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Erprobt. „In der Türkei wissen Firmen, wie man mit Krisen umgeht“, sagt Laibach.

© Kai-Uwe Heinrich

DEG-Geschäftsfüherin Laibach: „Wir müssen Firmen über Afrika aufklären“

DEG-Geschäftsführerin Christiane Laibach über das maue Engagement deutscher Unternehmen in Afrika, die Krise in der Türkei und die Digitalisierung.

Frau Laibach, als Sprecherin der Geschäftsführung der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) sind Sie eine Woche pro Monat in der ganzen Welt unterwegs. Was machen Sie auf den Reisen?

Unser Ziel ist, private Investitionen in Entwicklungsländer anzukurbeln. Wie wichtig das ist, hat uns auch die aktuelle Frage nach der Bekämpfung möglicher Fluchtursachen noch einmal vor Augen geführt. Bei meinen Reisen spreche ich mit Investoren, Banken und Unternehmern. Ich halte mich in Geschäftszentren auf, aber ich gehe auch ganz bewusst regelmäßig raus zu den Firmen vor Ort und schaue mir Produktionsanlagen und die Lebensbedingungen dort an. Ich reise in alle Regionen, in die das Geld der DEG fließt: in Asien, Lateinamerika und natürlich Afrika, wo wir rund zwei Milliarden Euro investiert haben. Die von uns mitfinanzierten Unternehmen schaffen dort Arbeit und Einkommen für rund 400 000 Menschen.

Zwei Milliarden in ganz Afrika. Klingt vergleichsweise wenig.

Ein Viertel unseres Portfolios, das insgesamt 8,3 Milliarden Euro umfasst, ist in Afrika investiert – überproportional viel, wenn man etwa die Wirtschaftskraft dort mit der Asiens vergleicht. Wir setzen aber vor allem auf die Hebelwirkung unserer Investitionen. Unsere zwei Milliarden Euro generieren ungefähr das Fünffache, also unternehmerische Investitionen in Höhe von rund zehn Milliarden.

Wie funktioniert das?

Wir stecken Geld in eine Firma, meist für ungefähr sieben Jahre, um Wachstum zu ermöglichen und zu begleiten. Nach dem Ausstieg investieren wir das Geld woanders neu. Unser Ziel ist es, die Unternehmer mit unserer Hilfe voranzubringen und für den privaten Finanzierungsmarkt zu öffnen.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wünscht sich mehr deutsche Investitionen in Afrika. Bislang sind aber kaum deutsche Firmen auf dem Kontinent aktiv. Haben Sie da versagt?

Wir können deutsche Unternehmen nur begleiten, wenn sie die Entscheidung treffen, in einem Entwicklungsland zu investieren. Wir sehen in Afrika viele Chancen für deutsche Firmen. Zugleich sind die Rahmenbedingungen dort oft schwierig.

Inwiefern?

Bevor ein Unternehmer ins Ausland geht, stellt er sich zu Recht viele Fragen: Wie sieht die Wirtschaftsverfassung in dem Land aus? Wie ist es um die Rechtssicherheit und Infrastruktur bestellt? Gibt es genügend ausgebildete Fachkräfte? In Afrika fallen die Antworten darauf nicht immer positiv aus.

Aber doch nicht überall in Afrika.

Natürlich nicht. Die mehr als 50 Länder sind nicht alle gleich. Es lohnt, sich intensiver mit dem Kontinent zu beschäftigen, zum Beispiel aktuell mit Äthiopien, einem der Compact-with-Africa-Länder. Wir müssen aber auch ehrlicherweise sagen: Die deutschen Firmen sind im Export in andere EU-Staaten oder nach China recht gut aufgestellt. Der Druck, auch in Afrika tätig zu werden, ist für sie momentan zumindest nicht groß genug.

Was muss sich ändern, dass afrikanische Staaten mehr deutsche Firmen anlocken?

Es gibt in Sachen Afrika nach meinem Eindruck hierzulande immer noch eine Informationslücke. Es müssen deutschen Unternehmern die Chancen aufgezeigt werden, die der Kontinent bietet. Hier kann die deutsche Politik stützend aktiv werden. Wir als DEG agieren direkt mit den Unternehmern. Hier gibt es andere Möglichkeiten, die Investitionsbedingungen in Afrika zu verbessern, etwa beim Thema Ausbildung: Gerade haben wir ein Ausbildungsprogramm in sechs afrikanischen Ländern aufgelegt, zusammen mit der Firma Knauf (einem Hersteller für Baustoffe, Anm. der Redaktion) und Geld aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Idee ist, dass gut ausgebildete Fachkräfte, die ein Land attraktiver für private Investoren machen, eher eine berufliche Perspektive in ihrem Heimatland finden,

Was kann denn die Bundesregierung für mehr private Investitionen in Afrika tun?

Ein Beispiel ist das Thema Doppelbesteuerung. Von mehr als 50 afrikanischen Ländern hat Deutschland gerade mal mit 13 Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Die meisten deutschen Firmen, die in Afrika investieren, werden dort und hier zugleich besteuert. Wir brauchen deshalb mehr Abkommen mit Afrika, die das verhindern. Für viele Länder in Asien oder Lateinamerika ist das bereits selbstverständlich.

Und welche Rolle spielen die afrikanischen Regierungen?

Ein starker Impetus zur Verbesserung der Investitionsbedingungen muss natürlich aus den Ländern selbst kommen. Die afrikanischen Regierungen müssen die Korruption bekämpfen und für mehr Rechtsstaatlichkeit sorgen. Es müssen viele Akteure zusammenwirken.

Es braucht also konzertierte Aktionen. Wie viel Einfluss können Sie auf afrikanische Regierungen ausüben?

