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Junglachse in einer Zuchtfarm.

© Bernd Settnik/dpa-Zentralbild/dpa

Chile: Hunderttausende Lachse aus Zuchtfarm entkommen

Die Folgen des Massenausbruchs der Lachse für die Umwelt sind noch nicht absehbar – und die Kritik an der Betreiberfirma wächst.

Schuld soll ein gewaltiges Unwetter gewesen sein: Aus einer Zuchtfarm im Süden Chiles sind Hunderttausende Lachse entkommen. Der Wucht des Unwetters sollen die Käfige nicht standgehalten haben, so ist zumindest die offizielle Darstellung. Wie viele Lachse genau die unverhoffte Chance zur Freiheit nutzten, kann nur vermutet werden. In ersten Meldungen war von fast einer Million Tiere die Rede, danach reduzierte der Betreiber der Zuchtfarm die Zahl und sprach nur noch von 690.000 Lachsen. In einer in dieser Woche verbreiteten Stellungnahme ist sogar nur noch von 650.000 Tieren die Rede.

So oder so gilt der Fall als der bislang größte bekannte Massenausbruch von Lachsen in dem südamerikanischen Land. Eigentümer der betroffenen Anlage ist das Unternehmen Marine Harvest. Der Vorfall ereignete sich bereits Ende Juli, doch er beschäftigt noch immer die Behörden und die Umweltschützer und hat eine breite Debatte über die Zustände im Süden Chiles ausgelöst.

Massentierhaltung

Der Fall zeige die Auswirkungen, die der Fall auf die Umwelt, die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Gesundheit habe, sagte Estefanía Gonzalez von Greenpeace Chile der chilenischen Tageszeitung „Publimetro“. Diese Massentierhaltung sei ein Beispiel gegen nachhaltiges Wirtschaften und Umweltschutz. Denn der Lachs ist ein Raubfisch und in dieser Form dort gar nicht heimisch. Die Auswirkungen der nun frei im Gewässer umher schwimmenden Fische auf die Umwelt sei nicht abschätzbar, heißt es aus Kreisen weiterer Umweltschützer. Die Zweifel an der Darstellung des Unternehmens wachsen. Vorwürfe werden laut, dass Marine Harvest es mit der Einhaltung von Vorschriften bei der Lachszucht nicht so ganz ernst nehme.

In den vergangenen Jahren hatten internationale Medien immer wieder über schwere Verstöße und nur unzureichende Kontrollen der industriellen Zucht berichtet. Weder die linksgerichtete Ex-Präsidentin Michelle Bachelet, noch ihr konservativer Nachfolger Sebastian Pinera zeigten bislang großes Interesse daran, etwas an den Rahmenbedingungen zu ändern oder die gesetzlichen Vorschriften zumindest durchzusetzen und zu überprüfen. Dem Endverbraucher sind die Zustände rund um die Zuchtlachsanlagen ohnehin nicht bekannt.

Marine Harvest ist ein großer Lebensmittelkonzern mit Sitz in Norwegen, der in den vergangenen Jahren immer wieder ins Visier von Umweltschützern geraten ist. Dem Unternehmen werden Verstöße gegen ökologische Vorschriften vorgeworfen.

Chile hat sich in den vergangenen Jahren neben Norwegen, Schottland und Kanada als Ort für Zuchtlachsanlagen etabliert. Und genau hier fangen die Probleme an: Der Zuchtlachs ist eigentlich in chilenischen Gewässern gar nicht heimisch. Um die Fische trotzdem aufzuziehen und für den Markt attraktiv zu machen, werden sie mit einer hohen Dosis von Antibiotika vollgestopft, wie Umweltschützer berichten. Das Unternehmen beteuert dagegen, sich an gesetzliche Vorschriften zu halten.

Gefahr für einheimische Arten

Die Massenflucht könnte für die einheimischen Fische zu einem großen Problem werden, denn die entkommenen Lachse könnten ihrem natürlichen Instinkt folgen, die Flüsse hinauf schwimmen und dort die einheimischen Fische verdrängen oder mit bislang dort nicht vorhandenen Krankheiten infizieren.

Für die lokalen Fischer hätte das gravierende Konsequenzen, ihre Lebensgrundlage wäre in Gefahr. Zwar haben die Behörden das Unternehmen aufgefordert, die geflüchteten Tiere wieder einzufangen, doch bislang ist wie bei vergleichbaren Fällen in den vergangenen Jahren die Erfolgsquote eher gering.

Marine Harvest bezifferte den Schaden für das Unternehmen selbst auf umgerechnet rund drei Millionen Euro für das zweite Geschäftsjahr. Im Vergleich zu den Milliardenumsätzen ist das aber nur eine vergleichbar kleine Einbuße. Deutlich größer dürfte der Image-Schaden für das Unternehmen sein, denn inzwischen berichten immer mehr internationale Medien über das Desaster im ansonsten eher medial kaum beleuchteten Süden Chiles. Umweltschützer haben angekündigt, die Auswirkungen des Massenausbruches von Puerto Montt genau dokumentieren zu wollen. Gut möglich, dass dann durch Klagen noch weitere Gewinneinbrüche für Marine Harvest folgen.

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