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Eine Filiale der Volksbank in Berlin-Mitte.

© Tsp/Doris Spiekermann-Klaas

„Wir hatten ein gutes Jahr“: Volksbank profitiert von der robusten Wirtschaft in der Region

Carsten Jung, Vorstandschef der Berliner Volksbank, über höhere Dividenden, die Attraktivität Berlins und das Potenzial Brandenburgs.

Herr Jung, die Volksbank hat viele Firmenkunden und ist stark in der Immobilienfinanzierung. Wie wacklig sind diese Säulen des Geschäfts in der Krise?
Wir sind gut aufgestellt und kennen unsere Kunden und deren Geschäftsumfeld. Bankgeschäfte können auch regional funktionieren – das zeigen die Erfahrungen mit Corona und dem Ukrainekrieg. Kurzum: Wir hatten ein gutes Jahr 2022.

Es gibt keine Winterrezession in Berlin-Brandenburg?
Die Wirtschaft in der Region ist in den vergangenen Jahren deutlich resilienter geworden. Unsere Kunden beschäftigen sich mit Lieferproblemen und Energiekosten. Hauptthema sind aber die Arbeitskräfte, die überall fehlen.

Dann waren die Sorgen um energieintensive Unternehmen übertrieben?
Jedenfalls gibt es von diesen Unternehmen in der von Dienstleistungen geprägten Berliner Wirtschaftsstruktur eher wenige. Bei den betroffenen Firmen ist dann entscheidend, ob sie die höheren Energiekosten an die Kunden weitergeben können.

Musste die Volksbank die Risikovorsorge erhöhen?
Nein. Wir sind proaktiv auf unsere Kunden zugegangen, da wir uns auch als Strategieberater verstehen und mit den Kunden frühzeitig die Situation besprechen. Es gab keinen Anlass, um das Risikomanagement zu verändern, die Abschreibungen auf Kredite waren gering.

Die Genossen oder Mitglieder der Volksbank haben für 2021 eine Dividende von zwei Prozent bekommen. Womit können sie 2022 rechnen?
Ich könnte mir vorstellen, dass es deutlich mehr wird, weil wir ein sehr gutes Jahr hatten, trotz rückläufigem Kreditneugeschäft. Das Kundenkreditvolumen fiel 2022 um etwa vier Prozent auf 2,9 Milliarden Euro. Ursächlich dafür ist die Zinswende und das schwächere Immobiliengeschäft. Das setzt sich in diesem Jahr fort. In der Bilanz werden wir bei allen Kundenkrediten unter dem Strich voraussichtlich dennoch ein leichtes Wachstum für 2022 ausweisen können.

Carsten Jung ist Vorstandschef der Berliner Volksbank seit 2019.
Carsten Jung ist Vorstandschef der Berliner Volksbank seit 2019.

© Kitty Kleist-Heinrich/Tagesspiegel

Die Region braucht Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen. Wer soll die bauen?
Das Geld und die Grundstücke sind teuer, und es gibt Widerstände gegen die Verdichtung. Dazu kommt ein riesiger Investitionsbedarf für die energetische Sanierung der Bestandsgebäude. Das alles wird nur funktionieren, wenn die Verfahren vereinfacht werden und es schneller Baugenehmigungen gibt. Wir stehen zur Verfügung, wenn es um die Finanzierung geht.

Was haben die Privatkunden der Volksbank von der Zinswende?
Nach der jahrelangen Nullzinsphase zahlen wir seit Mitte Februar 0,25 Prozent auf das Tagegeld.

Die Sparkasse hat in Berlin fünfmal mehr Privatkunden als die Volksbank. Warum ist das so?
Das hat historische Gründe. Im Ostteil der Stadt war die Sparkasse stark und die Volksbank fast gar nicht vorhanden. Das haben wir nach der Wende nicht aufholen können.

Welche Erwartungen haben Sie an den neuen Senat?
Verlässlichkeit ist für die Unternehmen sehr wichtig. Wir müssen die Transformation forcieren und die 140.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst mitnehmen in die digitale Welt. 

Trauen Sie das Berlin zu?
Die Attraktivität von Berlin ist noch ungebrochen. Wir haben 43 Hochschulen in der Stadt. Das Potenzial der Wissenschaft können wir stärker nutzen für die Wirtschaft und für die Transformation. 

Sie sind Aufsichtsratsvorsitzender der Berlin Partner. Ist es nicht an der Zeit, für eine länderübergreifende Vermarktung der Region die Wirtschaftsförderung zu fusionieren?
Die beiden Einrichtungen arbeiten gut zusammen und ergänzen sich. Berlin vermarktet auch Brandenburg und umgekehrt. Das Außenbild von Berlin ist nicht immer nur positiv, aber es gelingt Berlin Partner trotzdem, die Stadt und die Region gut zu verkaufen.

Wie wird sich Brandenburg entwickeln?
Die Berliner Volksbank macht so ungefähr 40 Prozent ihres Geschäfts in Brandenburg; das hat zu tun mit den vielen Fusionen in den 90er Jahren. Brandenburg hat eine hervorragende Ausgangsposition für die Transformation. Wer sich dort niederlässt und grünen Strom möchte, der bekommt ihn auch, weil Brandenburg früher als andere auf erneuerbare Energien gesetzt hat. Gerade für industrielle Ansiedlungen sind das herausragende Voraussetzungen.

Gibt es genügend Arbeitskräfte?
Nein. Daher müssen wir diejenigen, die da sind, klug einsetzen. Und zudem mit Hilfe digitaler Tools neue Prozesse entwickeln, die weniger Menschen benötigen.

Auch die Volksbank?
Wir bemühen uns um attraktive Arbeitsplätze und eine entsprechende Arbeitskultur. Für unser Quereinsteigerprogramm hatten wir fast 100 Bewerbungen, und in einem weiteren Programm werben Mitarbeiter neue Mitarbeiter. Das funktioniert gut.

Im Sommer ziehen Sie mit rund 700 Mitarbeitenden in die neue Volksbank-Zentrale an der Bundesallee in Wilmersdorf. Hat die Belegschaft noch Papier im Gepäck?
Nein. Wir sind immer digitaler geworden, sodass die Mitarbeitenden nur mit Laptop und Softphone umziehen.

Was ist neu im neuen Quartier?
Ich hoffe, dass uns das Haus einen zusätzlichen Kick geben wird. Wir haben neun Arbeitsbereiche identifiziert, etwa für Arbeiten in Ruhebereichen, oder dort, wo es um Kommunikation geht oder um Teamarbeit. Die Mitarbeitenden konnten sich die Bereiche aussuchen und mitgestalten. Manche wollen ins Büro kommen, andere lieber zu Hause bleiben. Das gilt selbstverständlich nicht für unsere 49 Filialen mit Kundenkontakt.

Wie residiert der Vorstand?
Für jedermann erreichbar im ersten Stock, mit den gleichen Möbeln und Flächen wie die übrigen Beschäftigten auch. Es gibt nur die eine Ausnahme, dass der Vorstand auf einer Fläche sitzt, die den Vorstandsmitgliedern vorbehalten ist. Das erklärt sich mit Vertraulichkeit, die für manche Dinge gebraucht wird. 

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