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Lebenmitteltechnologen forschen an veganen Brotaufstrichen, die wenig Zucker und wenig Fett enthalten.

© Pixabay/Bernadette Wurzinger

Lebensmittelforschung an der TU Berlin: Quo vadis, Brotaufstrich?

Nicht nur vegan, sondern auch ausgewogen: TU-Lebensmitteltechnologen forschen an Frischkäsealternativen, die weniger Zucker und Fett und dafür mehr Eiweiß haben.

Von Sybille Nitsche

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Julia Matysek und Robert Sevenich verbreiten Stress beim Latilactobacillus sakei. Ganz gezielt. Mit gepulsten elektrischen Feldern und Ultraschall erzeugen sie eine Umgebung, in der es für das Milchsäurebakterium ungemütlich wird. Dagegen setzt sich der Latilactobacillus sakei zur Wehr und produziert Exopolysaccharide (EPS). Und das ist genau der „Stoff“, auf den es die beiden Forschenden abgesehen haben.

Julia Matysek und Robert Sevenich arbeiten am TU-Fachgebiet Lebensmittelbiotechnologie und -prozesstechnik unter Leitung von Cornelia Rauh zusammen mit Wissenschaftlerinnen der belgischen Universität KU Leuven daran, vegane Brotaufstriche zu kreieren, die reich an pflanzlichen Proteinen sind, ohne deklarationspflichtige Zusatzstoffe auskommen und trotzdem cremig sind. Und dazu benötigen sie die Exopolysaccharide. Produkte ohne Zusatzstoffe werden zunehmend nachgefragt.

Hintergrund der Forschung ist, dass die derzeit erhältlichen veganen Frischkäsealternativen auf Basis von Mandeln, Hafer oder Erbsen zwar schon cremig und streichzart sind. Aber Cremigkeit und Geschmack gehen auf Kosten der Nährwerte. „Sie enthalten viel Zucker, viel pflanzliches Fett und eben viele deklarationspflichtige Zusatzstoffe.

Die Zusatzstoffe binden Wasser und wirken stabilisierend, sodass der Aufstrich eine cremige Textur behält. Zusammen mit Zucker sowie Kokos- oder Palmöl sorgen sie für das passende Mundgefühl und verhindern, dass sich die Bestandteile trennen. Durchschnittlich liegt der Zuckeranteil derzeit in veganen Aufstrichen bei zehn Gramm pro 100 Gramm und der Fettanteil bei 25 Gramm. „Pflanzliche Proteine dagegen machen in diesen veganen Aufstrichen nur einen Bruchteil aus“, sagt die Lebensmitteltechnologin Julia Matysek. Vegan, aber noch nicht sonderlich ausgewogen.

Das möchten Matysek und Sevenich ändern. Ihr Ausgangsprodukt ist eine aus Hanf-, Erbsen- und Kartoffelproteinen selbst hergestellte Pflanzenmilch mit einem deutlich geringeren Anteil an Zucker und Fett. Auf den Zucker kann nicht ganz verzichtet werden, da er als Nährstoff für die Fermentation benötigt wird. Diese Pflanzenmilch wird für die Fermentation mit dem Milchsäurebakterium Latilactobacillus sakei, kurz L. sakei, beimpft.

Die Fermentation von Pflanzenproteinen ist schwierig

Warum? Das Bakterium kann während der Fermentation Exopolysaccharide (EPS) bilden, die die Aufstriche cremig und streichzart machen. Somit können die oft zugesetzten Zucker und der hohe Fettgehalt in den veganen Brotaufstrichen nicht ersetzt, zumindest aber reduziert werden. „Zudem tritt durch die Fermentation der bohnige Geschmack der Pflanzenproteine in den Hintergrund und die säuerliche Note, wie man sie vom tierischen Käse kennt, wird präsent.

Da die Fermentation von Pflanzenproteinen jedoch schwierig ist im Gegensatz zur Fermentation von Tiermilch, werden die veganen Alternativen bislang künstlich durch die Zugabe von Säuerungsmitteln angesäuert. Wir suchen jedoch nach einem natürlichen Weg. Unseren Kolleginnen in Leuven ist es gelungen, das Milchsäurebakterium L. sakei zu identifizieren, das in der Lage ist, Pflanzenmilch optimal in Hinblick auf die Bildung von EPS zu fermentieren“, so Matysek.

Neben dem Weg der Fermentation bei unterschiedlichen Temperaturen experimentieren Julia Matysek und Robert Sevenich noch mit zwei anderen Technologien: Bei diesen wird der L. sakei vor der Fermentation, wie eingangs erwähnt, mit gepulsten elektrischen Feldern und Ultraschall gestresst.

Mit diesen zwei neuartigen Verfahren untersuchen sie, welchen Einfluss das Stressen der Bakterien auf deren EPS-Bildung hat. Diese Verfahren haben vor allem das Ziel, viel EPS in wirtschaftlich vertretbarer Zeit herzustellen, um den Prozess aus dem Labor- in den Industriemaßstab zu überführen. Denn er soll explizit für kleine und mittelständische Unternehmen anwendbar werden. Das Projekt „Vegan Spreads“ wird im Programm zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie auf belgischer Seite durch die Agentschap Innoveren en Ondernemen gefördert.

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