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Eine Bohrung in Chew Bahir

© Stefanie Kaboth-Bahr

Hunderttausend Jahre alte Sedimentkerne: Was lehrt uns das Klima der Urzeit?

Fragen des Klimawandels führen Forschende an der Freien Universität tief in die Vergangenheit. Mehrere Hunderttausend Jahre alte Sedimentkerne sind die besten Wissensarchive.

Von Catarina Pietschmann

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Wald- und Buschbrände hat es schon vor Urzeiten auf der Erde gegeben. Anfangs waren es zufällige Naturphänomene, bei denen Blitze ausgetrocknetes Gras und Gehölz entzündeten. Doch irgendwann haben unsere Vorfahren Feuer auch gezielt eingesetzt, um Landschaften zu verändern. Das meint Stefanie Kaboth-Bahr, Professorin für Paläoklimatologie an der Freien Universität. Wann aber genau?

Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam hat Stefanie Kaboth-Bahr kürzlich einen 300.000 Jahre alten Sedimentkern aus dem südchinesischen Meer untersucht. Er belegt einen markanten Anstieg der Feueraktivität in Ostasien vor rund 50.000 Jahren. Also etwa zu der Zeit, als der moderne Mensch von Afrika aus in andere Teile der Erde aufbrach. Vergleichsproben belegen, dass es zeitgleich ähnliche Entwicklungen in Europa, Südostasien und im Raum Papua-Neuguinea und Australien gegeben hat.

Aber warum sollten Menschen schon damals Landschaften durch Brände gezielt verändert haben? Stefanie Kaboth-Bahr sieht dafür mehrere mögliche Gründe: Feuer konnte dichte Wälder in offene Landschaften verwandeln, die sich leichter durchqueren ließen. Außerdem könnte es das Wachstum bestimmter essbarer Pflanzen gefördert haben, die für die Ernährung wichtig waren. War dies eine zeitgleiche Entwicklung weltweit – oder begannen Menschen in Afrika vielleicht schon früher, Feuer gezielt einzusetzen?

Sedimentkern in Äthiopien

Um das herauszufinden, untersucht Stefanie Kaboth-Bahr gemeinsam mit äthiopischen Kolleginnen und Kollegen sowie der Freien Universität Berlin und der Universitäten Potsdam und Köln einen Sedimentkern aus einem See in Äthiopien. Dieser reicht bis zu 350 Meter in die Tiefe und erlaubt Einblicke in mehr als 600.000 Jahre Klimageschichte.

Stefanie Kaboth-Bahr und ihr Team wollen verstehen, wie sich die Feuerdynamik über Hunderttausende Jahre in Afrika entwickelt hat und ob sie sich durch das Dazutun des Menschen veränderte. „Feuer ist mit unserer Spezies eng verbunden“, sagt die Paläontologin.

Zunächst hätten die Vorfahren des modernen Menschen Feuer nur passiv genutzt, indem sie natürlich entstandene Brände, etwa nach Blitzeinschlägen, übernahmen. So haben sie sich wärmen können, Speisen garen oder wilde Tiere fernhalten. Erst zu einem späteren Zeitpunkt hätten sie gelernt, Feuer zu entfachen und legten die Grundlage dafür, es jederzeit und an jedem Ort gezielt einzusetzen.

„In den vergangenen Sommern haben wir wieder gesehen, dass schon wenige Menschen durch Brandstiftung riesige Flächen vernichten können. Und die Frage ist: Wann haben wir angefangen, in das Ökosystem derart tief einzugreifen, dass es sich in den Sedimenten, den Klimaarchiven, nachlesen lässt?“

Für die Untersuchung nutzt die Forscherin Pflanzenkohle, die sich oft gut in den Sedimenten erhält. Anhand der Größe und Form der Kohlepartikel lässt sich erkennen, ob vor allem Gräser oder Bäume gebrannt haben. Über die Menge der gefundenen Kohle können Forschende bestimmen, wie viel verbrannt ist; die Häufigkeit der Kohlelagen verrät, wie oft es gebrannt hat. Und anhand der geochemischen Signatur der Kohlepartikel lässt sich sogar abschätzen, bei welchen Temperaturen die Feuer brannten.

Sedimente aus Seen sind ein besonders gutes Archiv für Pflanzenkohle, da sie Partikel aufnehmen, die der Wind heranträgt. In den Sedimenten werden diese Rückstände anschließend recht schnell abgelagert, eingeschlossen und so langfristig erhalten.

Ob es sich um natürliche Brände oder menschengemachte gehandelt habe, darauf können bestimmte Muster in Kohleablagerungen Hinweise geben, erläutert Stefanie Kaboth-Bahr. „Natürliche Feuer, etwa durch Blitzeinschläge ausgelöst, treten meist in bestimmten Jahreszeiten gehäuft auf und breiten sich durch Windbewegungen rasch über die Landschaft aus“, sagt die Forscherin.

