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Kleiner Pieks, große Wirkung: Warum die HPV-Impfung Krebs verhindern kann
Jugendliche können durch die Immunisierung geschützt werden. Doch sie ist immer noch zu wenig bekannt. Wie kann man das ändern?
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Verhindern, dass Krebs überhaupt entsteht, das ist einer der ganz großen Menschheitsträume. Der persönliche Lebensstil kann einen Beitrag zu seiner Erfüllung leisten. Trotzdem wird der Wunsch wohl nicht in vollem Umfang erfüllbar sein.
Es gibt aber Ausnahmen von der unerbittlichen Regel der bösartigen Zellveränderungen: Sofern Infektionen bei der Entstehung einer Krebserkrankung eine Rolle spielen, ist es denkbar, sich dagegen durch eine Impfung zu schützen – wie gegen Kinderlähmung und Diphtherie, Masern oder Gürtelrose.
Das Paradebeispiel sind Humane Papillomaviren (HPV), die Gebärmutterhalskrebs, aber auch Tumoren im Kopf und im Hals, am Penis und in der Analregion auslösen können, und für deren Entdeckung der deutsche Forscher Harald zur Hausen im Jahr 2008 den Medizin-Nobelpreis bekam.
Die Stiko empfiehlt die Impfung seit 2007
Seit 2007 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die Impfung gegen Humane Papillomaviren für Mädchen, seit 2018 auch für Jungen im Alter von neun bis 14 Jahren.
Die aktuelle HPV-Impfempfehlung sieht grundsätzlich ein Impfschema mit zwei Dosen im Abstand von mindestens fünf und höchstens 13 Monaten bei Mädchen und Jungen im Alter von neun bis 14 Jahren vor.
Auch spätere Nachholimpfungen sind möglich. Ab einem Alter über 14 Jahren ist ein Drei-Dosen-Impfschema erforderlich. Die Kosten für die Impfungen von Kindern zwischen neun und 14 Jahren sowie für Nachholimpfungen bis zum 18. Geburtstag übernehmen die Krankenkassen.
Der Impfschutz hält über Jahrzehnte an
Früh zu impfen ist vernünftig, weil der Schutz über Jahrzehnte anhält. Die über 200 Genotypen von HPV werden durch winzige Verletzungen der Haut oder Schleimhaut übertragen, wie sie sich im Rahmen intimer Kontakte ergeben.
Der Impfschutz soll dem sinnvollerweise zuvorkommen. Studien zeigen zudem, dass dabei die Immunantwort bei Kindern stärker ausfällt als bei Erwachsenen. Kondome können übrigens gegen HPV nicht sicher schützen.
Es stimmt zwar, dass der Kontakt mit einem der HP-Viren in den meisten Fällen ohne Folgen bleibt und der Körper die Infektion „wegsteckt“. Oft sind sie aber auch der Auslöser für lästige Haut- oder Genitalwarzen. Und im schlechtesten Fall kann aus einer Infektion – vor allem mit HPV 16 oder 18 – Krebs entstehen.
Weltweit ist Gebärmutterhalskrebs die vierthäufigste Krebserkrankung von Frauen. Dank des seit Jahrzehnten in der gynäkologischen Früherkennung eingesetzten PAP-Abstrichs werden in Deutschland häufig schon Vorstufen dieser Erkrankung entdeckt und können erfolgreich behandelt werden.
Die chirurgische Entfernung von Zellveränderungen (Dysplasien) am Gebärmutterhals, bekannt als Konisation, ist dann ein Segen, erhöht aber auch die Gefahr, später eine Frühgeburt zu erleiden.
Studien belegen den Impferfolg
Studien, die als Beweis dafür taugen, dass die HPV-Impfung das Krebsrisiko in nennenswerter Weise senkt, haben naturgemäß einen langen Vorlauf. Denn bis sich nach einer Infektion mit dem Virus ein Zervix-Karzinom entwickelt, vergehen oft Jahrzehnte.
Inzwischen belegen aber einige große Studien den Erfolg. So erschien im Jahr 2020 eine Untersuchung aus Schweden, wo die Impfung 2006 eingeführt wurde. Ausgewertet wurden die Daten von fast 1,7 Millionen Frauen. Teilnehmerinnen, die bei der Impfung unter 17 Jahre alt waren, hatten ein 88 Prozent niedrigeres Risiko, Gebärmutterhalskrebs zu entwickeln als Ungeimpfte.
Die Impfung macht unfruchtbar? Das konnte nicht bestätigt werden
Das spricht für die Impfung. Spricht auch etwas dagegen? Nach einem Fallbericht aus Australien, wo bei einer 16-Jährigen gegen HPV Geimpften die Monatsblutungen aussetzten und eine frühzeitige Erschöpfung (Insuffizienz) der Eierstöcke diagnostiziert wurde, kursierte im Internet die Behauptung, diese Impfung mache unfruchtbar.
