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„Was wäre, wenn Syrer, Türken oder Afghanen solche Sprüche klopften?“: Tagesspiegel-Community über Berlins Expat-Gemeinde
In Berlin wird Englisch zur Standardsprache in vielen Kiezen – zur Freude mancher, zum Frust anderer. Warum lernen viele Expats kaum Deutsch? Eine Debatte über Integration, Bequemlichkeit und kulturelle Identität.
Stand:
Berlin hat sich zu einer Stadt entwickelt, in der man mit Englisch problemlos durchkommen kann. Doch dieses Phänomen spaltet die Stadtgesellschaft: Während viele Unternehmen und Restaurants nur noch auf Englisch kommunizieren, fühlen sich manche Deutsche in der eigenen Hauptstadt fremd.
Expats berichten ihrerseits von frustrierenden Erfahrungen, wenn sie Deutsch sprechen – von Ausgrenzung bis hin zu Spott. Die Gründe, warum viele Zugezogene die Sprache nicht lernen, reichen von mangelnder Notwendigkeit im Alltag bis zur schieren Überforderung neben Job und Familie.
Unsere Leserinnen und Leser reagieren vor allem mit Betroffenheit und Wut. Sie stellen Fragen nach Verantwortung, fordern Konsequenzen – und schlagen Lösungen vor, wie solche Entwicklungen künftig verhindert werden könnten.
Lesen Sie hier eine redaktionelle Auswahl von Stimmen aus der Tagesspiegel-Community.
Sviothiod2
Die Arroganz der „Expat“-Gemeinde ist nicht zu fassen. Wer schon bei A1 scheitert, hatte auch nie ernsthaft vor, die Sprache zu lernen. Der Artikel lässt sich mit „Keine Lust, kein Bedarf“ zusammenfassen. Bis sie dann doch mal Deutsch sprechen müssen, dann wird schnell auch noch die Opferrolle rausgeholt. „Mimimi, der Taxifahrer lacht über meine Fehler, voll gemein!“
Ich habe kein Mitleid mit Einwanderern, die sich dem Deutschlernen so verweigern.
Tagesspiegel-Leser Sviothiod2
Aber wer sich selbst schon als Expat bezeichnet, schlägt hier ja sowieso schon mit einer Anspruchshaltung auf, dass man es ihm doch bitte recht machen solle. Ich habe kein Mitleid mit Einwanderern, die sich dem Deutschlernen so verweigern. Was hätte es für eine Welle gegeben, wenn sich Syrer, Türken oder Afghanen hinstellen würden und solche Sprüche klopften?
Jodel
Vor 20 Jahren zog ich in die Niederlande. Nach ein paar Monaten besuchte ich einen Sprachkurs, denn ich sollte wohl länger bleiben. Ich las niederländische Zeitungen, hörte lokales Radio, sah Fernsehshows. Ich sprach die Leute immer auf niederländisch an, sie antworteten auf Englisch. Ich blieb bei niederländisch. Es war anstrengend.
Leute, seid nicht so bequem, Sprache ist Immersion, auf allen Ebenen.
Tagesspiegel-Leser Jodel
Aber mit der Zeit antworteten immer mehr auf niederländisch. Nach ca. drei Monaten war es überstanden: keiner bot mir mehr Englisch an. Leute, seid nicht so bequem, Sprache ist Immersion, auf allen Ebenen. Und Sprechen ist das schwierigste. Habt keine Angst vor Fehlern, sonst lernt ihr nix. Und Perfektionismus ist ein „klootzak“.
Lukito
Ich bin Franzose und ich wohne in Kreuzkölln seit dem letzten Jahr. Meine Erfahrung ist, dass wenn man ein Gespräch auf Deutsch fängt an, wird die Antwort 90% der Zeit auch auf Deutsch sein. Wenn ich spreche, muss man sich ein bisschen festhalten, aber am meisten die Deutschen zeigen Geduld und Verständnis.
Das verhindert, dass man seine Umgebung und die Mentalität der Nachbarn versteht!
Tagesspiegel-Leser Lukito
Meiner Meinung nach kommt es vor allem an sich selbst, eine neue Sprache zu lernen: den Tagesspiegel lesen, Podcasts hören, immer auf Deutsch versuchen zu sprechen und dann Fortschritte machen. Wie kann man sich integrieren, ohne die lokale Sprache zu verwenden? Das verhindert, dass man seine Umgebung und die Mentalität der Nachbarn versteht!
Nimili
Ich war einmal in einer Pizzeria in Mitte, in dem man NUR auf Englisch bedient wurde. Theoretisch okay für mich und meine Freundin, da wir beide fließend Englisch sprechen. Andere Besucher hatten riesige Schwierigkeiten und sind teilweise wieder gegangen, weil sie nicht einmal die Speisekarte lesen konnten .
