor rund 20 Jahren kein gewöhnlicher Weg für eine Abiturientin, denn Design war damals noch nicht so populär.“ Mit ihren Eltern sei sie dann zu den Tagen der Offenen Tür nach Paris gegangen und wusste sofort, dass sie auf dem richtigen Weg war.

Die Korbserie "A Tempo" von Alessi enthält auch große Körbe, die man als Schirmständer nutzen kann.
Die Korbserie "A Tempo" von Alessi enthält auch große Körbe, die man als Schirmständer nutzen kann.

© Alessi

Wissenschaft und Technik haben sie fasziniert, aber sie hat damals auch viel gemalt und abends Malkurse an der École des Beaux Arts genommen, eine wesentliche Erfahrung für ihren beruflichen Werdegang. „Ich bin sehr logisch. Ich muss wissen, wie etwas funktioniert. Wenn ich etwas kaufe, muss ich herausfinden, wie ich es richtig öffne. Ich respektiere die Arbeit des Verpackungsdesigners“, sagt sie mit einem Lachen. Hinzu kommt die Liebe zum Material. Sie kann damit umgehen und weiß, was sie dem Material abverlangen kann.

Im Studium war ihr schnell klar, dass sie Produktdesignerin werden wollte. Deltour studierte Angewandte Kunst an der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts (ENSAAMA) und anschließend Industriedesign an der École Nationale Supérieure des Arts Décoratifs (ENSAD). Design ist für sie die faszinierende Verbindung von Kunst und Mathematik. Prägend waren auch die Praktika in einer Keramikwerkstatt, bei einem Stahlunternehmen und schließlich bei einer Firma, die Züge und Straßenbahnen renovierte, unter anderem auch den Hochgeschwindigkeitszug TGV. Als einzige Frau unter Männern lernte sie sich durchzusetzen.

"Pierrot" für Alessi.
"Pierrot" für Alessi.

© Alessi

Schon 2006 absolvierte sie ein Praktikum bei Konstantin Grcic, das sie darin bestärkte, konkrete Projekte zu erarbeiten. Aus der Faszination für Draht entstand ihre Abschlussarbeit, ein Geschirrabtropfer aus der Serie „A Tempo“, den schließlich Alessi produzierte. Auch Drahtkörbe entstanden in dieser Zeit.

2010 machte Pauline Deltour sich selbstständig und gründete ihr eigenes Studio in Paris, arbeitete für Alessi und Muji in Japan. Sie war mehrmals dort, auch vorher schon als Assistentin von Grcic und später für Muji.

Ihr erstes Projekt in Japan waren Süßigkeiten für Japan Creative. Aus Abfallholz von Möbeln schuf sie für Muji formschöne Büroutensilien. „Japan hatte schon einen Einfluss auf mich“, erzählt sie. „Alles im Alltag ist so für dich gestaltet, dass es gut ist. Design ist ganz selbstverständlich in das Leben integriert, man merkt es gar nicht.“

Pauline Deltour 2016 in der Töpferei Louemon in Arita bei der Überwachung der Produktion von "Bonhomie".
Pauline Deltour 2016 in der Töpferei Louemon in Arita bei der Überwachung der Produktion von "Bonhomie".

© Promo

2016 hatte sie für die Töpferei Kouemon in Arita, der Porzellanmetropole Japans, das Teeservice „Bonhomie“ geschaffen. Vor ihrem ersten Entwurf hatte sie die Fabrik und die Ateliers besucht. „Man muss in die Fabrik gehen, um den Prozess zu verstehen, wie sie mit dem Material umgehen.“ Bei ihrem zweiten Besuch wurden die Prototypen überprüft. „Das Geschirr ist oben ganz dünn und der zierliche Fuß ist wegen der Standfestígkeit massiv. Sie haben dort für jedes Projekt einen speziellen Ton, den sie länger brennen können, um diese Differenz zwischen dick und dünn auszuhalten.“ Die Formen vereinen westliche und japanische Traditionen.

In Arita in Japan ließ Pauline Deltour ihr Service "Bonhomie" produzieren.
In Arita in Japan ließ Pauline Deltour ihr Service "Bonhomie" produzieren.

© Yasunori Shimomura

Im vergangenen Jahr war Pauline Deltour mit der Geschäftsführerin von Ames in Kolumbien, um eine Kollektion zu entwerfen. „Ana Maria Calderón war auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich nicht etwas aus der Iraka-Palme entwerfen könne. Ich habe die Reise genau geplant. Ana Maria hatte mir ein Buch über die Flechtarbeiten aus der Palme gegeben und wir haben uns vor der Reise ein paar Gedanken gemacht, technische Zeichnungen angefertigt.“ Eine Woche lang hatte sie sich in Bogotà und in Pasto im Süden umgeschaut und das Material studiert, den Prozess mit den Handwerkern besprochen, die eigenen Entwürfe dort modifiziert. Das war eine wichtige Erfahrung.

