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Die Hermann-Hesse-Bahn bei Calw ist ein jüngeres Beispiel für die Reaktivierung alter Bahntrassen.

© Bernd Weißbrod/dpa

21 Kilometer in zwei Jahren: Verbände kritisieren „Schneckentempo“ bei Reaktivierung alter Bahnstrecken

Durch die Nutzung einst stillgelegter Bahnstrecken bekämen Millionen Menschen in Deutschland wieder Zugang zum Schienennetz. Die Liste der Trassen, die dafür infrage kommen, wird immer länger.

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Nach Ansicht des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und der Allianz pro Schiene werden zu wenige stillgelegte Bahnstrecken in Deutschland wieder reaktiviert. Innerhalb von zwei Jahren wurden lediglich 21 Streckenkilometer wiederbelebt, erklärten die beiden Verbände am Montag in Berlin.

Oft sind die stillgelegten Bahnstrecken nur wenige Kilometer lang - doch durch ihre Reaktivierung bekämen vor Ort Tausende Menschen wieder Zugang zum Bundesschienennetz. Eine aktuelle Liste solcher einstigen Trassen, die für eine Wiederinbetriebnahme infrage kämen, haben der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und die Allianz pro Schiene (ApS) vorgelegt.

In diesem Jahr kamen 74 davon mit insgesamt 949 Kilometern hinzu. Damit „warten wir inzwischen bei 325 Strecken mit 5426 Kilometern Länge auf die Umsetzung der Reaktivierung“, erklärte Martin Henke vom VDV.

Im laufenden Jahr rechnet Dirk Flege von der Allianz pro Schiene mit insgesamt 30 Kilometern, die wieder nutzbar gemacht werden. „Angesichts dieses Schneckentempos müssen Bund und Länder dringend mehr tun, um Initiativen vor Ort zu unterstützen“, forderte er. 379 Städte und Gemeinden mit 3,8 Millionen Einwohnenden könnten durch die Vorschläge der Organisationen wieder ans Schienennetz angeschlossen werden. Auch die regionale Wirtschaft könne profitieren, erklärten die Verbände.

Verbände fordern mehr Tempo bei Reaktivierungen

Eine Reaktivierung dieser Trassen könnte die Wirtschaft auf regionaler Ebene erheblich stärken, sagte VDV-Fachmann Martin Henke. „Der Anschluss an das bundesweite Schienennetz ist ein Mittel gegen das Abgehängtsein und damit ganz klar ein Politikum.“ Rund 3,8 Millionen Menschen in knapp 380 Städten bekämen durch die vorgeschlagenen Reaktivierungen wieder einen direkteren Zugang zum Bahnnetz, hieß es. 

Zu den Strecken, von denen besonders viele Menschen profitieren würden, gehören demnach die Bottwartalbahn zwischen Heilbronn und Marbach in Baden-Württemberg oder die Brexbach- beziehungsweise Holzbachtalbahn zwischen Engers-Siershahn-Selters-Altenkirchen in Rheinland-Pfalz. 

Von der Politik forderten die zwei Verbände, Planungsverfahren zu vereinfachen und Fördermittel aufzustocken. Eine Aufstockung der Gelder im sogenannten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) auf drei Milliarden Euro jährlich ab 2025 hätte nach Ansicht des VDV „eine extreme Hebelwirkung, um unsere Infrastrukturen schneller ausbauen zu können“. Gleichzeitig sei aber auch klar, dass die großen ökonomischen und verkehrlichen Herausforderungen in Deutschland nicht allein mit Reaktivierungen von Bahnstrecken bewältigt werden könnten.

Der Bund refinanziert bis zu 90 Prozent der Reaktivierungskosten über das sogenannte Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel wurden kürzlich auf rund zwei Milliarden Euro verdoppelt. Voraussetzung für die Unterstützung des Bundes ist unter anderem eine aufwendige Machbarkeitsstudie, die die Wirtschaftlichkeit der Reaktivierung belegen muss. DV und Allianz pro Schiene fordern indes eine weitere Aufstockung auf drei Milliarden Euro. (dpa)

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