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Die Theorie-Stunden bei der Fahrschule muss man bisher vor Ort absolvieren.

© picture alliance/dpa

Wegen Coronavirus: Bieten Fahrschulen Theorie-Stunden bald online an?

Bisher schrieb das Gesetz Präsenzunterricht vor. Das könnte sich dank Corona nun ändern. Doch viele Fahrlehrer wollen gar nicht auf E-Learning umsteigen.

An diesem Montag sollen die Fahrschulen schrittweise wieder öffnen dürfen. Zumindest in Baden-Württemberg und Bayern, andere Bundesländer folgen in Kürze. In Nordrhein-Westfalen und Hessen durften die Fahrlehrer schon früher wieder starten – jedenfalls in einigen Landkreisen und unter strengen Auflagen. Wann und unter welchen Bedingungen die Fahrschulen ihren Betrieb aufnehmen dürfen, legen die jeweiligen Bundesländer fest. Das führte bei Fahrlehrern teilweise zu Ärger.

Wie auch ein im März vom Bundesverkehrsministerium verschickter Brief an die Bundesländer. Darin empfiehlt der Bund den Ländern, im Fahrschulbereich vorübergehend und weitgehend vorhandene digitale Verfahren zu nutzen, auch E-Learning. Das ist ein Novum. Denn momentan ist das nicht erlaubt. Das Gesetz schreibt Präsenzunterricht bei der Theorieausbildung vor.

Die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) kritisiert den Vorstoß aus dem Verkehrsministerium. „Von der Möglichkeit, durch E-Learning den Fahrschulunterricht in völlig anderer Form als bisher anbieten zu dürfen, bitten wir auf alle Fälle, Abstand zu nehmen“, schreibt deren Vorsitzender Dieter Quentin, selbst Fahrschullehrer, an den zuständigen Ministerialdirektor Guido Zielke in einem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Finanzielle Sorgen der Fahrlehrer

Quentins Begründung: Die für den Führerscheinerwerb erforderliche Beeinflussung von Einstellungen der Fahranfänger könne nur im persönlichen Kontakt und im direkten Austausch mit dem Fahrlehrer und den Mitschülern „erfolgversprechend gewährleistet werden“.

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Auch befürchtet Quentin, ein solches Modell könne Fahrschulen in der wirtschaftlich ohnehin schon sehr angespannten Situation belasten, da diese zusätzliche Investitionen für beispielsweise Webcams und entsprechende Software leisten müssten. In einer Umfrage der Interessenvertretung Moving International Road Safety Association gab ein Drittel der Befragten an, infolge der Coronakrise und den damit verbundenen Einschränkungen um ihre Existenz zu bangen. Rund 3000 der insgesamt 10.000 Fahrschulen stünden damit vor dem Aus.

Start-ups bieten digitale Lösungen an

Es gibt aber auch Befürworter des E-Learnings: Online-Unterricht werde die Fahrschulen entlasten, auch wirtschaftlich, sagt Lasse Schmitt. Gemeinsam mit Robin Stegemann betreibt er die Fahrschul-Plattform DrivEddy. Für viele kleine Fahrschulen sei es unmöglich, den vorgeschriebenen 1,50-Meter-Abstand zwischen den Schülern im Lehrraum einzuhalten.

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„Rund 80 Prozent der Fahrschulen müssen demnach zurzeit per Gesetz weiter geschlossen bleiben, weil sie die Hygienevorschriften nicht einhalten können“; oder die Kosten machten bei reduzierter Teilnehmerzahl ökonomisch keinen Sinn, da nicht genügend Fahrschüler ausgebildet werden könnten, um die hohen Fixkosten zu decken, sagt Schmitt. „Für das Überleben des Sektors ist Online-Learning also unerlässlich“, betont der Gründer, der seit dem Start von DrivEddy 2018 für eine Gesetzesänderung kämpft, die den Einsatz von Blended Learning, einer Mischung von Präsenz- und Digitalstunden, im Theorieunterricht erlaubt.

Einige Länder machen Online-Theorie möglich

In den Bundesländern hat man indes unterschiedlich auf das Schreiben des Bundesverkehrsministeriums reagiert. So kann in Nordrhein-Westfalen laut einer im April erlassenen – und noch immer gültigen – Allgemeinverfügung der theoretische Unterricht „nach Möglichkeit vollständig oder teilweise im Fernunterricht zum Beispiel unter Nutzung von E-Learning-Plattformen erfolgen“. Erforderlich sei dafür allerdings eine Genehmigung der zuständigen Kreisordnungsbehörde, teilte ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums dem Tagesspiegel mit.

In Schleswig-Holstein soll der normale theoretische und praktische Betrieb unter Auflagen ab dem 18. Mai wieder möglich sein. „Für E-Learning-Angebote stehen wir gleichwohl offen“, sagt ein Sprecher des dortigen Verkehrsministeriums. In Bayern dagegen seien E-Learning-Angebote während der Coronakrise kein Thema, hieß es auf Nachfrage. Auch in Baden-Württemberg bestehe seit den Lockerungen „kein Bedürfnis, vorübergehend Ausnahmegenehmigungen für die Durchführung von Online-Theorieunterricht zu erteilen“.

Ungeachtet der aktuellen Lage startet DrivEddy an diesem Montag eine neue Blended-Learning-Plattform. Der Unterricht wird dort per Video-Livestream unter Betreuung eines erfahrenen Fahrlehrers abgehalten, via Live-Chat können die Teilnehmenden Fragen stellen. Anrechnen lassen können sich die Schüler die dort absolvierten Unterrichtsstunden aufgrund der aktuellen gesetzlichen Lage allerdings nicht.

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