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Aktiengesellschaft und Pflege – passt das zueinander?

© H. Hollemann/dpa

"Wir müssen Gewinn erwirtschaften": 450 Millionen Euro - warum Geschäfte mit der Altenpflege nützen

Arno Schwalie, Chef von Deutschlands größtem Pflegeheimbetreiber Korian, ärgert sich über Leiharbeitsfirmen und distanziert sich von "Heuschrecken".

Herr Schwalie, Sie wechselten vor zwei Jahren von der Hotellerie in den Chefsessel des größten Pflegeheimkonzerns in Deutschland. Ist die Pflege ein Geschäft wie jedes andere?

Es ist definitiv kein Geschäft wie jedes andere! Denn es geht um eine gesellschaftliche Verantwortung, die wir als Unternehmen übernommen haben. Wir haben ein Versprechen abgegeben, das wir jeden Tag erfüllen müssen, nämlich uns um die Schwächsten in der Gesellschaft zu kümmern. Und das tun wir mit Mitarbeitern, die aus einem inneren Antrieb heraus in die Pflege gegangen sind, weil sie das Bedürfnis haben, etwas für die Gesellschaft zu tun. Auch ihnen gegenüber stehen wir in der Verantwortung.

Korian ist eine Aktiengesellschaft, die den Aktionären einen Gewinn abliefern muss. Verträgt sich das mit diesem Anspruch?

Es ist unser Job, die Interessen aller Beteiligten in Einklang zu bringen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Bewohner eine exzellente, qualitativ hochwertige Versorgung bekommen und dass die Angehörigen damit zufrieden sind. Wir sind aber auch dafür verantwortlich, dass die Interessen unseres Unternehmens in der politisch-öffentlichen Debatte Gehör finden. Und wir müssen natürlich unsere Anleger zufriedenstellen und ebenso die Vermieter bezahlen, die die Pflegeinfrastruktur gebaut haben und uns als Betreiber zur Verfügung stellen.

Kritiker bemängeln immer wieder, dass sich das Gewinnstreben privater Pflegeanbieter nicht mit einer guten, menschlich zugewandten Pflege verträgt. Was entgegnen Sie solcher Kritik?

Der Gewinn geht nicht auf Kosten der Pflegequalität, sondern ist deren Voraussetzung: Wir müssen Pachten zahlen an die Eigentümer der Immobilien – nur zwölf Prozent unserer Heimimmobilien in Deutschland gehören Korian. Wir müssen – aufgrund gesetzlicher Vorgaben, aber auch der Erweiterung unseres Angebots – viel in die Infrastruktur der Pflege investieren. Und wir müssen unsere Mitarbeiter permanent weiterentwickeln. Das alles kostet Geld und dafür benötigen wir immer wieder frisches Kapital, das auch von Anlegern kommt, die dafür natürlich eine Rendite erwarten.

Die erwarten auch Private-Equity-Gesellschaften - die öfter als "Heuschrecken" kritisiert werden und immer wieder Pflegeheime aufkaufen. Also doch ein ganz normales Geschäft?
Privat heißt nicht Private Equity! Auch wenn wir in der öffentlichen Diskussion als privater Betreiber immer wieder in den gleichen Topf geworfen werden. Wir distanzieren uns ganz klar von dem kurzfristig angelegten Geschäftsmodell. Wir haben nachhaltige, langfristig denkende Anleger. Unser Ziel ist nicht, so wie bei manchen Private-Equity-Investoren, den Unternehmenswert binnen drei oder fünf Jahren zu verdoppeln, um die Firma dann mit Gewinn verkaufen zu können. Wir wollen uns über Dekaden in Deutschland etablieren als die Pflegekompetenz Nummer eins! Von der Größe her sind wir es schon – wir betreiben in Deutschland knapp 240 Pflegeheime, so viel wie kein Wettbewerber – und werden das mit Sicherheit auch in der Markenbekanntheit bald erreichen.

Welche Renditeerwartungen haben denn Ihre Aktionäre?

