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Chefwechsel beim Lobbyclub der Industrie : CDU-Politiker übernimmt Initiative
Die von der Metallindustrie finanziert Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft rückt nach rechts: Thorsten Alsleben folgt auf Hubertus Pellengahr.
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Die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) rückt weiter nach rechts. Der CDU-Politiker Thorsten Alsleben soll im kommenden Jahr die Führung des Lobbyvereins übernehmen, der im Jahr 2000 von den Verbänden der Metallindustrie gegründet worden war. Alsleben, derzeit Hauptgeschäftsführer der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), sei selbst dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zu reaktionär, heißt es in Verbandskreisen.
Doch offenbar hat der Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander seinen Duzfreund Thorsten in den Regionalverbänden durchgesetzt. „Die beiden sind aus dem gleichen evangelikalen Holz geschnitzt“, heißt es in einem Verband. Die Position an der INSM-Spitze muss neu besetzt werden, weil der Vertrag von Hubertus Pellengahr nach zwölf Jahren nicht verlängert wird.
Mit einem hohem dreistelligen Millionenbetrag haben die Regionalverbände der Metallindustrie in den vergangenen 22 Jahren die INSM finanziert, damit diese unter anderem mit Kampagnen Einfluss nimmt auf die öffentliche Meinungsbildung. Dabei agierte der Lobbyverein, der 2022 ein Budget von rund sieben Millionen Euro zur Verfügung hat, nicht immer glücklich.
Besser gesagt: Die INSM geriet gelegentlich zwischen die Fronten im Arbeitgeberlager. Zum Beispiel im Juni 2021 als auf einer INSM-Anzeige Annalena Baerbock wie einst Moses mit Gebotstafeln abgebildet wurde. Auf den Tafeln standen Verbote wie „Du darfst nicht fliegen“ und „Du darfst kein Verbrenner-Auto fahren“. Eine originelle Idee im Bundestagswahlkampf, dachte man sich bei der INSM.

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Empörter als die Grünen-Politikerin selbst reagierte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Ausgerechnet Kampeter, der auf dem CDU-Ticket vor sechs Jahren an die BDA-Spitze gekommen war und dort den langjährigen CDU-Mann Reinhard Göhner abgelöst hatte. „Persönliche Herabsetzungen und eine misslingende Verwendung christlicher Symbolik sind kein angemessener Umgang“, ließ Kampeter mitteilen, was wiederum in den eigenen Reihen als illoyales Verhalten oder „Schuss in die eigene Jagdgesellschaft“ gewertet wurde.
Kampeter gegen Zander
Kampeters Reaktion hing nur vordergründig mit seinem Stilempfinden zusammen. Er wollte sich vielmehr an Oliver Zander/Gesamtmetall rächen, weil der zuvor mit anderen Verbänden eine INSM-Anzeige gegen das Lieferkettengesetz unterschrieben hatte.
Auch die BDA unterschrieb, weil BDA-Präsident Rainer Dulger, der vor zwei Jahren von Gesamtmetall zur BDA aufgestiegen war, die Anzeige befürwortete. Kampeter war düpiert, da er zuvor den Lieferkettenkompromiss mit der Bundesregierung goutiert hatte. Die Baerbock-Moses-Anzeige verursachte Wirbel - und gab Kampeter die Gelegenheit, gegen Zander zu keilen.

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Ursprünglich kamen die beiden Spitzenfunktionäre gut miteinander aus. Zander, seit 2013 Hauptgeschäftsführer bei Gesamtmetall, war guter Dinge, als Kampeter 2016 Göhner bei der BDA ablöste. Göhner hatte 20 Jahre die BDA geführt. Den jungen Zander an der Spitze des mächtigen Dachverbandes der Metallindustrie hielt er für ein Leichtgewicht und ließ ihn das auch wissen. Mit Kampeter sah sich Zander auf Augenhöhe. Mindestens.
Doch Kampeter wurde zunehmend kritisiert, weil er als BDA-Chef die Distanz zur CDU vermissen ließ. Als Rainer Dulger, damals noch Gesamtmetallpräsident, den CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier als schlechtesten Minister im Kabinett abkanzelte, war Kampeter empört.
Als Dulger 2021 zur Wahl der CDU aufrief, fand Kampeter das in Ordnung. Nachdem Dulger vor zwei Jahren BDA-Präsident geworden war, gingen viele in den Verbänden davon aus, dass er Zander zum Hauptgeschäftsführer der BDA machen würde. Zumal Dulgers Nachfolger bei Gesamtmetall, Stefan Wolf, von Zander ähnlich viel hält wie einst Göhner. Doch es passierte nichts.
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Ein Opfer der Männerspiele in den Verbänden ist nun Hubertus Pellengahr. Nach der Baerbock-Posse entwickelte er mit seinen Mitarbeitern ein Neustart-Konzept für die INSM: anderer Ton ohne persönliche Verunglimpfungen, positive Lösungsvorschläge statt nur Miesepeterei.
Doch der bayerische Metallverbandsgeschäftsführer Bertram Brossardt wollte Pellengahr loswerden. Dem Vernehmen nach haben wichtige Mitgliedsfirmen - BMW, Siemens, Audi gehören unter anderem zum Bayernverband - von Brossard Konsequenzen aus der Baerbock-Affäre verlangt. Diese Unternehmen dürfen nun gespannt sein auf Thorsten Alsleben.
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