Für mich war es schockierend zu erleben, dass es in Deutschland ein Restaurant geben kann, wo überhaupt kein Deutsch gesprochen wird.
Tagesspiegel-Leser Nimili
Für mich war es schockierend zu erleben, dass es in Deutschland ein Restaurant geben kann, wo überhaupt kein Deutsch gesprochen wird und sich keiner auch nur darum bemüht, auf die nur deutschsprachigen Gäste einzugehen. Dieses Restaurant habe ich daher auch nie wieder betreten.
Wenn Menschen hier in Berlin arbeiten, sollten sie sich zumindest irgendwie bemühen die Sprache zu sprechen. Wenn das noch nicht ganz klappt, habe ich dafür Verständnis und verständige mich mit den Leuten aushilfsweise auf Englisch. Aber wenn jemand auch nach Jahren im Land nicht tut, habe ich dafür kein Verständnis.
CZB
Meine Frau ist Amerikanerin und spricht hervorragend deutsch. Das war ihr eigener Anspruch. Wer in ein fremdes Land kommt und nicht mal willig ist, die Sprache zu lernen, wird nie ankommen, nie die wirkliche Lebensqualität des Landes verstehen. Man versteht die Nachrichten nicht, nicht die Menschen um einen herum und bleibt immer außen vor.
Ich finde das weder cool noch hip noch egal.
Tagesspiegel-Leser CZB
Wenn ich in eine Gaststätte gehe oder sonst wohin, erwarte ich auch, dass dort deutsch gesprochen wird. Diese Egal- Haltung gibt es wohl nur hier und fast nur von Amerikanern, vielleicht noch Briten und spanisch sprechende Menschen, aber die wollen mich nicht auch noch auf spanisch bedienen. Vielleicht noch in Prag, auch von Amerikanern. Aber man stelle sich das andersherum vor - unmöglich. Ich finde das weder cool noch hip noch egal. Ich sehe das als Armutszeichen dieser Leute.
Saskia
Mit den inzwischen tw. ausschließlich englischsprachigen Speisekarten in den Szenegegenden erfolgt natürlich auch eine Selektion des Publikums. So sorgt man im ach so toleranten Berlin gern dafür, dass man in der Blase unter seinesgleichen bleibt.
Das regt mich genauso auf wie die teilweise ausschließlich arabischen Geschäftsbezeichnungen auf der Sonnenallee. Im eigenen Land signalisiert zu bekommen, dass man zumindest an einzelnen Orten nicht dazugehört, ist schon heftig.
Und dabei unterscheide ich nicht (wie das leider viele tun) in „gute“ (Engl., Span., Französ. u.ä.) und andere (Türk., Arab., Serbien., Bulgar.) Sprachen. Denn während erstere von vielen Berliner*innen als Ausdruck von Weltoffenheit und Internationalität wahrgenommen werden, werden die anderen von vielen in die Ecke von Bedürftigkeit und Bildungsarmut gestellt.
Schaunmermal
Auf dem Amt beginnt dann die Heulerei, dass man mit Englisch nicht voran käme. Zur Vermeidung von Missverständnissen und eindeutigen Rechtshandlungen ist die Amtssprache Deutsch. So wie auch in anderen Ländern die Amtssprache entsprechend ist.
Sicherlich wäre es gut, wenn auch Behörden Auskünfte in Englisch geben können. Da ist bestimmt auch Luft nach oben.
Warum sollte es bei Arbeitsauswanderern anders sein?
Tagesspiegel-Leser Schaunmermal
Also liebe Zugezogene, lernt Deutsch. Von Syrern, Afghanen, ... wird das zurecht auch lautstark erwartet. Warum sollte es bei Arbeitsauswanderern anders sein? Oder ist nur der coolness Faktor höher.
Stunner07
Wenn Flüchtlinge kein Deutsch können, ist das verständlich und ich gebe mir alle Mühe, Verständigung zu ermöglichen. Wenn besser gestellte „Expats“ beispielsweise zum Arbeiten oder Studieren hier hinkommen, halte ich es für arrogant, die Landessprache nicht lernen zu wollen.
Ich lerne ja sogar für einen Urlaub das Nötigste. Wenn ich (temporär) auswandern würde, würde ich im Vorfeld die Sprache lernen - wenigstens die Basics. Nun muss man allerdings auch sagen, dass es in den genannten Stadtteilen auch ein Coolnesfaktor geworden ist, Englisch zu reden. Leute wegen ihres Anfängerdeutsch auszulachen ist allerdings super schäbig.
Gnida
Niemand würde auf die Idee kommen, in einem Café nur auf Türkisch oder Polnisch zu bedienen.
Tagesspiegel-Leserin Gnida
Ich empfinde dieses Verhalten auch irgendwie als unfair gegenüber anderen Nicht-Muttersprachlern. Niemand würde auf die Idee kommen, in einem Café nur auf Türkisch oder Polnisch zu bedienen. Als ich vor 20 Jahren an der Humboldt-Uni ausländische Studierende unterrichtet habe, war es schon ähnlich (Ausnahmen bestätigen die Regel):
Der Kurs beginnt um 9:00 Uhr, um 8:50 sitzen die Studierenden aus Japan, Polen, Russland mit aufgeschlagenen Büchern am Tisch, um 09:00 ist der Großteil da, und um Viertel nach trudeln die Amerikaner ein - gut gelaunt, aber über diese viel zu komplizierte Sprache klagend und mit sehr geringen Lernfortschritten.
Ich mochte sie trotzdem, und man muss ihnen auch zugute halten, dass in den USA häufig keine Fremdsprache in der Schule gelernt wurde/ wird. Aber inzwischen geht es mir echt auf den Zeiger, und Cafés in Mitte meide ich aus diesem Grund.
GerdLange
Als jüngerer Mensch bin ich häufiger mal auf Reddit unterwegs und da gibt es so einen Standardsubreddit, in dem sich Zugezogene oder sog. „Expats“ beklagen, dass sie keine deutschen Freunde in Berlin oder anderswo in Deutschland hätten und gar nicht verstehen würde, warum.
Wenn dann mal nachgefragt wird, kommt häufig heraus, dass die Deutschkenntnisse mangelhaft sind. Ich kann das absolut verstehen: Ich persönlich spreche zwar gut Englisch, hätte aber ehrlich gesagt auch keine Lust, eine tiefere Freundschaft mit jemandem einzugehen, unabhängig von der Herkunft, der aber nur Englisch kann, ganz einfach deswegen, weil ich auf Deutsch zu viel mehr sprachlicher Differenzierung in der Lage bin, was für so ein Verhältnis wichtig ist.
Die Leute sind ja selbst teilweise unzufrieden, dass sie mit dem Land und den Menschen wegen der Sprachbarriere nicht wirklich in Berührung kommen. Da muss man aber selbst etwas dran ändern und darf nicht erwarten, dass sich das Umfeld anpasst.
AlexHH1
Gestern bestellte ich höflich einen Kaffee… und bekam als Antwort ein fröhliches „Sure, what size?“ Ich habe wiedermal kurz überlegt, ob ich aus Versehen in Heathrow oder Bangkok gelandet bin. Aber nein, es war in Charlottenburg.
Ein Zeichen von Respekt und auch eine kleine Liebeserklärung an das Land, in dem man lebt und arbeitet.
Tagesspiegel-Leser AlexHH1
Grundsätzlich ist es großartig, dass Menschen aus aller Welt hier arbeiten, leben und Berlin bunt machen. Aber ist es wirklich zu viel verlangt, wenn man in Deutschland zumindest den Grundwortschatz auf Deutsch beherrscht? Ein schlichtes „Kaffee klein, groß, mit Milch“ statt ausschließlich „small, large, oat milk“ wäre schon ein Zeichen von Respekt und auch eine kleine Liebeserklärung an das Land, in dem man lebt und arbeitet.
Wenn ich nach Thailand fliege, lerne ich auch „Sawasdee Kha/Khrub“, „Khob khun“ (Danke) und bestelle nicht nur auf Englisch. In den internationalen Metropolen Paris, Rom oder Madrid habe ich nie erlebt, dass die Kellner gar kein Französisch, Italienisch oder Spanisch sprechen. Warum also funktioniert das in Berlin nicht?
Selbstverständlich ist Deutsch keine vergleichbare Weltsprache wie Englisch. Aber es ist die Sprache des Landes. Und wenn man sich weigert, auch nur die Basics zu lernen, grenzt das auf Dauer Menschen aus, die mit flat white, oat milk, double shot tendenziell wenig anfangen können.
Sprache lernt man nicht im stillen Kämmerlein, sondern beim Tun, beim Bestellen, beim Smalltalk, beim täglichen „Bitte“ und „Danke“.
Tagesspiegel-Leser AlexHH1
Und das Argument „keine Zeit, keine Lust“ ist mehr als schwierig: Sprache lernt man nicht im stillen Kämmerlein, sondern beim Tun, beim Bestellen, beim Smalltalk, beim täglichen „Bitte“ und „Danke“. Genau so, wie viele es von uns im Ausland auch tun. Also, liebes Berlin: ein Augenzwinkern ist erlaubt, Englisch ist willkommen, aber ein kleines bisschen Deutsch im Café wäre kein Verlust, sondern ein Gewinn an Respekt, Wertschätzung und Miteinander.
„Sprichst du zu jemandem in einer Sprache, die er versteht, geht es in seinen Kopf. Sprichst du zu ihm in seiner eigenen Sprache, geht es in sein Herz.“ – Nelson Mandela. Beste Grüße aus Potsdam und allen ein „charming, lovely Sunday“, Alexander Müller
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