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Niemand da – außer ein paar Streikposten. Der BER am 24. April.

© dpa/Jörg Carstensen

Dauerärger am Flughafen: Tarifkonflikt zieht sich bis ins nächste Jahr

Am 9. Mai verhandeln Verdi und Arbeitgeber zum zwölften Mal über Zuschläge für das Sicherheitspersonal. Der größte Streitpunkt bleibt offen.

Die Reisesaison kommt näher – und die Angst vor chaotischen Zuständen an den Flughäfen. Ein halbes Dutzend Mal hat Verdi in den vergangenen Monaten das Service- und Sicherheitspersonal der Flughäfen für höhere Zuschläge und Zulagen streiken lassen. Am 9. Mai möchten die Tarifparteien den Konflikt endlich lösen, damit er nicht die Sommersaison belastet.

Ein Kompromiss ist wahrscheinlich, indem Verdi und Arbeitgeber den größten Streitpunkt ausklammern und verlagern: Zuschläge für Mehrarbeit. Das Thema taucht vermutlich wieder auf in der Entgelttarifrunde Anfang 2024. Für die Luftfahrt ist das erstmal eine gute Nachricht: Weitere Streiks des Sicherheitspersonals sind in diesem Jahr unwahrscheinlich.

Der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) hat Verdi nach den letzten Verhandlungen Ende April gewarnt: Es wäre ein „absoluter Affront“, so schreibt der Arbeitgeberverband, wenn die Gewerkschaft zum Warnstreik aufrufen würden. In dem Fall werde man den für den 9. Mai verabredete Verhandlungstermin nicht wahrnehmen. Verdi reagierte empört, sieht das Streikrecht gefährdet und ruft Skandal. Eine Gewerkschaft, die nicht mit Streik drohen könne, bewege sich nicht mehr auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern, schimpfte Wolfgang Pieper, der für Verdi die Verhandlungen führt. Das ist Theaterdonner. Auch Pieper will am 9. Mai ein Ergebnis. Die eigenen Leute werde ungeduldig, denn es ist inzwischen der 12. Verhandlungstermin.

25.000
Beschäftigte haben die Luftsicherheits- und Servicefirmen

Alles in allem beschäftigen die Luftsicherheits- und Serviceunternehmen an den Flughäfen, darunter Securitas, Wisag und Gegenbauer, hierzulande rund 25.000 Personen. Weil fast keine Überstundenzuschläge gezahlt werden, verabredeten die Tarifparteien bereits vor Jahren Verhandlungen darüber. Dann kam Corona, die Branche stand im Lockdown, Tarifgespräche machten keinen Sinn. Bis zum Herbst 2022. Aufgrund der seit Januar durchgeführten Warnstreiks – der heftigste war am 27. März, als gut 300.000 Passagiere am Boden blieben – haben sich die Arbeitgeber bewegt.

Keine Zuschläge für Mehrarbeit

Der BDLS bietet eine Erhöhung des Nachtzuschlags von 15 auf 20 Prozent für den Zeitraum von 22 Uhr bis 6 Uhr an, allerdings erst ab 2024. Nachtzuschläge an Sonn- und Feiertagen sollen künftig bezahlt werden, der Sonntagszuschlag von 40 auf 50 Prozent steigen, Pfingst- und Ostersonntag wie Feiertage mit 125 Prozent vergütet werden und der Zuschlag für Heiligabend und Silvester von 100 auf 125 Prozent steigen.

Schließlich legten sie eine Erhöhung des Mehrarbeitszuschlags von 25 auf 30 Prozent für Überstunden auf den Verhandlungstisch. Doch von welcher Stunde an die Überstundenzuschläge zu zahlen sind, ist heftig umstritten. Und zum jetzigen Zeitpunkt nicht lösbar aufgrund der Ausgangslage. Dass an den Flughäfen Mehrarbeit ohne Zuschläge erbracht wird, erklärt Verdi-Verhandlungsführer Pieper mit der Historie: Die Stundenlöhne der häufig angelernten Servicekräfte an den Flughäfen seien so niedrig gewesen und dazu Teilzeit weit verbreitet, dass die Beschäftigten gerne und ohne Zuschläge Mehrarbeit geleistet hätten. Die zusätzlichen Arbeitsstunden werden normal vergütet, aber eben ohne Zuschläge.

Wolfgang Pieper führt für Verdi die Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband BDLS.
Wolfgang Pieper führt für Verdi die Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband BDLS.

© Bender

Zuletzt legten die Arbeitgeber ein Angebot vor, das Verdi nicht akzeptieren kann, ohne die eigenen Leute zu verprellen: Danach würde es von 2024 an Zuschläge geben – ab der 29. Stunde, die über der vertraglichen Arbeitszeit liegt; die ersten 28 Stunden Mehrarbeit im Monat blieben also zuschlagsfrei. In Stufen würde das zuschlagsfreie Stundenvolumen bis 2027 dann auf 17 Stunden sinken. Verdi lehnt das als völlig unzureichend ab. Dafür haben die Beschäftigten nicht gestreikt, sagt Pieper, und wirft den Arbeitgebern vor, „die Zeichen der Zeit nicht erkannt“ zu haben.

Die Personalnot an den Flughäfen werde immer größer, sodass die Bundespolizei zunehmend Aufgaben übernehmen müsse. In den bevorstehenden Sommerferien sei das vor allem an den Flughäfen in Nordrhein-Westfalen erforderlich, meint Pieper. Das Bundesinnenministerium beziehungsweise die Bundespolizei ist zuständig für die Sicherheitskontrollen und hat damit die privaten Security-Dienstleister beauftragt. 27 dieser Dienstleister organisieren ihre Interessen im Verband BDLS. Seit Corona haben sich die Probleme bei den Passagierkontrollen verschärft, da Personal fehlt.

Friedenspflicht endet im Dezember

Auf den zunehmenden Arbeitskräftemangel sei mit überdurchschnittlichen Stundenlohnerhöhungen reagiert worden, heißt es beim BDLS. 2022 habe es einen Tarifabschluss mit Lohnerhöhungen von bis zu 28 Prozent gegeben, „obwohl sich die Luftverkehrswirtschaft von der Pandemie noch nicht wieder gänzlich erholt hatte“.

Derzeit verdienen die angelernten Servicekräfte an den Flughäfen 14,46 Euro in der Stunde. Je nach Qualifizierung und Sicherheitsanforderung steigen die Löhne dann auf 17,19 bis 19,49 Euro. Der Gehaltstarifvertrag läuft Ende des Jahres aus. Die Friedenspflicht auch. Warnstreiks sind also von Januar an möglich.

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