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Die Auftragsflaute hält auch zu Beginn des Jahres an.

© Bernd Weißbrod/dpa

„Aus Innovatoren werden Bürokratoren“: Maschinenbau trotz Krise optimistisch

Die Firmen investieren zu wenig, kritisiert die IG Metall. Doch keine andere Branche beschäftigt so viele Ingenieure – das spricht für die Innovationskraft.

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Technologien aus dem Mittelstand stehen für Produktivität und Effizienz. „Eine Welt im Wandel – angetrieben von unseren Maschinen und Anlagen“, reklamiert der Verband der Maschinenbauer eine Sonderstellung der größten deutschen Industriesparte: „Wir gehen voran!“

Aber nicht mehr lange, befürchten IG Metall und Aktionärsschützer. „Mit ihrer Investitionsbremse setzen die Chefetagen die Zukunftsfähigkeit einer Kernbranche aufs Spiel“, sagt Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der Gewerkschaft.

Und beim „Transformationsradar“, mit dem die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kürzlich die Zukunftsfähigkeit der 100 größten börsennotierten Unternehmen ermitteln ließ, schnitt der Maschinenbau erstaunlich schlecht ab. Die Branche sei noch stärker bedroht als die unter hohen Energiepreisen leidende Chemieindustrie. Der Fachkräftemangel mache den Firmen zu schaffen und es gebe eine „Innovationsschwäche bei gleichzeitig hohen Strukturkosten und altmodischen Organisationen“, konstatierte die DSW.

Eine Million, zumeist hoch qualifizierte Mitarbeitende sind im Maschinen- und Anlagenbauer tätig. Mit leichter Tendenz nach unten. 2024 schrumpfte die Produktion um gut sieben Prozent, in ähnlicher Größenordnung fielen die Exporte.

In den wichtigsten Markt, die USA, lieferten die Firmen zwei Prozent weniger Maschinen; die Ausfuhren nach China gaben sogar um 4,5 Prozent nach. Das ist bitter für die deutsche Spitzenbranche, die 80 Prozent ihrer Produkte im Ausland verkauft.

Im laufenden Jahr geht es weiter abwärts, auch weil „die preisliche und technologische Wettbewerbsfähigkeit“ der Deutschen gelitten hat, wie Ralph Wiechers, Konjunkturexperte beim Branchenverband VDMA sagt. Dafür gibt es Gründe, die der Verband weniger in den Unternehmen selbst, als in den Rahmenbedingungen ausmacht.

Wenn der Gegner mit staatlichen Mitteln gedopt ist, wird es schwer, das Spiel zu gewinnen.

Hartmut Rauen, Vizechef des Maschinenbauverbandes, über die chinesische Konkurrenz

Zur Erklärung wählt VDMA-Vizechef Hartmut Rauen ein Bild aus dem Sport. „Unsere Firmen gehen mit Skischuhen auf das Spielfeld und mit einem Rucksack voller Richtlinien.“ Das sei schon schlimm genug, aber dann halte sich nur die deutsche Mannschaft an die Spielregeln. „Wenn der Gegner auch noch mit staatlichen Mitteln gedopt ist, wird es schwer, das Spiel zu gewinnen.“ Die gegnerische Mannschaft besteht überwiegend aus chinesischen Spielern.

Chinesische Maschinenbauer haben aufgeholt. Batteriefabriken beispielsweise werden in Europa nahezu ausschließlich mit chinesischen Anlagen ausgerüstet. Und dennoch: „Dank leistungsstarker Ingenieurwissenschaften und gewachsener Wertschöpfungsnetzwerke haben wir einen herausragenden Innovationsraum“, fasst Rauen eine Studie aus dem vergangenen Herbst zusammen.

Deutschland ist aus Sicht der Unternehmen der attraktivste FuE-Standort vor den USA. Den letzten Platz der verglichenen 13 Länder belegte China.

34
Prozent der Firmen wollen weniger investieren

Im Rahmen ihres diesjährigen „Trendmelders“ hat die IG Metall 630 Betriebsräte im Maschinenbau zur aktuellen Lage befragt. 53 Prozent schätzen die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Firmen gut oder sehr gut ein. „Für eine Technologiebranche, die maßgeblich vom Export lebt, ist das eine äußerst bedenkliche Entwicklung“, meint Gewerkschaftsvize Kerner.

Aus Sicht der IG Metall ist diese Entwicklung eine Folge mangelnder Investitionen. Und eine Trendwende sei nicht erkennbar. Im Gegenteil: 34 Prozent wollen den Angaben zufolge weniger investieren, nur 14 Prozent planen höhere Ausgaben. „Der Maschinen- und Anlagenbau muss eine Investitionsoffensive starten“, fordert Kerner.

Weniger Bürokratie aus Brüssel

Der Gewerkschafter und Verbandsvertreter Rauen liegen in der Einschätzung der Standortbedingungen eng beieinander: Energie kostet zu viel, Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern zu lange, Bürokratie blockiert Initiative.

Die 3600 Mitgliedsfirmen des VMA benötigten immer mehr Ressourcen und Know-how für bürokratische Prozesse. „Aus unseren Innovatoren machen wir Bürokratoren“, sagt Rauen, „da immer mehr Richtlinien zu berücksichtigen sind“.

Immerhin: Das kürzlich in Brüssel vorgestellte Omnibus-Verfahren zur Verringerung von Berichtspflichten mache Hoffnung. „Wir brauchen weniger Last im Rucksack, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können.“

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Um die Technologieführerschaft der deutschen Maschinenbauer macht sich Rauen erheblich weniger Sorgen als die IG Metall oder die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. „Von Innovationsschwäche kann keine Rede sein“, sagt er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Aktuell beschäftigen unsere Unternehmen 190.000 Ingenieure. Und seit Jahren sind wir die Nummer eins bei Patenanmeldungen in Europa.“

Ein Booster für Investitionen sei die vor einem Jahr von der viel geschmähten Ampel-Regierung erhöhte Forschungszulage im Rahmen des Wachstumschancengesetzes. Mittelständische Unternehmen können nun bis zu 35 Prozent der Aufwendungen für Forschung- und Entwicklung steuerlich geltend machen. „Der Maschinenbau hat mit gut 2300 Antragstellern (Stand Dezember 2024) bereits eine Nutzungsquote von 67 Prozent erreicht“, sagt Rauen. Das sollte auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) befördern.

Der Aktionärsvereinigung DSW zufolge haben 90 der 100 größten börsennotierten Unternehmen keine Pläne für den Einsatz von KI. Das gilt Rauen zufolge jedoch nicht für den Maschinenbau. „Im Branchenvergleich liegen wir in Deutschland auf Platz eins, und beim Einsatz von KI in Produktionsprozessen sogar weltweit.“ Die Bundesrepublik sei auch deshalb „ein Hotspot von KI-Startups rund um die Produktion“.

Trotz der aktuellen Flaute sieht Rauen die Branche gut gerüstet für die digitale Zukunft. „Wir sind führend bei der Ausrüstung der Industrie 4.0 und beim Thema Datenraum auch ganz vorne.“ Selbst die IG Metall ist inzwischen optimistischer. „Die neue Bundesregierung muss attraktive Anreize setzen für private Investitionen und selbst massiv in die Infrastruktur investieren“, hatte die größte deutsche Gewerkschaft Ende Februar gefordert. Genau das haben CDU und SPD gerade vereinbart.

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