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Bildnis einer bürgerlichen Familie von Suzette Henry (1795), Stadtmuseum Berlin

© Michael Setzpfand

Familien im Mittelpunkt: Was im Humboldt Forum am Einheitswochenende zu sehen ist

Im Berliner Stadtschloss startet ab dem 3. Oktober das neue Jahresthema „Beziehungsweise Familie“. Zum Auftakt gibt es viel zu entdecken.

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Vater, Mutter, Kind – klar: Das ist eine Familie. Aber Familie ist noch viel mehr und kann auch ganz anders sein. Wenn am Wochenende im Humboldt Forum die neue Sonderausstellung und damit auch das Themenjahr „Beziehungsweise Familie“ eröffnet, dann geht es um die vielfältigen Formen, die das Zusammenleben annehmen kann – zwischen Menschen, die sich miteinander verbunden fühlen und füreinander sorgen.

„Deswegen passt die Ausstellung so gut nach Berlin“, sagt Solvej Helweg Ovesen. „Hier leben so viele Menschen, die Wahlfamilien haben, die neue Modelle erproben und kulturell unterschiedlich geprägt sind.“ Solvej Helweg Ovesen hat die Thementage kuratiert, die vom 3. bis 5. Oktober unter dem Titel „Care oder Chaos?“ im Humboldt Forum stattfinden werden und dazu inspirieren sollen, „kreativ mit Verwandtschaftsverhältnissen umzugehen“.

Die Dänin – „ich komme aus einem Wohlfahrtsstaat“ – legt den Schwerpunkt auf Programmpunkte, die Verbindungen schaffen und Fürsorge ermöglichen. Sie möchte alle Altersgruppen ansprechen, insbesondere auch Erzieherinnen und Pflegekräfte, also alle, die Care-Arbeit leisten oder darauf angewiesen sind.

Ein großer Kuchentisch im Foyer des Humboldt Forums, mit essbaren Herbstblumen geschmückt, soll am 3. Oktober die Besucher zum Staunen bringen. Das Projekt „Floristaurant“ der portugiesischen Künstlerin Marisa Benjamin macht deutlich, was Fürsorge eben auch ist: Zutaten auswählen, backen, dekorieren, anderen Schönes darbieten und sie zum gemeinschaftlichen Genuss einladen.

Eine andere, ebenso schöne Form der Zuwendung praktizieren die „Black Dads“: Alain Missala aus Kamerun, Amani Mtoroko und Akinkunle Williams lesen für die ganze Familie Geschichten vor, die vor allem von den Beziehungen zwischen Vätern und Kindern handeln.

Am Samstag, 4. Oktober, wird es dann politisch mit Panels zu Themen wie „Pflege im Wandel“, „Perspektiven aus der Jugendhilfe“ oder „Care ohne Familie“ mit der amerikanischen Autorin Sophie Lewis, die dafür plädiert, die Familie abzuschaffen.

Strikte Rollenverteilung

Genau dieser bürgerlichen Familie widmet sich im Nikolaiviertel das Museum Knoblauchhaus, als Teil des Stadtmuseums ebenfalls einer der Akteure des Humboldt Forums. Ein Bild der Malerin Suzette Henry von 1795 (siehe oben) zeigt das Ideal: ein friedliches Beisammensein von Mann und Frau mit lächelnden Kindern. In dieser bürgerlichen Familienform ist traditionell der Mann der alleinige Ernährer, die Frau für Haus und Kinder zuständig.

„Heute sehen wir diese strikte Rollenverteilung natürlich sehr kritisch“, sagt Kurator Jan Mende. Gleichzeitig habe sich aber in dieser historischen Periode das Konzept der Liebesheirat anstelle der arrangierten Ehe durchgesetzt, ein Prinzip, von dem wohl auch heute nur wenige abrücken würden. Eine weitere Errungenschaft jener Zeit: die Aufwertung der Kindheit als eigene Lebensphase.

Mitglied des „Kaffeter“-Clubs: Anna von Briesen, gezeichnet von Ottilie von Graefe.

© Sten Fischer/Stadtmuseum

Junge bürgerliche Frauen wurden im 19. Jahrhundert nicht auf einen Beruf vorbereitet, sondern verbrachten viel Zeit im Wartestand, bis endlich ein passender Ehemann gefunden war, für viele eine unerträgliche Langeweile. Dass einige diesen Wartestand durchaus kreativ nutzten, zeigt das Skizzenheft der Ottilie von Graefe, das im Knoblauchhaus nun erstmals gezeigt wird: Die junge Berlinerin zeichnete ihre Freundinnen, die sich regelmäßig im „Kaffeter“, einer Runde unverheirateter künstlerisch tätiger Frauen, trafen.

„Sie porträtierte ihre Freundinnen in Posen, die an Instagram erinnern“, sagt Kurator Mende. Zwei davon, Caroline und Wilhelmine Bardua, entschieden sich gegen das bürgerliche Lebensmodell: Sie heirateten nicht, lebten und reisten stets zusammen, Caroline verdiente als Porträtmalerin Geld, Wilhelmine als Sängerin und Schriftstellerin. Auch eine Familie, wenn man so will.

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