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Auch Fachbereichswerkstätten wie etwa die Glasbläserei helfen bei nachhaltigen Lösungen.

© Michael Fahrig

Ist Klimaforschung schlecht fürs Klima?: Nachhaltigkeit in den Laboren der Freien Universität Berlin

Mehrweg, Reparieren, Strom und Materialien sparen – Forschende an der Freien Universität versuchen, den Laboralltag nachhaltiger zu gestalten.

Von Marion Kuka

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Nachhaltigkeit zu googeln, ist einfach“, sagt Martina Sick, Verwaltungsleiterin des Fachbereichs Biologie, Chemie, Pharmazie. Sie jedoch im Laboralltag umzusetzen, sei schwierig. Wie lassen sich Experimente mit weniger Material und Energie bei gleich hohem Standard ausführen? Welche Anbieter bieten Mehrwegsysteme für Verpackungen? Gibt es auf diese Fragen gute, idealerweise kostenneutrale Antworten, müssen die neuen Methoden „nur“ noch in die Arbeitsabläufe integriert werden.

Am Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie wurde deshalb eine Projektstelle für Nachhaltigkeit im Labor eingerichtet. Britt Schaffranietz, die sonst als technische Assistentin in einem Biologie-Labor arbeitet, sammelt über den Zeitraum von zunächst einem Jahr Wissen und Erfahrungen für einen ressourcenschonenden Laborbetrieb und gibt ihre Erkenntnisse in die Arbeitsgruppen weiter.

„Es hat eine gewisse Ironie“, sagt der Bodenökologe Matthias Rillig. „Wir forschen unter anderem zu den Effekten von Mikroplastik im Boden – und verbrauchen dafür selbst viel Plastik.“ Sein Team habe vieles versucht, um diesen Verbrauch zu reduzieren. „Aber es funktioniert nicht.“

Wiederverwendbare Petrischalen aus Glas sind keine Alternative, weil es Probleme mit der Sterilität gibt.“ Bei Langzeitversuchen sei rund ein Drittel der Proben stets mit unerwünschten Mikroben kontaminiert gewesen. Plastikschalen hingegen werden steril verpackt angeliefert und lassen sich besser verschließen.

Zuschuss für energieeffiziente Geräte

Doch Matthias Rillig kann andere Erfolge vorweisen: So sind die Ultratiefkühlschränke, in denen er Pilze und Bodenproben konserviert, inzwischen nur noch auf minus 70 Grad Celsius eingestellt. „Als Standard galten lange minus 80 Grad, doch bei 10 Grad mehr funktioniert die Konservierung genauso gut“, berichtet er. Der kleine Trick reduziert den Stromverbrauch der Kühlschränke um 40 Prozent.

Der Fachbereich bezuschusst auch die Anschaffung energieeffizienter Geräte, die sich meist schnell bezahlt machen. „Vorausgesetzt, die alten Geräte bleiben nicht weiterhin als Reserve am Netz“, betont Martina Sick. Sie empfiehlt zudem: Betriebszeiten für belüftete Räume zu begrenzen, Labortüren stets geschlossen zu halten, Kühltruhen für langfristige Lagerung in kühle Keller zu verlegen, Forschungsgeräte gemeinsam zu nutzen und Verbrauchsmaterialien in Großpackungen zu bestellen.

Appelle genügen jedoch nicht, denn Türzettel mit Energiespartipps werden bald ebenso übersehen wie Tapeten. Deshalb ermuntert die Verwaltungsleiterin die Forschungsgruppen, sich beispielsweise von der US-Firma „My Green Lab“ zertifizieren zu lassen.

Plastikmüll im Labor

Das gesamte Team arbeitet regelmäßig daran, den Laborbetrieb auf Nachhaltigkeit zu prüfen und alternative Routinen dauerhafte umzusetzen. Der Anbieter führt durch den Prozess, gibt Ablauf und Themen vor, fordert Berichte an, gibt Tipps und bewertet die Ergebnisse. Die Arbeitsgruppe der Biochemikerin und Vizepräsidentin für Forschung der Freien Universität, Petra Knaus, hat diesen Prozess bereits erfolgreich abgeschlossen. Weitere Gruppen aus Biologie und Pharmazie starten bald.

Die Pharmazieprofessorin Maria Kristina Parr und ihr Kollege Felix Bredendiek haben Wege für mehr Nachhaltigkeit in der pharmazeutischen Chemie erforscht und ihre Ergebnisse in einem Fachartikel veröffentlicht.

„Wir müssen analytische Verfahren in Apotheken und der Industrie künftig unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit neu bewerten“, sagt Maria Kristina Parr. Statt ausschließlich auf grüne, also umweltfreundliche, Methoden zu setzen, plädiert sie für „White Analytical Chemistry“-Verfahren, die umweltfreundlich, zuverlässig und zugleich praktikabel sind.

Wir forschen zu Mikroplastik im Boden und verbrauchen dafür selbst viel Plastik.

Matthias Rillig, Bodenökologe

Im Laboralltag heißt das zum Beispiel: möglichst wenig Abfall zu produzieren, energieintensive, teure Geräte effizient einzusetzen und unnötige Chemikalien zu vermeiden. Statt teurer Messgeräte könne man manchmal einfache Methoden wie den Mischschmelzpunkt nutzen, bei dem die Schmelztemperatur Hinweise auf die Identität und Reinheit eines Stoffes gibt, erklärt sie.

Auch Trennverfahren wie die Chromatographie lassen sich umweltfreundlicher gestalten, etwa durch den Einsatz von überkritischem Kohlendioxid oder durch den Austausch schädlicher Lösungsmittel gegen besser abbaubare Alternativen.

Ein Trumpf im Ringen um Nachhaltigkeit sind die Fachbereichswerkstätten. Dort fertigen Mitarbeitende nicht nur spezielles Equipment wie resourcensparende Heizplatten für Rundkolben, sondern reparieren auch teure Ausrüstung. „Vakuumpumpen sind ein typisches Beispiel“, sagt Frank Totzauer, Leiter der Werkstätten. Hunderte Pumpen halten auf dem Campus chemische Reaktionen am Laufen. Lässt ihre Leistung nach, bringen Wartung und Reparatur sie wieder in Schwung. Zu Totzauers Team gehören Fachleute für Elektronik, Mechanik und Glasbläserei.

Eigenen Fußabdruck messen

Den Erfolg der Sparmaßnahmen zu messen, ist jedoch schwierig. Die Kolleginnen und Kollegen der Stabsstelle Nachhaltigkeit und Energie der Freien Universität können den Stromverbrauch in einzelnen Gebäuden zwar tagesgenau verfolgen. Doch ein Anstieg kann auch ein gutes Zeichen sein: ein neues Forschungsprojekt, ein neues Gerät – und neue Erkenntnisse.

Am Fachbereich Physik hat das Team von Professor Jens Eisert eine Methode entwickelt, mit der Forschende selbst ausrechnen können, wie viele CO₂-Emissionen ein einzelnes Forschungsprojekt bis zur Publikation verursacht. Strom für Laser-Experimente und Computerberechnungen fließt ebenso ein wie Dienstreisen.

Eine Webseite liefert nach nicht einmal einer Stunde den Wert. Von der Höhe ihrer eigenen Emissionen waren die Physikerinnen und Physiker selbst überrascht, sagt Jens Eisert: „Man sollte sich klarmachen, wie hoch der eigene Beitrag ist, und das bei der Arbeit im Blick haben.“

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