Verschiedene kleinere Studien konnten diesen Verdacht nicht bestätigen. Trotzdem blieb es bei den Warnungen im Netz. Schließlich starteten dänische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen eine gigantische Nationale Kohortenstudie, für die Daten von fast einer Million Mädchen und Frauen im Alter zwischen elf bis 34 Jahren ausgewertet wurden, je zur Hälfte geimpft und ungeimpft.
Die Ergebnisse wurden 2021 in der renommierten Fachzeitschrift „JAMA“ veröffentlicht. Die Diagnose „primäre ovariale Insuffizienz“ war in beiden Gruppen gleich selten, auch bei den (deutlich häufigeren) Zyklus-Unregelmäßigkeiten zeigten sich keine Unterschiede.
Die Ergebnisse ihrer groß angelegten Studie seien geeignet, die Bedenken von Eltern zu zerstreuen, resümieren deren Autoren und Autorinnen. Und sie betonen, dass es eigentlich umgekehrt sei, denn schließlich schütze die Impfung junge Frauen vor Infektionen, die die Fruchtbarkeit bedrohen. „Deshalb ist ihre etwas schleppende Aufnahme in vielen Ländern entmutigend.“
Impfschutz ist auch bei Jungen gegeben
Das Argument gilt auch für den Impfschutz der Jungen: Eine 2024 in den „Health Science Reports“ veröffentlichte Untersuchung zeigt, dass HPV-Infektionen auch für die männliche Fruchtbarkeit eine Gefahr darstellen, weil sie die Spermien-Qualität verringern können.
Dazu kommt, dass die anderen schon genannten durch HPV ausgelösten Krebsarten auch sie bedrohen. Doch in Deutschland sind die Impfquoten bei den Jungen nach wie vor rund 20 Prozent niedriger als die der Mädchen, von denen rund die Hälfte geimpft ist.
„Sicher ist ein Mix an Maßnahmen nötig, um die Impfquoten zu steigern“, sagt die Ärztin und Epidemiologin Anja Takla, die im Fachgebiet Impfprävention/STIKO in der Abteilung für Infektionsepidemiologie des Robert Koch-Instituts (RKI) tätig ist und eine Interventionsstudie zur Steigerung der HPV-Impfquoten in Deutschland (InveSt HPV) leitet. „Zwei Dinge sind dabei relevant: Zugang zu den Impfangeboten und Vertrauen in deren Wirksamkeit und Sicherheit.“
Sicher ist ein Mix an Maßnahmen nötig, um die Impfquoten zu steigern.
Anja Takla, Epidemiologin am Robert-Koch-Institut
Beides soll etwa das 2013 im Stadtstaat Bremen begonnene Programm verbessern, wo in allen achten Klassen Informationen für die Familien verteilt werden und den 13- bis 14-Jährigen, die bisher noch nicht geimpft wurden, ein Angebot dafür in der Schule selbst gemacht wird. Bisheriges Fazit: Ein Drittel der bisher Ungeimpften nimmt das Angebot an. „Ein echter Game-Changer hin zu Impfquoten über 80 bis 90 Prozent ist das allein leider nicht“, resümiert Epidemiologin Takla. Gute Erfahrungen mit schulischen Impfprogrammen ließen sich offensichtlich nicht ohne weiteres von Land zu Land übertragen.
Was nach heutiger Datenlage aber festgestellt werden könne: „Fast alle Länder mit guten Impfquoten haben ein strukturiertes Impfprogramm und ein Erinnerungssystem.“ Und darüber verfügt Deutschland für jüngere Kinder prinzipiell auch, denn die Vorsorgeuntersuchungen U3 bis U9 sind mit Zeitpunkten für Impfungen koordiniert, die die STIKO empfiehlt.
„Zu diesen Untersuchungen gehen praktisch alle, doch für danach fehlt ein Erinnerungssystem“ bedauert Anja Takla. Dabei ist erwiesen, dass zwölfjährige Mädchen, die an der Jugenduntersuchung J1 teilnehmen, eine siebenfach höhere Wahrscheinlichkeit haben, sich gegen HPV impfen zu lassen.
Hoffnungen setzt Takla auch in eine neue U10 mit 9 bis 10 Jahren, deren Einführung derzeit vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geprüft wird. Beide Vorsorgetermine bieten Ärzte und Ärztinnen Gelegenheit, den Familien eine gute Nachricht zu übermitteln und sie im Detail zu erläutern. Kurzfassung: Ihr träumt nicht, es gibt wirklich eine Impfung gegen Krebs.
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