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Vielfalt in der Arbeitswelt: Mit Widerständen umgehen
Unsichere, Erschöpfte, Paradiesbewohner und Gegner: Vier Typen von Diversity-Skeptikern – und wie man sie erreicht.
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Auch das noch! Diversity. Da hat man schon so viel zu tun, kommt kaum hinterher, muss ständig neue Vorgaben umsetzen, und dann soll man sich mit Gedöns abgeben. Anti-Diskriminierungstraining. Geht’s noch?
Katrin Ehrhardt de Carrión und Emily Verhee kennen diese Reaktion, die Diversity-Trainern und -Trainerinnen nicht selten entgegenschlägt. Viele Personalverantwortliche und Mitarbeitende seien schlichtweg müde: „Die Skepsis gegenüber Diversity-Themen hat in diesen Fällen nichts mit bösem Willen zu tun, sondern mit Überforderung“, sagt Ehrhardt de Carrión. Emily Verhee und sie arbeiten als Trainerinnen und Projektleiterinnen für die Carl Duisberg Centren in Köln, die interkulturelle und Diversity-Workshops für Unternehmen anbieten.
In ihrer Arbeit und der ihrer Kolleginnen stellen sie immer wieder fest: Es gibt vier verschiedene Typen von „Diversity-Skeptikern“, auf die sie unterschiedlich eingehen müssen: die „Erschöpften“, die „Unsicheren“, die „Paradiesbewohner“ und die „Gegner“.
Mit den „Erschöpften“ ist es noch vergleichsweise einfach. „Oft sagen sie: Jetzt sind erstmal andere Themen dran, wie KI oder Nachhaltigkeit“, berichtet Emily Verhee. „Dann versuchen wir deutlich zu machen, dass Diversity ein Querschnitt-Thema ist und alles andere, auch KI und Nachhaltigkeit, ebenso betrifft.“
Die Arbeit in diversen Teams ist zunächst anstrengender als in homogenen Teams.
Katrin Ehrhardt de Carrißon, Projektleiterin Carl Duisberg Centren
Wenn man Diversity gleich mitdenke – welche Gruppen sind von Neuerungen auf welche Weise betroffen, wie können wir unsere KI-, Recruitings- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen von vornherein diversitätssensibel aufstellen – , spare man am Ende sogar Zeit. Und das ist ein Argument, das bei „Erschöpften“ durchaus ankommt.

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Allerdings, schränkt Katrin Ehrhardt de Carrión ein: „Man sollte sich keine Illusionen machen: Zunächst einmal ist die Arbeit in diversen Teams anstrengender als in homogenen Teams, es gibt mehr Klärungs- und Abstimmungsbedarf. Aber dafür auch mehr kreative Lösungen, Chancengerechtigkeit und Zufriedenheit.“
Klärungsbedarf hat vor allem die zweite Gruppe der Diversitäts-Skeptiker: die „Unsicheren“. „Sie haben Angst, etwas falsch zu machen, verstehen nicht, warum sie plötzlich bestimmte Wörter nicht mehr benutzen sollen, es ist ihnen alles zu kompliziert“, sagt Emily Verhee.
Hier kommt es darauf an, deutlich zu machen: Unsicherheit ist normal, wichtig ist vor allem, sich überhaupt für die Perspektiven anderer Gruppen zu öffnen. Etwa sich damit zu beschäftigen, warum ein dunkelhäutiger, in Deutschland geborener Kollege auf die Frage „Woher kommst du?“ allergisch reagiert.
Für die „Paradiesbewohner“ ist dieser Weg noch weit, denn sie leben in einer eigenen Welt, in der sie keine Diskriminierungen erkennen. Ich habe mir meine Stellung hart erarbeitet, das können die anderen doch auch! Warum stören sich die Kolleginnen daran, wenn ich Bemerkungen über ihr Äußeres mache, war doch nett gemeint! „Vielen fehlt die Bereitschaft, ihr Paradies zu verlassen und sich mit unbequemen Wahrheiten auseinanderzusetzen“, sagt Ehrhardt de Carrión.

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In den Trainings geht es daher darum, Fakten über Diskriminierung, etwa über die unterschiedliche Repräsentanz von Frauen oder Menschen mit Migrationsgeschichte in Führungspositionen zu vermitteln. Und deutlich zu machen: Auch wer sich individuell nicht diskriminierend verhält, sollte anerkennen, dass es strukturelle Benachteiligungen gibt.
Die letzte Gruppe, die „Gegner“, ist naturgemäß die schwierigste. Sie kommen nicht freiwillig ins Diversity-Training, sondern weil sie dazu verpflichtet wurden, und tragen ihren Unwillen offen zur Schau. „Wenn jemand tatsächlich rassistisch, sexistisch, homophob ist, dann ist er für uns in einem kurzen Training nicht zu erreichen“, sagt Ehrhardt de Carrión. Es gebe jedoch einige Übungen, um einen Perspektivwechsel zu entwickeln.
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Beim „Privilege Walk“ zum Beispiel erfahren die Teilnehmenden auf anschauliche Weise, welche Vor- oder Nachteile sie gegenüber anderen haben, je nach Geschlecht, Hautfarbe, Alter und körperlichen Fähigkeiten. Andere Übungen ermuntern dazu, sich in die Lage von anderen zu versetzen, Empathie zu entwickeln. „Etwa so: Stellen Sie sich vor, Sie bekommen ein Enkelkind, das sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lässt. Wie wird sich das Kind fühlen, wenn es das Gefühl hat, nirgends dazuzugehören?“
„Wichtig ist auch, eine zielgruppengerechte Ansprache zu verwenden: benötigt mein Gegenüber eher Zahlen-Daten-Fakten – oder ist es wirkungsvoller, persönliche Erfahrungen zu teilen?“ Dabei sei Authentizität entscheidend.
Um Gegner nicht gleich abzuschrecken, helfe es manchmal auch, den Seminartitel breiter zu formulieren. „Spreche ich von Diversity oder lege ich im Titel den Fokus auf einen konkreteren Aspekt, zum Beispiel auf Chancengleichheit, unbewusste Denkmuster, internationale Teams? Diese Titel sind immer noch allgemein genug, um Raum für die unterschiedlichsten Schwerpunkte zu bieten“, so Verhee.
Es gebe kein Allheilmittel, um die Gruppe der Gegner zu erreichen. Mancher bleibt einfach bei seiner Blockadehaltung. Aber Emily Verhee kann auch berichten: „Es kommt durchaus vor, dass gerade sehr kritische Teilnehmende uns hinterher, oft Wochen später, ansprechen und sagen: Sie hätten noch einmal nachgedacht und festgestellt: An diesem oder jenem Punkt möchten sie ihr Verhalten jetzt ändern.“
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