Wirtschaft: Berlin prüft Klage gegen Tabakwerbeverbot
Zeitungsverleger befürchten Ausweitung auf weitere Produkte /Ärzte kritisieren Blockadehaltung der Deutschen
Brüssel (fw/msb). Die Bundesregierung prüft, ob sie gegen das Tabakwerbeverbot der Europäischen Union vor den Europäischen Gerichtshof ziehen will. Der Staatssekretär im Verbraucherministerium, Alexander Müller, sagte am Montag in Brüssel, maßgeblich dafür sei, inwieweit das Verbot auch ausschließlich nationale Werbung betreffe.
Die EUMitgliedstaaten hatten zuvor gegen die Stimmen Deutschlands und Großbritanniens beschlossen, dass in Zeitungen, Zeitschriften, im Radio und im Internet europaweit nicht mehr für Zigaretten und andere Tabakprodukte geworben werden darf. Tabakkonzerne dürfen grenzüberschreitende Großveranstaltungen wie die Formel1 nicht mehr sponsern. Verbraucherkommissar David Byrne begründet die Richtlinie mit dem Gesundheitsschutz: „In der EU muss die Tabakindustrie jedes Jahr 500 000 Nichtraucher zu Rauchern machen, um diejenigen zu ersetzen, die pro Jahr an den Folgen des Tabakkonsums sterben“, sagte er.
Die Bundesregierung vertritt mit ihrer Position gegen das Werbeverbot die Interessen der Tabakindustrie und der Zeitungsverleger. Zudem hat das Finanzministerium im vergangenen Jahr über zwölf Milliarden Euro an Tabaksteuern eingenommen.
Das Tabakwerbeverbot ist sehr umstritten: Im Oktober 2000 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH)bereits eine erste Version des Verbots aufgehoben, weil Deutschland und einige Tabakfirmen dagegen geklagt hatten. Der EuGH hatte den Klägern Recht gegeben, dass die Kommission mit dem Verbot ihre Kompetenzen überschritten habe. Nun hat die Kommission ihren Vorschlag leicht verändert und das Verbot an Plakatwänden und im Kino aus dem Vorschlag verbannt.
Er soll nun vor allem gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt garantieren. Denn in Frankreich, Belgien, Finnland, Schweden und Portugal ist Zigarettenwerbung bereits verboten. Dieser uneinheitliche Binnenmarkt wirke wettbewerbsverzerrend, sagen Befürworter der Richtlinie. Die Betreiber der Formel Eins im belgischen Spa hatten beispielsweise angekündigt, zum deutschen Nürburgring überzuwechseln.
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Hartmut Nassauer, sprach sich am Montag für eine Klage der Bundesregierung gegen das Verbot aus. Die EU-Kommission überschreite damit klar ihre Kompetenzen, sagte Nassauer. Es sei Sache der Mitgliedstaaten, über Werbeverbote zu entscheiden, die sie für gesundheitspolitisch erforderlich halte. Auch die deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverleger wollen die Entscheidung des Rats nicht akzeptieren. „Mindestens eines unserer Mitglieder wird erneut vor den Europäischen Gerichtshof ziehen“, sagte Wolfgang Fürstner, Sprecher des Verbands Deutscher Zeitungsverleger, am Montag in Berlin. Es gehe momentan weniger um die ökonomische Bedeutung der Tabakwerbung – die mache von den insgesamt vier Milliarden Euro Brutto-Werbeumsatz lediglich einen Prozentpunkt aus, also rund 40 Millionen Euro. „Wir befürchten allerdings, dass es einen Dominoeffekt gibt und dann bald auch Werbung für Autos, Spielzeug Alkohol oder Pharmazeutika verboten wird“, sagte Fürstner. Das könnte nach Angaben des Geschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft, Volker Nickel, für die Medien, die Agenturen und die Werbemittelproduktion in Deutschland Einnahmeverluste von 4,67 Milliarden Euro bedeuten. Die Bundesärztekammer kritisierte die Haltung Deutschlands scharf. „Das Verhalten der Bundesregierung ist skandalös“, sagte Ärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe. In Deutschland rauchten mittlerweile 23 Prozent der 15-jährigen täglich.
Die Tabakindustrie befürchtet keine Auswirkungen von einem Werbeverbot auf den Tabakkonsum. Axel Heim vom Verband der Cigarettenindustrie sagte, „wir werben nur, um um die Marktanteile zu kämpfen“.
Die Richtlinie muss bis 2005 in nationales Recht umgesetzt werden.
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