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Akademische Heimat auf Zeit: Wenn Forschende fliehen müssen
Der Veterinärmediziner Khalid Mohammedsalih aus dem Sudan forscht als Stipendiat des Scholar Rescue Fund an der Freien Universität.
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Weidetiere sind in ihrem Leben vielfachen Krankheiten und Parasiten ausgesetzt. Unter anderem setzen ihnen verschiedene Würmer zu, die sich oftmals im Magen-Darm-Trakt einnisten. Dort verursachen sie Probleme, die bis zum Tod der Tiere führen können. In der Nutztierhaltung gehört die medikamentöse Behandlung mit Wurmmitteln daher zur Standardpraxis.
Doch das Problem: Immer mehr Parasiten entwickeln Resistenzen. „Die Behandlung mit den bekannten Medikamenten wirkt immer schlechter“, sagt Khalid Mohammedsalih. „Immer öfter können Tiere nicht effektiv therapiert werden und verenden.“ Der promovierte Veterinärmediziner erlebte die Auswirkungen des Problems in seinem Heimatland Sudan aus nächster Nähe. „Ich arbeitete in einer tierärztlichen Apotheke, wo sich die Bauern Tag für Tag bei mir beschwerten, dass die Wurmmittel nicht mehr wirkten“, berichtet er. „In einem Land, in dem weite Teile der Bevölkerung von der Weidewirtschaft leben, ist das eine Katastrophe.“
So wurde Khalid Mohammedsalih zu einem Experten auf dem Gebiet. Er begann eine Doktorarbeit zu dem Thema und sammelte als weltweit erster Wissenschaftler Daten in der Region. Schließlich wurde er Associate Professor an der Universität von Nyala im Südwesten des Sudans. Mit internationalen Geldern konnte er dort ein modernes biologisches Labor aufbauen.
Krieg im Sudan zwingt zur Flucht
Doch dann brach im April 2023 im Sudan der Krieg aus. „Für meine Familie und mich, für alle Menschen im Sudan, begann eine extrem harte Zeit“, sagt der Wissenschaftler. „Mein Labor wurde komplett zerstört, und ich musste mit meiner Familie mehrfach fliehen – zunächst innerhalb des Sudans, schließlich ins Ausland.“
Seit Dezember 2023 setzt Mohammedsalih seine Forschung am Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der Freien Universität fort. Dort wertet er die Daten, die er vor Ausbruch des Krieges gesammelt hat, aus und bereitet sie für die Publikation vor.
Gefördert wird er dabei durch den Scholar Rescue Fund (SRF). Mit dem Stipendium, das vom amerikanischen Institute of International Education (IIE) verliehen wird, werden weltweit Forschende unterstützt, die politisch bedroht werden oder aus ihrem Heimatland fliehen mussten.
„Wir sind gern Gastgeberin“
Die Freie Universität nimmt seit zehn Jahren als Gastgeberinstitution an dem Programm teil. Der erste SRF-Fellow im Jahr 2014 war ein iranischer Koranwissenschaftler. Seitdem konnten mit einem SRF-Stipendium insgesamt fünf Forscher an der Freien Universität gefördert werden – aus Syrien, Sudan, Venezuela, Jemen und dem Iran. Ein bis zwei Jahre erhalten sie ein Stipendium, das sämtliche Lebenshaltungskosten deckt. Zur Hälfte wird es aus Mitteln des IIE, zur anderen Hälfte aus Mitteln der Gastgeberorganisation bestritten.
Ziel ist es, dass am Ende ein jeweils tragfähiges Tandem entsteht.
Stefan Rummel, Freie Universität Berlin
„Die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit genießt an der Freien Universität einen hohen Stellenwert“, sagt Stefan Rummel, der an der Freien Universität das Referat Wissenschaftsbeziehungen der Abteilung Internationales leitet und das SRF-Programm der Hochschule verantwortet. „Wir sind gern Gastgeberin – und schätzen die Einrichtung des Scholar Rescue Fund und die Menschen, die darüber zu uns kommen, sehr.“ Die Freie Universität wurde kürzlich vom Institute of International Education als herausragende Gastgeberinstitution des Scholar Rescue Funds ausgezeichnet.
Die Teilnahme kommt allen zugute
„Für uns ist dieser Preis eine große Ehre“, sagt Florian Kohstall, an der Freien Universität Berlin zuständig für das Projekt Globale Verantwortung. Insgesamt habe die Freie Universität in den vergangenen Jahren mehr als 60 gefährdeten Forschern und Forscherinnen an der Universität eine akademische Heimat auf Zeit geboten, wofür auch Mittel der Philipp-Schwartz-Initiative der Alexander von Humboldt-Stiftung, der Einstein Stiftung Berlin und anderer Stiftungen eingeworben worden seien. „Es ist schön, wenn die Bemühungen, die wir über Jahre in die Kooperation investiert haben, auf diese Weise Anerkennung finden.“
Stefan Rummel betont, dass die Teilnahme am SRF-Programm allen Beteiligten zugutekomme. „Bei der Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten entscheiden humanitäre Gründe“, sagt er. „Gleichzeitig achten wir jedoch darauf, dass die Personen mit ihrer Forschung auch zur Freien Universität passen. Ziel ist es, dass am Ende ein jeweils tragfähiges Tandem entsteht.“
Zu Gast in Düppel
Bevor Khalid Mohammedsalih durch den Scholar Rescue Fund gefördert wurde, war er bereits mehrfach für Forschungsprojekte in Düppel zu Gast. Mit seinem Tandempartner, Georg von Samson-Himmelstjerna, Professor und geschäftsführender Direktor am Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der Freien Universität, verbindet ihn eine langjährige Arbeitsbeziehung.
Ebenso mit Jürgen Krücken, der als Privatdozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Institut tätig ist. „Wir sind ja explizit ein Institut für Tropenveterinärmedizin“, sagt Georg von Samson-Himmelstjerna. „Khalid Mohammedsalih bringt mit seinem Wissen, seinen Erfahrungen und den Daten aus dem Sudan enorm wertvolle Impulse in unser Haus.“
Sobald sich die Lage im Sudan politisch stabilisiert, möchte Khalid Mohammedsalih seine Forschungsarbeit nutzen, um die Landwirtschaft in seiner Heimat zu unterstützen. „Wir haben nun die Daten, die beweisen, dass die Bauern mit ihrer Einschätzung recht hatten“, sagt Mohammedsalih. „Die Medikamente wirken tatsächlich nicht mehr so wie früher und wenn wir den Trend nicht umkehren, drohen enorme Konsequenzen. Es braucht Forschung und politische Maßnahmen, um das zu verhindern.“
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