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Stundenplan der Berthold-Otto-Schule

© Simone Dyllick-Brenzinger

Glück als Schulfach: „Psychisches Wohlbefinden lässt sich erlernen“

Sollte Schule neben Wissen auch Glück vermitteln? Der Psychologe Tobias Rahm erklärt, warum das sinnvoll wäre.

Stand:

Wie unterrichtet man Glück?
Das hängt von der Schule ab, denn einen verbindlichen Lehrplan gibt es nicht. Viele Lehrkräfte durchlaufen eine einjährige Ausbildung am Fritz-Schubert-Institut in Heidelberg und arbeiten mit dem dort entwickelten Konzept.

Für mich ist einer der wichtigsten Schwerpunkte emotionale Bildung: Kinder lernen, ihre Gefühle überhaupt erst wahrzunehmen – und zwar nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei anderen. Sie sollen differenzieren können: Was fühle ich gerade? Woher kommt das? Was macht mich eigentlich glücklich? Ziel ist es, Empathie und Beziehungskompetenz zu stärken.

Ist Schule nicht schon voll genug – warum soll da jetzt auch noch Glück auf den Stundenplan?
Schule soll junge Menschen gut aufs Leben vorbereiten – und da stellt sich die Frage, was sie dafür brauchen. Müssen alle Kurvendiskussionen lösen und Musiknoten lesen können? Oder geht es nicht auch darum, sich selbst und andere besser wahrzunehmen, zu lernen, wie man mit Krisen umgeht, Beziehungen führt, bei sich bleibt?

Angesichts der alarmierenden Zahlen zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist es höchste Zeit, dass wir Kompetenzen wie Resilienz, Selbstregulation, soziale Verantwortung und kognitive Flexibilität systematisch vermitteln – und zwar nicht erst dann, wenn’s brennt, und nicht nur für einige wenige, sondern präventiv und flächendeckend.

Reicht dafür nicht auch ein Gespräch mit der Schulsozialarbeiterin? Warum braucht es gleich ein eigenes Fach?
Ob es ein eigenes Schulfach braucht, ist eine komplexe Frage, die auch mit anderen notwendigen Veränderungen an unserem Schulsystem zusammenhängt.

Für mich ist aber klar: Wenn wir an der Schule dezidiert Zeit dafür einräumen, Glückskompetenzen zu trainieren, dann wäre das ein echter Game-Changer für die Prävalenz psychischer Erkrankungen. Und wir wissen längst: Psychische Gesundheit hängt auch mit Produktivität zusammen. Es ist also auch volkswirtschaftlich sinnvoll, dieses Feld stärker in den Blick zu nehmen.

Forschungsergebnisse aus der Neurowissenschaft, der klinischen Psychologie und der positiven Psychologie zeigen uns, dass psychisches Wohlbefinden kein Zufall ist, sondern sich zu einem gewissen Grad erlernen und trainieren lässt. Es gibt hier wissenschaftlich fundierte Techniken und Methoden – und die sollten wir gerade Kindern und Jugendlichen nicht vorenthalten. Das könnte ein Schulfach Glück leisten.

Hinzu kommt, dass wir aus der Bildungsforschung wissen, dass es an der Schule mehr bewertungsfreie Räume braucht. In „Glück“ gibt es keine Noten, Kinder machen hier die Erfahrung, wirklich gesehen zu werden. Auch das ist ein Argument für den Glücksunterricht. Emotionale Kompetenz ist kein Luxus. Sie ist Grundlage für ein gelingendes Leben – und sollte genauso selbstverständlich vermittelt werden wie das Einmaleins.

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