Im Vergleich zu Private-Equity-Unternehmen und im Gegensatz zur in der Gesellschaft vorherrschenden Meinung sind die von uns erwarteten Gewinne moderat. Wir reinvestieren zwei Drittel der Erlöse in das Unternehmen, nur ein Drittel wird an die Aktionäre abgeführt. Um das zu illustrieren, die folgende Zahl: Wir haben die letzten Jahre jeweils 60 Cent Dividende pro Aktie ausgeschüttet, und das bei einem Kurs, der sich konstant zwischen 32 und 37 Euro pro Aktie bewegt. Wir sprechen also hier von einer Rendite von weniger als zwei Prozent. Korian hat im vergangenen Jahr 45 Millionen Euro ausgeschüttet – aber gleichzeitig 450 Millionen investiert.

Sie haben es schon gesagt: Korian ist in Deutschland bereits der größte private Pflegeheimbetreiber. Ist Ihr Unternehmen weiter an Zukäufen interessiert?
Wir wachsen qualitativ weiter. Wir sehen uns zum Beispiel als sicherer Hafen für kleinere und mittelständische Pflegeheimunternehmen, deren Inhaber einen Exit suchen – etwa weil sie in der eigenen Familie keinen Nachfolger finden oder die nötigen Investitionen in Mitarbeiter, digitalen Wandel oder zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben nicht mehr stemmen können. Diesen bieten wir eine Übernahme an, in dem Wissen, dass für ihre Mitarbeiter und zum Teil auch mitarbeitenden oder in dem Heim lebenden Familienangehörigen auch weiterhin gesorgt wird.

Ist die Pflege in Deutschland aus Ihrer Sicht zu überreguliert?

Ich plädiere da für eine differenzierte Betrachtung: Denn neben Regulierung gibt es auch unverständliche Schlupflöcher, die nicht gesetzlich geschlossen werden: zum Beispiel, dass sich Kleinunternehmer mit Leiharbeitern eine goldene Nase verdienen dürfen. Denn damit werden allen Pflegeheimbetreibern Mitarbeiter regelrecht weggenommen. Und dann werden sie uns über die Hintertür als Leasingkräfte zu wesentlich höheren Kosten wieder angeboten.

Nun werden die Pflegekräfte, die zu einem Leasinganbieter wechseln, ja nicht gekidnappt. Sie lassen sich dort freiwillig einstellen, weil sie dort bessere Konditionen finden.

Das mögen sie auf den ersten Blick so denken. Doch eigentlich stellen sie sich schlechter. Sie müssen ständig den Arbeitsplatz wechseln. Teamgeist, Kollegialität, die familiäre Atmosphäre, die viele Heime ausmacht, können so nicht entstehen. Die Leasingkräfte bleiben in der Pflege immer ein Fremdkörper.

Und trotzdem greifen viele Pflegeheimbetreiber auf Leasingkräfte zurück.

Wir tun das nur im Ausnahmefall.

Wie selten ist der Ausnahmefall?

Wir haben gleichzeitig vielleicht 40 oder 50 Leiharbeiter deutschlandweit im Einsatz – bei insgesamt 22.000 Mitarbeitern.

Sind Ihnen die Leasingkräfte zu teuer?

Mir geht es dabei gar nicht so sehr um die höheren Kosten – die im Übrigen zum allergrößten Teil nicht bei der Pflegekraft, sondern den Leiharbeitsfirmen bleiben, die ja auch was verdienen wollen. Mir geht es mehr darum, dass man mit zu viel Leiharbeit in einem Heim etwas zerstört. In den Häusern, die keine Leiharbeiter einsetzen, funktioniert die Dienstplanung besser, bei ihnen ist die Arbeitszufriedenheit höher, die Fluktuation geringer und das Arbeitsklima besser. Und was dann am Ende zählt: Dort gibt es deshalb die glücklicheren Bewohner.

Wie viel bezahlt Korian seinen Mitarbeitern?

Das ist regional teils sehr unterschiedlich, bewegt sich aber in der marktüblichen Höhe: In unseren Berliner Häusern zum Beispiel steigt keine neue Pflegefachkraft unter 3000 Euro brutto im Monat ein. Wir könnten es uns ja auch gar nicht leisten, schlecht zu zahlen. In Deutschland fehlen derzeit rund 26.000 Pflegekräfte, alle Betreiber haben das gleiche Problem, dass ihnen Mitarbeiter fehlen. Eine Pflegekraft, die so ausgebeutet würde, wie es in der Berichterstattung teils rüberkommt, müsste also nur die Straßenseite wechseln, um einen besseren Arbeitgeber zu finden.

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