Spiegel der Serie "Cesta" und der Hocker "Cana" für die Designfirma Ames von Pauline Deltour.
Spiegel der Serie "Cesta" und der Hocker "Cana" für die Designfirma Ames von Pauline Deltour.

© Andreas Valbuena

Herausgekommen ist einerseits „Killa“, eine Serie von Spiegeln, die wie Brotkörbe aus geflochtener Iraka-Palme an der Wand hängen oder auch stehen. Der runde Spiegel hat einen breiteren Rand, der ovale einen schmaleren. Ferner hat sie die Bank „Mecato“ aus dem gleichen Material gestaltet. Basis ist ein pulverbeschichtetes Stahlgestell. Die wie ein flacher Hut nach oben gewölbte Sitzfläche des Hockers „Cana“ ist aus Cana Flecha, einem bambusähnlichen Material geflochten, das im Norden Kolumbiens wächst und traditionell vom Stamm der Zibu auch für Hüte genutzt wird. Es gilt als sehr strapazierfähig.

Die Bank „Mecato“ (Ames) hat eine aus der Iraka-Palme geflochtene Sitzfläche.
Die Bank „Mecato“ (Ames) hat eine aus der Iraka-Palme geflochtene Sitzfläche.

© Andreas Valbuena

Ähnlich wie Sebastian Herkner, der als Erster für Ames Dinge entworfen hat, ließ sich Pauline Deltour von der Flechtkunst der Kolumbianer mit recycelten PVC-Schnüren beeinflussen, die sie meisterhaft beherrschen. Ergebnis war der Spiegel „Cesta“, der ähnlich wie ein Korb einen geflochtenen Rand hat.

Pauline Deltour ist bekannt dafür, Material als Herausforderung zu sehen, das es zu meistern gilt.

"Rope Rug" von Pauline Deltour für den schwedischen Hersteller Hem. Sie werden in Indien nach internationalen Standards gewebt.
"Rope Rug" von Pauline Deltour für den schwedischen Hersteller Hem. Sie werden in Indien nach internationalen Standards gewebt.

© Hem

Daher fragten Unternehmen wie etwa das schwedische Label Hem nach, ob sie nicht Lust habe, aus Seilen einen gewebten Teppich zu entwerfen, die „Rope-Rugs“. „Sie wollten einen handwerklichen Teppich von mir. Sechs Wochen lang haben wir Seile verschiedener Art getestet, selber hergestellt und gewebt. Am Ende haben wir uns für die besten beiden Seile entschieden, mit unterschiedlichem Durchmesser, zwei Härten und jeweils zwei Farben. Alle Teppiche sind handgewoben, sehen ähnlich aus.“

Das Material wird aus Baumwolle gewonnen, die einem bestimmten Färbeprozess unterzogen wird, um sie farbecht zu halten. Die Herstellung der Teppiche, die dieses Jahr auf den Markt gekommen sind, erfolgt in ausgewählten Werkstätten in Indien nach „globalen Standards“, wie Hem auf seiner Website versichert. Kennzeichnend für diese Teppiche sind jeweils zwei nebeneinanderliegende Seile in unterschiedlichen Farben, die an dem einen Ende eine Schlaufe bilden. Auch die senkrecht verlaufenden Seile sind zweifarbig.

Luxuriöse technische Produkte für Frauen hat Pauline Deltour mit der Kollektion "Fine" für Lexon entworfen. Dazu gehören Powerbanks, Bluetooth-Lautsprecher, USB-Sticks und Taschenlampen, aber auch Etuis für Visitenkarten.
Luxuriöse technische Produkte für Frauen hat Pauline Deltour mit der Kollektion "Fine" für Lexon entworfen. Dazu gehören Powerbanks, Bluetooth-Lautsprecher, USB-Sticks und Taschenlampen, aber auch Etuis für Visitenkarten.

© Lexon

Palmen, Porzellan und Seile - Pauline Deltour hat aber auch ein Faible für Metall. Zu den überraschendsten Produkten ihres uvres zählen die technischen Objekte der Kollektion „Fine“ für Lexon von 2015. „Ich sollte für sie technische Dinge für Frauen entwerfen, eine Powerbank, einen USB-Stick, eine Taschenlampe, ein Etui für Visitenkarten, einen Bluetooth-Lautsprecher, einen Wecker“, erzählt sie. Man sieht den Produkten ihre Funktion zunächst nicht an. Sie sind aus eloxiertem Aluminium in jeweils zwei dezenten Farben gehalten und wirken überhaupt nicht technisch. „Das Material schmeichelt den Händen“, sagt Deltour. Die smarten Objekte wirken äußerlich wie Kosmetikprodukte und fügen sich daher dezent in jede Handtasche. Feminin darf es bei Pauline Deltour schon sein, dezent, smart und schön.

Pauline Deltour
Pauline Deltour

© Promo

„Ich bin sehr glücklich, so viele schöne Dinge machen zu dürfen. Jedes Objekt ist neu und eine Herausforderung für das Gehirn. Wie kann ich das Objekt innovativ und erfrischend machen? Darum geht es immer“, sagt sie.

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