
© REUTERS/AMR ABDALLAH DALSH
Journalisten in Ägypten: Der Kampf für Wahrheit und Transparenz
Ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis: Joseph Kamel beschreibt, wie Journalisten unter Präsident Abdel Fattah El-Sisi drangsaliert werden.
Stand:
Im vergangenen Januar haben ägyptische Sicherheitskräfte den Rundfunksprecher Ahmed Serag verhaftet. Sein Vergehen: Er hatte ein Videointerview mit der Frau des Karikaturisten Omar Ashraf geführt, der seit Juli 2024 wegen seiner Karikaturen inhaftiert ist. In den Karikaturen kritisierte Omar Ashraf die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse des Landes .
Der Interviewer Ahmed Serag wurde wegen „Beitritts zu einer terroristischen Vereinigung, Verbreitung falscher Nachrichten und Förderung terroristischer Ideen“ angeklagt und bleibt trotz zahlreicher Anträge zu seiner Freilassung in Haft.
Dieser Fall ist ein Beispiel für die gravierende Verschlechterung der Pressefreiheit in Ägypten nach einem Jahrzehnt unter der Herrschaft von Präsident Abdel Fattah El-Sisi. Heute gehört Ägypten zu den Ländern mit den schlechtesten Bedingungen für die Medienfreiheit und ist mit derzeit 24 inhaftierten Journalisten eines der Länder mit den meisten inhaftierten Journalisten weltweit. Die meisten von ihnen sind seit über zwei Jahren ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis.
Nach der ägyptischen Revolution vom 25. Januar 2011 bemühte sich El-Sisi, damals Chef des militärischen Geheimdienstes, um die Schaffung von so genannten „Medienarmen“, die loyal zur Armee stehen.
Als er 2014 nach dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Mohamed Morsi an die Macht kam, genossen die Medien und der Journalismus noch eine gewisse Freiheit – eine Tatsache, die Sisi immer wieder verärgerte und ihn dazu veranlasste, sie systematisch abzubauen.
Der Geheimdienst kaufte Fernsehsender auf
Im Jahr 2016 starteten die ägyptischen Behörden eine mehrstufige Kampagne zur Verstaatlichung und Unterdrückung von unabhängigem Journalismus und Medien.
Staatliche Zeitungen und Fernsehsender wurden schnell zu Sprachrohren des neuen Regimes. Um die totale Kontrolle über die Medien zu gewährleisten, hat der ägyptische Geheimdienst über Tarnfirmen Dutzende von privaten Zeitungen, Nachrichten-Websites und Fernsehsendern aufgekauft und nur wenige in den Händen von Geschäftsleuten, die der Regierung nahestehen, gelassen.
Auf einer anderen Ebene sahen sich Medien und Journalisten, die sich weigerten, in den Chor der Regierungsbefürworter einzustimmen, mit noch nie dagewesenen Einschränkungen konfrontiert. Nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ wurden in den letzten zehn Jahren mindestens 170 Journalisten und Medienmitarbeiter inhaftiert.
Seit 2017 hat die ägyptische Regierung Dutzende von Websites ohne richterliche Anordnung verboten, um zu verhindern, dass diese unabhängigen Nachrichtensender ihr Publikum erreichen, und so zahlreiche Plattformen faktisch stillgelegt.
Gleichzeitig führten die Behörden Gesetze ein, die die journalistische Tätigkeit einschränken, die Informationsfreiheit begrenzen, die Sperrung von Websites aus vagen Gründen legalisieren und Hindernisse schaffen, die es unabhängigen Nachrichten-Websites erschweren, eine Betriebslizenz zu erhalten.
Korrespondentin der Times wurde ausgewiesen
Zu den betroffenen Plattformen gehört Mada Masr, eine bekannte unabhängige Nachrichtenagentur, die seit Jahren versucht, eine Betriebslizenz zu erhalten, was von den Behörden immer wieder abgelehnt wurde.
Das harte Durchgreifen hat auch Journalisten im Exil erreicht, deren Familien ins Visier der Behörden geraten sind. Im August 2023 wurde der Vater des Journalisten Ahmed Ziada verhaftet – offenbar als Vergeltungsmaßnahme für seine Rolle als Chefredakteur von Zawia3, einer kürzlich blockierten Plattform.
Um den Kreis der Unterdrückung zu schließen, unterlagen auch ausländische Medien umfassenden Beschränkungen bei der Berichterstattung über ägyptische Angelegenheiten. Im Jahr 2018, kurz vor den umstrittenen Präsidentschaftswahlen, verwiesen die ägyptischen Sicherheitskräfte zum Beispiel Bel Trew, eine Korrespondentin der Times, des Landes, nachdem sie sieben Stunden lang festgehalten und ihr mit einem Militärgerichtsprozess gedroht wurde, falls sie Ägypten nicht sofort verlasse.
Widerstand gegen das harte Vorgehen
Trotz dieser harten Bedingungen kämpfen einige wenige unabhängige Medien weiterhin für die Wahrheit und bemühen sich, die von der ägyptischen Regierung aufgestellten Hindernisse zu überwinden.
Um die von der Regierung verhängten Webseitensperren zu umgehen, stellen viele Nachrichtenplattformen ihre Inhalte direkt über soziale Medienkanäle wie Facebook und X zur Verfügung, während andere ihre Domain-Namen häufig ändern, wenn ihre Websites gesperrt werden.
Viele unabhängige Kanäle in Ägypten, wie Matsdaash und SaheehMasr haben ihren Tätigkeitsbereich über die traditionelle Berichterstattung hinaus erweitert, indem sie Open-Source-Recherchen und Berichte mit öffentlich zugänglichen Online-Ressourcen und technischen Hilfsmitteln einbeziehen. Dieser Ansatz hat beim Publikum großen Anklang gefunden.
Darüber hinaus haben diese Medien alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel genutzt, um gegen Lizenzierungshindernisse und Webseitensperren vorzugehen, und häufig Klagen eingereicht, um ihre Rechte durchzusetzen. Sie arbeiten auch eng zusammen, um die Pressefreiheit zu verteidigen, indem sie die Geschichten von inhaftierten Journalisten veröffentlichen.
Während die ägyptische Regierung ihre jahrzehntelange Unterdrückung der Medienfreiheit fortsetzt, ist der Überlebenskampf des unabhängigen Journalismus nicht nur ein Kampf für die Pressefreiheit, sondern auch ein umfassenderer Kampf für Wahrheit, Rechenschaftspflicht und das Grundrecht der Ägypter auf Zugang zu zuverlässigen Informationen.
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