
© Arne Dedert/dpa
Zu träge und wenig innovativ: Schlechtes Zeugnis für die größten Aktiengesellschaften
Eine Studie der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz zeigt: Die großen börsennotierten Unternehmen haben viele Probleme in der derzeitigen Wirtschaftskrise selbst zu verantworten.
Stand:
Die großen börsennotierten Unternehmen reagieren zu schwach auf den Wettbewerbs- und Veränderungsdruck. Und fast alle sind „viel zu wenig innovativ“ – und das bereits seit zehn Jahren. Erstaunlich schlecht schneidet der Maschinen- und Anlagenbau ab, der mit rund einer Million Beschäftigten größte Industriebereich hierzulande.
In einem „Transformationsradar“ hat die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) die Zukunftsfähigkeit der 100 größten börsennotierten Unternehmen ermitteln lassen. „Wenn Unternehmen klare Ziele haben, finden sie auch einen Weg, diese zu erreichen“, meinte DSW-Geschäftsführer Marc Tüngler bei der Vorstellung der Studie. Und wenn nicht, „erkennt Private Equity das Potenzial und übernimmt das Ruder“.
Die DSW versteht sich als führende deutsche Aktionärsvereinigung. „Ein guter Teil der Probleme ist hausgemacht“, konstatiert Tüngler. Nicht nur die Politik, auch viele Unternehmen agierten zu bürokratisch und unter einer „Lehmschicht, die Veränderungen behindert“.
Im Auftrag der DSW hat die Strategieberatung Advyce & Company die großen Aktiengesellschaften analysiert. „Die Lage ist ernst“, fasste Advyce-Geschäftsführer Burkhard Wagner die Ergebnisse zusammen. „Panik ist aber nicht angebracht.“
Energiepreise, Steuern und Zölle, Personalkosten, Fachkräftemangel und Regulatorik machten den Firmen zu schaffen. Am bedrohlichsten jedoch sei die Innovationsträgheit der Unternehmen selbst.
Weniger Patente angemeldet
Die Zahl der angemeldeten Patente ging Advyce zufolge in den vergangenen zehn Jahren um ein Fünftel zurück. Aktuell liege die durchschnittliche F&E-Quote (für Forschung & Entwicklung) bei nur noch 4,6 Prozent und damit um 50 Prozent unter dem globalen Wettbewerb.
Nur die Auto- und Pharmaindustrie sowie die Softwarebranche investierten in einem ähnlichen Umfang wie die Konkurrenz. Sehr schwach schneiden dagegen die Rüstungsindustrie ab sowie der Maschinenbau.
Alles in allem hätten rund 90 Prozent der Unternehmen keine Pläne für den Einsatz Künstlicher Intelligenz. „Für ein Land mit hohen Faktorkosten ist das brisant“, meinte Studienautor Martin Geissler.
Energie-, Personal- und Kapitalaufwand gehören zu den Faktorkosten. Dabei werde die Relevanz der Energie in der Debatte übertrieben. Energiekosten machten im Schnitt nur 3,6 Prozent des Umsatzes aus. Wagner sprach von einem „Energiemärchen“. Überdurchschnittlich betroffen seien indes Chemie-, Stahl- und Rohstoffunternehmen.
Gravierender als die Energie- sind die Struktur- und Lohnkosten. „Für uns ist das der wichtigste Faktor“, sagte Wagner. Die Belastung erstrecke sich über alle Branchen, jedoch seien Einzelhandel- und Konsumgüterfirmen sowie der Finanzsektor am stärksten betroffen.
Effiziente Prozesse reduzieren Strukturkosten, indem Personal und Kapital gespart wird. Doch auch bei diesem Thema gebe es „noch viel Luft nach oben“, wie Geissler sagte. Den besten Effizienzwert erreichten Finanzdienstleister, insbesondere Versicherungen, aufgrund weitreichender Digitalisierung. Die deutschen Autohersteller dagegen blieben hinter Tesla und Toyota zurück.
Der internationale Wettbewerbsdruck mache exportorientierten Firmen aus dem Automobil- und Maschinenbau zu schaffen. Dagegen profitierten der Handel- und Konsumgüterbereich von protektionistischen Tendenzen und höheren Markteintrittsbarrieren.
Defizite in der agilen Organisation bescheinigen die Studienautoren wiederum fast allen untersuchten Branchen und Unternehmen. Agilität sei wichtig, um schnell auf Marktveränderungen zu reagieren. Relativ gut schneiden hierbei Tech-Firmen und Finanzdienstleister ab, eher träge sind dagegen Maschinenbauer sowie die Versorgungsbranche.
Ohne eine höhere Bereitschaft zu Veränderungen würden viele Unternehmen nicht überleben, schlussfolgerten die Studienautoren ihre Ergebnisse. „Transform or die“, meinte Advyce-Chef Wagner.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: