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Begabtenförderung: Wo Nietzsche zur Schule ging
Seit Reformationszeiten wird im Internat Schulpforta unterrichtet. Heute leben und lernen hier 300 Schülerinnen und Schüler, zu durchaus erschwinglichen Preisen.
Stand:
An der Saale hellem Strande, so heißt es im Volkslied, „stehen Burgen stolz und kühn, ihre Dächer sind gefallen, und der Wind streicht durch die Hallen. Zwar die Ritter sind verschwunden ...“
Nur wenige Kilometer von dem so besungenen Saaleck, zwischen Bad Kösen und Naumburg, stehen vor allem Weinberge am Strande der Saale. Wer am Fluss entlang radelt und einen kurzen Abstecher unternimmt, stößt aber ebenfalls auf alte Gemäuer: das ehemalige Zisterzienserkloster Schulpforta.
Seit 1543 wird hier unterrichtet: Kurfürst Moritz von Sachsen wandelte das Kloster Pforta in eine Internatsschule um, um begabte Jungen möglichst gut auf das Universitätsstudium vorzubereiten. Heute lernen an der Landesschule Schulpforta, die vom Land Sachsen-Anhalt getragen wird, 300 Schülerinnen und Schülern von der 9. bis zur 12. Klasse in drei Zweigen: Musik, Sprachen, Naturwissenschaften. Alle leben im Internat, auch diejenigen, deren Eltern in der Nähe wohnen.
Wie im Lied sind auf dem weitläufigen Gelände die ursprünglichen Bewohner, die Mönche, verschwunden, „doch dem Wandersmann erscheinen / in den altbemoosten Steinen / oft Gestalten zart und mild.“
Zum Beispiel könnte Friedrich Nietzsche der Radlerin oder dem Besucher erscheinen: Er lernte hier von 1858 bis 1864. Oder der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock, der Historiker Leopold von Ranke oder der Philosoph Johann Gottlieb Fichte: Die Liste der berühmten Schüler ist lang.
Mädchen sind in allen Zweigen in der Überzahl, auch in den Naturwissenschaften.
Kathrin Volkmann, Rektorin
Natürlich sind sie alle männlich. Bis nach dem Krieg war Schulpforte eine Jungenschule. Heute lernen hier mehr Mädchen als Jungen – der weibliche Anteil liegt bei zwei Dritteln –, und die Rektorin wünscht sich mehr Bewerbungen von Jungs.
„Mädchen sind in allen Zweigen in der Überzahl, auch in den Naturwissenschaften. Vielleicht liegt es am unterschiedlichen Entwicklungstempo von Jungen und Mädchen in der Pubertät“, sagt Kathrin Volkmann, die die Schule seit 2022 als erste Rektorin leitet. „Während Mädchen in Klasse 7 und 8 oft schon zielgerichtet ihre Bildungswünsche angehen, sind Jungen in diesem Alter manchmal etwas weniger auf Schule und Lernen fokussiert.“
Eine „Jungenquote“ gibt es nicht, aber Kathrin Volkmann möchte insbesondere sie ermutigen, sich etwa beim Tag der offenen Tür für diese Möglichkeit zu öffnen. Im Schnitt kommen auf jeden Internatsplatz knapp zwei Bewerbungen. Gute Noten, insbesondere im gewählten Zweig, sind Voraussetzung. Eine Aufnahmeprüfung entscheidet dann darüber, wer letztlich einen Schulplatz bekommt und sich in den Zimmern der verschiedenen historischen Gebäude einrichten darf.

© Trevor Johnson
Da die Schule vom Land Sachsen-Anhalt getragen und hauptsächlich finanziert wird, ist die Hälfte der Plätze Landeskindern vorbehalten. Aber, so Pressesprecher Matthias Haase: „Kinder aus allen Bundesländern haben grundsätzlich bei guter Eignung beste Chancen auf einen Platz.“ Landeskinder zahlen 300 Euro pro Monat, Schüler aus anderen Bundesländern 400 Euro, darin enthalten sind die Unterkunft und Vollverpflegung. Es besteht die Möglichkeit, Teil- oder Vollstipendien zu beantragen.

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Wer wie der Elftklässler Anton Naab aus Wismar einen Schulplatz im Musikzweig hat, profitiert dann von besonderen Angeboten, kann neben seinem Instrument auch Stimmbildung und Chorleitung belegen. Als „Elitegymnasium“ möchte er seine Schule nicht bezeichnet wissen: Hier herrsche eine freundliche und bodenständige Atmosphäre, sagt er, alle würden in ihrer Verschiedenartigkeit akzeptiert und bildeten eine „gute Gemeinschaft“. Die größte Umstellung sei für ihn gewesen, „immer Leute um mich herum zu haben“.
An diesem Wochenende wird das jährliche Schulfest gefeiert, um die 1500 Ehemalige werden erwartet, es gibt Konzerte, Theater und ein Chorkonzert im Kreuzgang. Falls der Ehemalige Friedrich Nietzsche als „Gestalt“ auftauchen sollte, könnte er sein eigenes Gedicht rezitieren: „Bei Naumburg im freundlichen Thale / da lieget manch reizender Ort. / Der schönste doch aber von allen, / das ist mir die Pforte dort.“
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