zum Hauptinhalt
Glücksunterricht, Berthold-Otto-Schule

© Simone Dyllick-Brenzinger

Lachen auf Kommando: Montags steht „Glück“ im Stundenplan

An einer Berliner Schule ist Glück ein eigenes Fach. Was nach Utopie klingt, folgt einem Plan: Kinder sollen lernen, sich selbst zu stärken.

Stand:

Mathe, Deutsch, Bio – und Glück: Kein Elternwitz, sondern Realität an der Berthold-Otto-Schule in Berlin-Steglitz. Dort steht das Fach „Glück“ montags auf dem Stundenplan der Siebtklässler.

Die Privatschule in Steglitz gehört zu den wenigen Schulen in Deutschland, die Glück als eigenständiges Fach unterrichten. Seit zwei Jahren erhalten die Klassen 3, 5 und 7 jede Woche zwei Stunden Glücksunterricht. Wie sieht das aus?

Sieben Drittklässler sitzen auf Kissen auf einer Wiese neben dem Schulgebäude. „Wir starten mit Lachyoga“, sagt Glücks-Lehrerin Maike Szymanowski. Die Kinder stehen auf, schütteln sich durch – und lachen 15 Sekunden lang auf Kommando.

Glücks-Lehrerin Maike Szymanowski.

© Simone Dyllick-Brenzinger

„Ihr wisst ja: Wenn wir lächeln – auch wenn es künstlich ist – schickt das Gehirn Glücksboten durch den Körper. Unser Körper spürt dann: Meinem Menschen geht es gut!“ Was Szymanowski kindgerecht erklärt, sind Erkenntnisse der Neurobiologie – Grundlage der sogenannten „positiven Psychologie“. Es gilt, Ressourcen zu aktivieren und zu stärken.

In der Klasse 3 geht es heute um den Blick auf Probleme. Auf dem Boden liegt ein Blatt mit einer großen 6 drauf. Zumindest für Paul sieht es so aus. Für Maja auf der anderen Seite ist es ganz klar eine 9. „Es kommt drauf an, wie wir das betrachten“, so Maike Szymanowski.

Klingt erstmal abstrakt. Anschaulicher wird es, als eine Eiskarte in die Mitte gelegt wird. So viele leckere Sorten. Szymanowski schildert eine Situation: „Den ganzen Tag lang habt ihr euch auf euer Lieblingseis gefreut – und jetzt ist es ausverkauft.“ Aber: Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, die Situation zu betrachten.

Die „Opferbrille“: Warum immer ich?

Szymanowski verteilt schwarze Brillen – jede steht für eine Reaktion. Paul greift zur „Jammer-Brille“: „Mann, wie blöd!“. Levin setzt sich die „Opferbrille“ auf: „Warum muss das immer mir passieren?“. Fenja mit der „Neid-Brille“ improvisiert: „Der da vorne hat noch eine Kugel bekommen und schleckt die jetzt genüsslich!“. Wie sich die Kinder jetzt fühlen? Nicht gut!

Dann kommen bunte Brillen zum Einsatz: Maja setzt sich die Chancen-Brille auf: „Naja, dann nutze ich die Chance, mal was Neues zu probieren!“ Marlene greift zur Dankbarkeits-Brille: „Gut, dass es hier so viel Auswahl gibt und noch nicht alles ausverkauft ist!“

Die Botschaft: In schwierigen Momenten lohnt sich ein Perspektivwechsel – weg von der „schwarzen Brille“, hin zu einer positiveren Sicht auf die Dinge: „Wenn es schwierige Situationen gibt, dann überlegt doch mal, ob ihr gerade eine schwarze Brille aufhabt“, sagt Szymanowski. „Und setzt dann ganz bewusst eine bunte Brille auf.“

Ulrike Stutzky unterrichtet neben anderen Fächern auch Glück in Klasse 7.

© Simone Dyllick-Brenzinger

In Klasse 7 schlägt der Glücksunterricht eine Brücke zum „Kleinen Prinzen“, den die Klasse in Deutsch liest. Es geht um die gefährlichen Affenbrotbäume, die der kleine Prinz aus dem Boden zieht. Lehrerin Ulrike Stutzky knüpft hier an und fragt: „Was gibt es in uns für böse Samen gibt, die zerstören und krank machen können?“.

Hoch konzentriert schreiben die zwölf Jugendlichen ihre Antworten auf. Trauer, Wut, Mobbing, Liebeskummer, Angst.

Glücksjournal: Was gibt dir Kraft?

„Der Glücksunterricht ist fächerübergreifend“, so Ulrike Stutzky – es gibt Berührungspunkte zu Gesellschafts- oder Naturwissenschaften. Über das gesamte Schuljahr hinweg gestalten die Kinder ein individuelles „Glücksjournal“: Siebtklässlerin Luise hat hier beispielsweise aufgeschrieben, was ihr Kraft gibt: Freunde, ihr Hund, das Aikido-Training.

Anke Hinrichs, Schulleiterin der Berthold-Otto-Schule.

© Simone Dyllick-Brenzinger

„Es geht uns darum, dass die Kinder lernen, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen. Wir wollen die Selbstfürsorge und den Selbstwert stärken“, so Ulrike Stutzky, die neben „Glück“ auch Deutsch und Gesellschaftswissenschaften unterrichtet. Gemeinsam mit Maike Szymanowski hat sie eine einjährige Weiterbildung zum Glücksunterricht absolviert.

Schulleiterin Anke Hinrichs hat das von Beginn an unterstützt: „Uns war es wichtig, das zu ermöglichen.“ Die Berthold-Otto-Schule verstehe sich – ganz im Sinne des reformpädagogischen Gründers – eben nicht als ‚Lernfabrik‘.

„Wir wollen ein Ort sein, an dem die Kinder wirklich gesehen werden, auch mit ihren Sorgen und Nöten“, so Schulleiterin Hinrichs. Die Resonanz bei Eltern und Kindern sei durchweg positiv.

Was Paul, Fenja, Marlene und die anderen aus Klasse 3 heute in der Schule gelernt haben? Ja – lesen, schreiben, rechnen. Aber vielleicht noch etwas: „Glücklichsein.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })