
© Stefan Müller
Wo die Architektur fließt: Der Nikolaisaal in Potsdam feiert 25-jähriges Jubiläum
Er ist heute aus dem Kulturleben der Landeshauptstadt nicht mehr wegzudenken – und ein fantastisches Stück Konzertarchitektur: Vor 25 Jahren wurde der Potsdamer Nikolaisaal eröffnet
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Ein Besuch des Potsdamer Nikolaisaals ist auch ein Spaziergang durch die Epochen der Baugeschichte. Von der Wilhelm-Staab-Straße aus würde man nicht vermuten, dass sich hinter der prunkvollen barocken Fassade von 1777 solch ein moderner Konzertsaal verbirgt. Der Weg führt erst in einen lauschigen, efeubewachsenen Innenhof, dann durch ein im neoromanischen Stil gestaltetes Portal ins Gebäudeinnere. Das Tympanon, die halbrunde Fläche über dem Türsturz, ist mit einem Lamm verziert: Symbol für Jesus Christus. Das weist schon darauf hin, dass dieser Ort einst religiös genutzt wurde.
Das Foyer hat etwas Erhabenes
Auf dem Hofgrundstück befand sich der Gemeindesaal der der St. Nikolaikirche, des großen Kuppelbaus am Alten Markt. Davon sind heute noch Teile im Eingangsbereich zu erkennen; das Foyer des Nikolaisaals besteht im Rohbau noch aus diesem alten Gemeindesaal. Doch heute wirkt es sehr modern, dominiert von glänzendem Grau, es besitzt mit seinen zwei Etagen eine imposante Höhe und etwas Erhabenes.

© Stefan Müller
Im Kontrast dazu der Saal selbst: Warmes, milchiges Weiß prägt den Raum, alles ist organisch und fließt, so wie die Musik auch. Die Wände sind überzogen mit markanten, unverwechselbaren Ausbuchtungen, sie sehen aus wie Ohren oder aufgesetzte Eier. Es sind Diffusoren, die dafür sorgen, dass sich der Klang gleichmäßig verteilt.
Dieses Wunderwerk an Konzertarchitektur, entworfen von dem französischen Architekten Rudy Ricciotti, wurde 2000 eröffnet, vor 25 Jahren also. Das Jubiläum hat der Nikolaisaal bereits im September mit einer Festwoche gefeiert, doch es wird die gesamte Spielzeit 2025/26 präsent sein – „mit Künstlerinnen und Künstlern, die dem Haus und seiner Geschichte verbunden sind“, erklärt Programmdirektor Michael Dühn, darunter Pianist Fazil Say, Geigerin Lisa Batiashvili, Sänger und Regisseur Rolando Villazón oder Harfenist Xavier de Maistre.
Die Geschichte des Saals beginnt nicht erst im Jahr 2000. Die Wohnbebauung in der damals noch Kleine Jägerstraße genannten Adresse entstand bereits im 18. Jahrhundert, der St.-Nikolai-Gemeinsaal 1909. Er wurde bald als zu eng und düster empfunden, 1934 ließ ihn der Architekt Hanns Dustmann umbauen und lichter gestalten. Dustmann war dem NS-Regime eng verbunden, nach dem Krieg hat er vor allem Bank- und Bürogebäude entworfen, aber auch den berühmten zweigeschossigen Bau des Cafés Kranzler am Kurfürstendamm mit Rotunde und rotgestreiften Markisen.
Zur sakralen Nutzung dieses „zweiten“ Nikolaisaals kam nach dem Krieg die künstlerische hinzu, als Sende- und Konzertsaal, Dietrich Fischer-Dieskau oder Wilhelm Kempff sind hier aufgetreten. Doch ab den 70er Jahren verfiel das Gebäude zusehends, erst nach der Wende fiel die segensreiche Entscheidung, hier einen komplett neuen, den „dritten“ Nikolaisaal zu errichten. Er habe aus Potsdam eine Metropole gemacht hat“, erklärte Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle anlässlich des Jubiläums.
Heute ist der Nikolaisaal nicht nur ein Ort für klassische Musik als Sitz der Kammerakademie Potsdam mit ihrem neuen künstlerischen Leiter François Leleux. Hier finden auch Jazzabende statt, die Chöre der Musikschule oder das Landespolizeiorchester treten auf, literarisch-musikalische Veranstaltungen ergänzen die aktuellen Ausstellungen im Museum Barberini. Der Nikolaisaal, er ist heute eine tragende, unverzichtbare Säule im kulturellen Leben der Landeshauptstadt.
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