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Prunkvoller geht es kaum: Schloss Fontainebleau

© Mistervlad - stock.adobe

Kreuzfahrt auf der Seine : Oh, Schloss Fontainebleau

Auf einer kombinierten Schiffs-/Radreise lässt sich Frankreich gemächlich entdecken. Nur 20 Passagiere passen auf die MS „Fleur“ und machen es sich abends an Deck gemütlich.

Stand:

Diese Kastanienallee will nicht enden. Wie herrlich, hier entlangzuradeln. Zwischen den Baumstämmen, rechts und links, erhaschen wir immer wieder den Blick auf frisches Wiesengrün. Früher sind Könige, Kaiserinnen und Adlige hier mit der Kutsche entlanggefahren. Ihr Ziel ist unser Ziel: Schloss Fontainebleau. Welch eine Pracht! 1528 wurden für den Renaissancebau die ersten Steine  geschichtet. Heute befinden sich mehr als 1500 Zimmer in der monumentalen Anlage, fünf Höfe gehören dazu.  

Natürlich sind Touristen da, aber weniger als befürchtet. Dabei befinden wir uns nur 60 Kilometer südlich von Paris. „Die meisten ausländischen Besucher fahren immer noch nach Versailles“, erklärt die Frau an der Kasse. So haben wir Platz in den Prunkräumen, können Gemälde, Möbel, Geschirr und Tafelsilber bestaunen. Die Zimmerfluchten hatte Napoleon I. gestalten lassen – und er würde sie unverändert vorfinden. Draußen dann, im umgebenden Landschaftspark, finden wir sogar eine freie Sitzbank.

Leider entdeckt uns Marcel und sagt, ein bisschen streng: „Wir müssen jetzt weiter, wir haben heute noch einiges vor uns.“ Marcel ist unser holländischer Radreiseführer, mit dem wir frühmorgens in Moret-sur-Loing gestartet sind. In dem beschaulichen Ort hatte die MS „Fleur“ für die Nacht festgemacht.

Klein, aber oho: die MS „Fleur“

© Hella Kaiser

Ein paar Stunden zuvor waren wir an Bord gegangen. Wobei das Wort „Bord“ in diesem Fall ein wenig großspurig klingt. Das Schiffchen ist nur 39 Meter lang und fünf Meter breit. Mehr als 20 Passagiere passen nicht rein. Die finden durchdacht eingerichtete Kabinen mit einer jeweils erstaunlich geräumigen Dusche. An die schmalen, steilen Treppen, die hinunterführen, gewöhnt man sich schnell. Man ist ja eh nur zum Schlafen unter Deck.  

Abendessen und Frühstück wird mit Blick aufs Wasser serviert. Wer frische Luft möchte, lässt sich später noch mit Weinglas oder Kaffeetasse auf dem offenen Vordeck nieder. Hier sind auch die Leihräder verstaut, die Marcel für uns sorgfältig angepasst hat. „Normale“ sind vorhanden, aber auch E-Bikes. „Im Grunde ist die Gegend flach, aber der eine oder andere Hügel ist schon dabei“, hatte er gewarnt. Wir entscheiden uns für E-Bikes, ausnahmsweise.  

Keine schlechte Idee. Denn teilweise fahren wir auf Landstraßen, wo uns ein heftiger Wind entgegenweht. Viele Autos stören zwar nicht, aber dennoch preisen wir insgeheim die Brandenburger Radwege. Und sind froh, wenn Marcel wieder auf Pfade abseits der Straßen einbiegt. Was wären wir ohne ihn? Wir radeln einfach hinterher, lassen unsere Gedanken fliegen und kümmern uns nicht um den Streckenverlauf.  

Mit dem Rad durchs Grüne: Hier unterwegs in der Kastanienallee nach Fountainebleau.

© Hella Kaiser

Ohne Marcel hätten wir den Weg zum verwunschenen Wald Fontainebleau gar nicht gefunden. Riesige Steine liegen kreuz und quer, so als hätte sie Goliath in einem Wutanfall hier hingeworfen.

Vielfach wurde dieser Wald gemalt, von jenen Pariser Künstlern, die sich um 1830 erstmals im unweit gelegenen Dorf Barbizon getroffen haben. Théodore Rousseau, Jean-Francois Millet und Gustave Courbet etwa gehörten dazu. Es war der Beginn einer Bewegung, die später als „Schule von Barbizon“ in die Kunstgeschichte einging.  

Steine, wie von Goliath hingeworfen: Wald von Fontainebleau

© Hella Kaiser

Mehrere der alten, landestypischen Steinhäuser mit grünen und blauen Fensterläden sind inzwischen zu kleinen Museen geworden, es gibt Galerien und Cafés. An diesem Wochentag im Sommer spazieren nur wenige Besucher durch das reizvolle Dorf. Kein Gedrängel im Musée des Peintres von Barbizon. Die Keimzelle bildet das einstige Atelier von Théodore Rousseau, schon 1927 eingerichtet. 1975 schlossen sich zwei Nachbargebäude an, darunter die L’Auberge Ganne.

Das Mobiliar ist erhalten – und bemalt

Hier schlüpften Malerkollegen bei ihren Aufenthalten unter, trafen sich gemeinsam im Speisesaal. Und bemalten mir nichts, dir nichts das Mobiliar: einen Schrank, Türrahmen und Wände. Porträts, Graffiti und lustige Sprüche prangen nun dort, alles ist erhalten. Man kann sich vorstellen, wie viel Spaß die Künstler zusammen hatten.

Bemalt von Künstlerhand: die L’Auberge Ganne in Barbizon.

© Hella Kaiser

Natürlich hängen auch viele originale Bilder an den Wänden. Immer wieder ist der Wald darauf zu sehen, in dem sie sich so oft aufgehalten haben. Millet mietete 1849 für sich und seine Familie ein Haus in Barbizon. Viel günstiger als in Paris, schwärmte er. Ein paar Monate wollte er bleiben – und zog nie mehr fort.

Im Wald lauschte er den Bäumen, war sich sicher, dass sie miteinander sprachen, auch wenn er sie nicht (natürlich) nicht verstehen konnte. Auch das Atelier Millet ist zum Museum geworden.

Weiter geht es bis Melun, wo unser Schiff auf uns wartet. Der italienische Koch hat ein Drei-Gänge-Menü zubereitet, und erst jetzt merken wir, wie hungrig wir sind. Auch E-Bikes müssen bewegt werden. Und die Lunchpakete hatten wir schon mittags vertilgt. Wir werden satt an diesem Abend, hätten uns das Essen aber ein wenig raffinierter und regionaler gewünscht.

1964 als Frachtschiff gebaut

Die Betten unserer Kabinen sind picobello gemacht, höchstselbst erledigt von unserer Schiffsführerin Steffie. Neben ihr gehören noch zwei Matrosen zur Crew. Die MS „Fleur“ wurde 1964 als Frachtschiff gebaut und 2002 zum Passagierschiff umgebaut. 2018 kaufte es Steffie gemeinsam mit ihrem holländischen Mann. Seither steuern sie das Schiffchen abwechselnd durch Frankreich. „Es ist ideal für die Flusslandschaften“, sagt Steffie, „größere Schiffe passen nicht durch die Nebenflüsse der Seine.“

Betrieben wird die „Fleur“ mit Diesel, aber der Energiebedarf, etwa für die Klimaanlage, wird immerhin zu einem Viertel durch Solarpaneele auf Deck genutzt. Aus dem Hahn fließt Trinkwasser, dass wir es beim Duschen sparsam verwenden, versteht sich von selbst. 

Blick von der Seine-Brücke aufs Rathaus von Corbeil-Essonnes.

© Hella Kaiser

Wir fühlen uns schnell zu Hause auf unserem schwimmenden Untersatz. Am dritten Tag verlassen wir ihn noch für eine Radtour entlang der Seine, bis nach Corbeil-Essonnes. Nun sind es nur noch knapp 30 Kilometer bis Paris. Bordzeit.  Schöner als auf einem Schiff kann man in der französischen Hauptstadt nicht ankommen. Langsam nähern wir uns dem Liegeplatz am Port L’Arsenal – und sind von hier aus binnen weniger Minuten an der Place de Bastille.

Am Abend testen wir die Pariser Bars rundherum, bevor wir uns auf der MS Fleur zum letzten Mal Gute Nacht wünschen. Dieser Kurztrip, der so nicht buchbar ist, macht Lust auf die reguläre Sieben-Tage-Tour, die von Paris nach Montargis führt. 150 Kilometer wären das mit dem Auto. Wie langweilig. Die Schiffs-Radreise ist eine tolle Alternative, auf der man Frankreich im wahrsten Sinne des Wortes erfahren kann. Wer zwischendurch nicht mehr strampeln möchte, bleibt einfach eine Etappe an Bord. 

Die Recherchereise wurde unterstützt von Boat &Bike Tours.

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