Wir arbeiten nicht direkt mit ausländischen Regierungen zusammen, sondern mit Unternehmern. Wenn diese etwa selbst die Ausbildung vorantreiben wollen, unterstützen wir sie dabei. Unternehmer wissen am besten, was nötig ist und was sie konkret brauchen. Für die Zusammenarbeit mit den Regierungen von Entwicklungsländern gibt es andere Akteure, etwa die KfW Entwicklungsbank.

Über welche Zeiträume sprechen wir?

Grundsätzlich denken wir langfristig, denn spürbare Veränderungen brauchen ihre Zeit. Manchmal geht es mit dem Fortschritt aber auch recht schnell. Schauen Sie sich die Digitalisierung an: Die Bezahlsysteme mit dem Smartphone, die es in vielen afrikanischen Ländern gibt, bringen für die Menschen sehr schnell Verbesserungen für das tägliche Leben und kurbeln das Wachstum an. Außerdem zeichnen sich Unternehmer in Entwicklungsländern häufig durch hohe Kreativität aus. Sie überwinden Hürden oft schneller, als wir uns das in Deutschland vorstellen können.

Das Geld der DEG geht oft in wackelige Demokratien und wirtschaftlich schwache Staaten. Mussten Sie schon einmal eine Investition abschreiben?

Ja, aber weniger, als unser Hochrisikoportfolio vermuten ließe. Wir sind in deutlich riskanteren Investments unterwegs als Geschäftsbanken. Da bleibt es nicht aus, dass hin und wieder etwas schief geht. Aber man sieht an unserer Gewinnentwicklung, dass sich die gescheiterten Investitionen in Grenzen halten, wir können das verkraften.

Was ist zum Beispiel ein Hochrisikoland?

Wir unterscheiden drei Ländergruppen. Wir haben die Schwellenländer wie etwa Indien und ein, zwei andere, zum Beispiel auch die Türkei. Also Länder, die einen gewissen Entwicklungsstand haben, deren Banken und Finanzsystem grundsätzlich auf einem guten Weg sind. Am anderen Ende unserer Skala befinden sich die sogenannten fragilen Staaten, die am wenigsten entwickelt sind, weil sie etwa gerade aus politischen Konflikten herausgekommen sind. Zwischen diesen beiden Gruppen liegen viele andere Länder, die zwar nicht mehr zu den fragilen Staaten zählen, aber noch keine Schwellenländer sind.

Vor der Finanzkrise glaubten die USA und die EU, ihr Finanzsystem sei hoch entwickelt. Der Crash kam trotzdem.

Das stimmt. Wir sollten deshalb immer demütig bleiben. Aus unserer Sicht gehört zu einem entwickelten Finanzmarkt vor allem die Frage, wie die Banken aufgestellt sind, welche Strategien sie verfolgen, wie sie ihre Kreditvergabe handhaben. Und es geht darum, ob die Bankenaufsicht unabhängig agieren kann.

Ist das Ihrer Meinung nach in der Türkei derzeit noch gegeben?

Wir sind seit Jahrzehnten in der Türkei engagiert, wir kennen die dortigen Unternehmer, zum Teil über Generationen hinweg. Wir bleiben zuversichtlich, was die Türkei angeht. Es gibt dort eine sehr ausgeprägte Unternehmerkultur. Die dortigen Familienbetriebe wissen, wie man mit Krisen umgeht.

Die Gelder der DEG fließen auch über sogenannte Steueroasen. Unterstützen Sie damit Steuerflucht?

Ganz klar: Nein. Natürlich zahlen bei unseren Investitionen alle Beteiligten ihre Steuern. Wir nutzen für unsere Arbeit bestimmte „Private Equity Fonds“, die auf Schwellen- und Entwicklungsländer zugeschnitten sind. Das sind keine großen Publikumsfonds, wie sie die meisten Leute kennen. An den Fonds sind meist nur wenige Investoren beteiligt, sie werden von einem sehr versierten Manager verwaltet, der lokale Kenntnisse hat, sich in den entsprechenden Ländern gut auskennt. Wir haben als DEG die Aufgabe, private Investoren zu finden. Dafür müssen wir Standorte suchen, die gute Rahmenbedingungen dafür bieten – so wie es die „Offshore Financial Centres“ tun.

Deutschland kann diese Rahmenbedingungen nicht bieten?

Deutschland ist an sich ein guter Standort für Finanzgeschäfte, unser Rechtssystem wird überall geachtet, das Land ist stabil, das Bankensystem gut. Nur sind die Entwicklungsfonds ein sehr spezielles Segment, dafür bietet die Bundesrepublik nicht den günstigsten Rahmen. Es gibt hier kein englischsprachiges Rechtssystem. Auch, dass wir kaum Doppelbesteuerungsabkommen mit Afrika haben, ist ein Problem. Die „Offshore-Zentren“ haben solche Verträge mit afrikanischen Staaten. Im Übrigen geht natürlich jeder Euro, den wir so investieren, an reale Unternehmen in Entwicklungsländern, nichts davon bleibt anderswo hängen. Das würde unserer Arbeit ja auch völlig entgegenwirken.

Christiane Laibach (56) ist seit Juli Sprecherin der Geschäftsführung der Deutschen Entwicklungs- und Investitionsgesellschaft (DEG). Die Volkswirtin betreut die Bereiche Unternehmensentwicklung und Kommunikation sowie Personal- und Compliance-Fragen. Vor ihrer Tätigkeit bei der DEG arbeitete sie seit 1990 für die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die DEG ist eine hundertprozentige Tochter der KfW. Sie investiert direkt oder über Fonds in Firmen in Entwicklungsländern, um so die Wirtschaft vor Ort zu stützen.

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