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Theresa Hamilton, Leiterin des Grund-Bildungs-Zentrums Berlin

© Dorothee Nolte

Zeichen der Offenheit: Das Alpha-Siegel heißt alle willkommen

Vielen Menschen ist es peinlich, dass sie nicht gut lesen und schreiben können. Organisationen mit Alpha-Siegel gehen auf ihre Bedürfnisse ein.

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Der rechte Arm in Gips: Wie soll man da schreiben, ein Formular ausfüllen können? Die Geschichte einer Frau, die sich den Arm mit Bastelgips beschmierte, um ihre Lese- und Schreibprobleme zu kaschieren, gehört zu den spektakuläreren, die Theresa Hamilton erzählen kann.

„Der Klassiker ist: Ich habe meine Brille vergessen, oder: Ich nehme das mit nach Hause“, sagt die Leiterin und Mitbegründerin des Grund-Bildungs-Zentrums Berlin. Vielen Menschen ist es peinlich, dass sie nicht gut lesen und schreiben können, denn sie haben oft genug erlebt, welche Reaktionen das auslösen kann: Ey, bist du blöd? Warst du nicht in der Schule?

In den Regalen des hellen Erdgeschossraums an der Paretzer Straße in Wilmersdorf liegen Lehrmaterialien, Bücher und Boxen rund um das Thema Grundbildung. Eine Box zeigt das „Alpha-Siegel“: Es ist ein grüner Kreis, der drei Smiley-Köpfchen und ein aufgeschlagenes Buch mit Frage- und Ausrufezeichen umschließt.

Zeigt an, dass eine Organisation grundbildungssensibel ist: das Alpha-Siegel.

© Grund-Bildungs-Zentrum Berlin

„Wenn eine Organisation dieses Siegel am Eingang anbringt, dann können gering literalisierte Menschen erkennen, dass sie hier willkommen sind“, erklärt Hamilton. Dass sie keine negativen Reaktionen zu befürchten haben, sondern Unterstützung erwarten können.

Gleichzeitig soll das Siegel bei denen, die gut lesen und schreiben können, das Bewusstsein dafür wecken, dass mangelnde Grundbildung viele Menschen betrifft: Laut LEO-Studie von 2018 sind in Deutschland 6,2 Millionen Menschen nicht in der Lage, flüssig zu schreiben und längere Texte zu verstehen.

Rund 50 Organisationen in Berlin haben das Alpha-Siegel bereits erworben, darunter Jobcenter, eine Kita, Stadtteilzentren, eine Arztpraxis ist derzeit im Prozess. Hamiltons Vision ist, dass das Siegel in Zukunft im Stadtbild überall zu sehen sein wird. Denn: „Alle, die mit Menschen, mit Kunden zu tun haben, sollten sich damit auseinandersetzen, dass ein nennenswerter Teil ihrer Kontakte zum Beispiel ihre Flyer, Webseiten, Gebrauchsanweisungen, Wegbeschreibungen, Formulare nicht versteht“, sagt sie.

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Organisationen, die das Alpha-Siegel erwerben möchten, können im Grund-Bildungs-Zentrum Sensibilisierungsworkshops besuchen und lernen dort unter anderem, wie sich Materialien inklusiver gestalten lassen: mit Bildern, Piktogrammen, kürzeren Texten in einfacher Sprache.

Theresa Hamilton nennt Beispiele: „Ein Foto der Häuserfront einer Organisation ist für Menschen mit Lese-Rechtschreib-Schwäche leichter zu erfassen als nur ein Straßenname. Die Leitsysteme in großen Gebäuden sollten mit großen Piktogrammen darauf ausgerichtet sein, dass alle Menschen sich leicht orientieren können. Das ist auch hilfreich für Senioren oder Menschen mit Sehbehinderung.“

Wenn eine Organisation Mitarbeiter geschult und Materialien überarbeitet hat, entscheidet eine Jury, ob ihr das Alpha-Siegel – zunächst für zwei Jahre – verliehen werden kann. Entscheidend dabei ist das Votum der Betroffenen oder „Lerner-Expert:innen“. Armgipse und andere Vermeidungsstrategien können sie sich sparen: Hier ist ihre Kompetenz gefragt.

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