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„3,9 Millionen Kollegen brauchen mehr Geld“: IG Metall startet erste Welle von Warnstreiks
In der Metall- und Elektroindustrie ruft die IG Metall zu ersten Warnstreiks. Überschattet werden die Verhandlungen von den drastischen Sparplänen beim Autobauer VW.
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Mit Protestaktionen in der Nachtschicht hat die IG Metall eine erste Warnstreikwelle in der deutschen Metall- und Elektroindustrie gestartet.
Überschattet werden die Verhandlungen, die an diesem Dienstag in dritter Runde fortgesetzt werden sollen, von den drastischen Sparplänen beim Autobauer VW. Nach Angaben des Betriebsrats stehen Werksschließungen, Massenentlassungen und Lohnkürzungen auf der Agenda des VW-Vorstands, der die Pläne im Detail zunächst nicht bestätigte.
Erste Warnstreiks in Osnabrück, Hildesheim und Hannover
Demonstriert wurde in der Nacht unter anderem beim VW-Werk in Osnabrück. 250 Mitarbeitende seien vor Ort, teilte ein Sprecher der IG Metall Osnabrück in der Nacht mit.
Dass nun Produktionslinien stillstehen, das haben die Arbeitgeber zu verantworten.
Thorsten Gröger, Verhandlungsführer der IG Metall
Die neue IG-Metall-Tarifvorständin Nadine Boguslawski sprach zu den Beschäftigten des VW-Werks. Das von der Schließung bedrohte Werk mit rund 2.500 Beschäftigten fällt nicht unter den VW-Haustarifvertrag, in dem noch bis Ende November Friedenspflicht herrscht.
In Hildesheim warnstreikten demnach rund 400 Beschäftigte zu nächtlicher Stunde in mehreren Betrieben.
Bei Clarios in Hannover sprach der Verhandlungsführer der IG Metall, Thorsten Gröger. „Dass nun Produktionslinien stillstehen und Büroräume leer sein werden, das haben die Arbeitgeber zu verantworten“, sagte der Verhandlungsführer vor rund 200 Beschäftigten.
„Wenn am Verhandlungstisch keine guten Lösungen für die Kolleginnen und Kollegen mit unserer Gegenseite erzielt werden können, braucht es scheinbar andere Maßnahmen“, so Gröger. „Wir führen keinen Konflikt um des Konflikts willen. Es geht um die Wahrung der berechtigten Interessen unserer Mitglieder“, sagte Gröger demnach.
Metall- und Elektroindustrie streikt auch in Thüringen
Auch in Thüringen haben die ersten Betriebe mit Warnstreiks begonnen. Wie ein Sprecher der Gewerkschaft mitteilte, legten unter anderem bei Kaeser Kompressoren in Gera die Beschäftigten am frühen Morgen die Arbeit nieder.

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„Nach zwei ergebnislosen Verhandlungsrunden müssen sich die Arbeitgeber bewegen“, sagte die Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Jena-Saalfeld und Gera, Franziska Wolf. Was bisher auf dem Tisch liege, sei weit unter der Inflation und weit von den Forderungen entfernt. Im Laufe des Tages soll es in Thüringen bei weiteren Unternehmen zu Warnstreiks kommen.
Die IG Metall Gera und Jena-Saalfeld vertritt nach eigenen Angaben allein mehr als 14.000 Mitglieder in Ostthüringen.
IG Metall plant weitere Warnstreiks
Am heutigen Dienstag beginnt in Kiel und Hannover die dritte Runde in den regional geführten Tarifverhandlungen. Im Laufe des Tages sollen Ausstände in weiteren Tarifgebieten folgen. Die Friedenspflicht in den Tarifverhandlungen für rund 3,9 Millionen Beschäftigte unter anderem im Maschinenbau und der Automobilindustrie war bereits am Montag abgelaufen.
Hauptargument der IG Metall für deutliche Lohnsteigerungen ist die fehlende Kaufkraft der Beschäftigten nach Jahren mit hoher Inflation. Die Erste Vorsitzende Christiane Benner erklärte dazu: „Das magere Angebot der Arbeitgeber verkennt den Ernst der Lage. Unsere 3,9 Millionen Kolleginnen und Kollegen in der Branche brauchen mehr Geld. Mit der zusätzlichen Kaufkraft stärken wir auch die Konjunktur.“

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Arbeitgeberverband drängt auf schnellen Abschluss
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hat davor gewarnt, mit den Warnstreiks unrealistische Erwartungen bei den Beschäftigten zu schüren. Präsident Stefan Wolf sagte dem Portal „t-online“: „Ich habe den Eindruck, die IG Metall hat verstanden, was auf dem Spiel steht. Da sich die wirtschaftliche Lage quasi wöchentlich verschlechtert, dürfte sie auch ein Interesse an einem schnellen Abschluss haben.“ Für die Beschäftigten bedeute das Angebot nach jetzigem Stand eine Reallohnsicherung.
Der Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (VME) hat die angekündigten Warnstreiks kritisiert. „Warnstreiks angesichts der aktuellen Lage der Metall- und Elektroindustrie sind alles andere als hilfreich. Sie führen zu Produktionsausfällen und zu zusätzlichen Kosten“, erklärte der VME-Vorstandsvorsitzende Stefan Moschko am Montag. Er forderte die Arbeitnehmerseite auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
„Eine Eskalation mit Trillerpfeifen und rote Fahnen bringt uns nicht weiter“, fügte Moschko an. Streiks würden den ohnehin schwer belasteten Betrieben weiter schaden und damit „letztlich den Beschäftigten“.
Der VME erklärte, „früh in dieser Auseinandersetzung ein belastbares Angebot vorgelegt“ zu haben. Die IG Metall indes bezeichnete das Angebot als „Krisenverstärker“. „Zwei Verhandlungsrunden haben gezeigt, dass wir ohne Druck nicht zu einem überzeugenden Ergebnis kommen“, erklärte Dirk Schulze, Gewerkschafts-Verhandlungsführer für Berlin-Brandenburg und Sachsen. (dpa/AFP/Reuters/Tsp.)
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