Solche Brände würden sich vor allem in Übergangszeiten zwischen Regen- und Trockenzeit entzünden und typischerweise mittlere Temperaturen erreichen. Menschlich beeinflusste Feuer dagegen würden unabhängig von der Jahreszeit gezielt mit nichtsaisonalen Brennmaterialien angefacht – häufig in Trockenphasen, wenn zum Beispiel Savannen besonders leicht brennen. Diese Brände würden länger und heißer brennen.

Vergangene Umwelteingriffe

Die Feueranalyse ist eine recht junge Methode, um mehr über die Frühzeit der Menschheit zu erfahren. Mit Pflanzenkohle lassen sich auch in Zeiträume Einblicke gewinnen, aus denen es keinerlei direkte Informationen über den Menschen in Afrika gibt. Anhand der Kohlereste können Forschende abschätzen, ob Menschen bereits präsent waren und ob sie in ihre Umwelt eingegriffen haben – etwa Brände entfacht und damit die Vegetation beeinflusst haben.

Neben Seesedimenten, die vor allem lokale und regionale Signale der Feuerdynamik festhalten, dienen auch die Ozeane rund um Afrika als wichtige Archive. Durch den Wind werden Kohlepartikel weit hinausgetragen und dort abgelagert.

Diese Ablagerungen vereinen Informationen über große Teile des Kontinents und eröffnen so zusätzliche Möglichkeiten, das Feuergeschehen auf dem afrikanischen Kontinent nachzuzeichnen. „Wenn der Mensch tatsächlich Einfluss auf das Feuerregime genommen hat, dann sollte sich das auch in den Bohrkernen der Tiefsee nachweisen lassen“, erklärt Stefanie Kaboth-Bahr.

Buschfeuer, wie hier in der Nähe der Stadt Dalveen in Queensland, kommen in Australien häufig vor.

© dpa/Darren England

Feuer ist das eine, Wasser das andere große Thema der Forscherin. Denn im Zuge des Klimawandels werden Dürren und Starkregen zunehmen. „Die Entwicklung der Temperatur durch steigende CO₂-Werte lassen sich mit Klimamodellen relativ robust simulieren. Vorhersagen von Niederschlägen sind aber deutlich unsicherer, da Wolkenbildung und Regen stark kleinskalig und regional geprägt sind“, sagt Kaboth-Bahr. „Wir wollen Daten zu Veränderungen der Feuchtigkeit und der Niederschläge in Warmphasen der Erdgeschichte liefern – um so besser einschätzen zu können, wie sich Niederschläge auch in Zukunft verändern könnten.“

Fossilien geben Auskunft

Dafür blicken die Forschenden in Erdzeitalter zurück, die deutlich wärmer waren als heute: zum Beispiel ins Eozän vor etwa 56 bis 34 Millionen Jahren. Bohrkerne aus der Grube Messel, einem stillgelegten Ölschiefer-Tagebau bei Darmstadt – einer einzigartigen Fossilien-Lagerstätte – zeichnen Klima und Umwelt vor rund 47 Millionen Jahren auf.

Während extremer Warmphasen, die ebenfalls in der Messel-Sedimentsequenz aufgezeichnet sind, sogenannte Hyperthermale, stiegen die CO₂-Werte sprunghaft an, und die globale Temperatur erhöhte sich noch einmal deutlich. Das Ökosystem des Sees habe sich dramatisch verändert, sagt Stefanie Kaboth-Bahr.

Bemerkenswerte Widerstandskraft

Erste Analysen deuteten darauf hin, dass Algenblüten zunahmen und die Zusammensetzung der Fischarten sich grundlegend veränderte. Dies lasse sich dank der außergewöhnlich gut erhaltenen Fischfossilien detailliert nachvollziehen. Doch ein Kipppunkt blieb aus – sobald die Temperaturen wieder sanken, kehrte das System in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Anders als viele heutige Seen, die unter Klimawandel und menschlichen Belastungen plötzlich und unumkehrbar kippen können, habe das prähistorische Messel-Ökosystem eine bemerkenswerte Widerstandskraft gezeigt.

Wie können auch heutige natürliche Systeme noch genügend Kraft besitzen, sich selbst zu stabilisieren? Diese Frage stellt sich Stefanie Kaboth-Bahr. Denn selbst wenn es gelänge, Kohlendioxid aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen, wird es sehr lange dauern, bis die Werte wieder sinken. Umso wichtiger ist es, die Emissionen schon jetzt drastisch zu begrenzen – damit die Ökosysteme überhaupt eine Chance haben, sich selbst wieder zu heilen.

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