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Pas de trois. Wenn zwischen den Elternteilen dicke Luft herrscht, ist es schwer, sich über wichtige Fragen, die den gemeinsamen Nachwuchs betreffen, zu einigen.

© picture alliance / Bildagentur-o

Was die Politik beim Sorge- und Unterhaltsrecht plant: Der Streit ums Kind

Auch ledige Väter sollen das Sorgerecht fürs Kind bekommen können. Die Frage ist nur: Wie?

Der Schauspieler Mathieu Carrière liebt öffentliche Auftritte. Vor den Augen eines Millionenpublikums hat er kürzlich im Dschungelcamp gehaust, in der Tanzshow „Let’s dance“ ist er mit Smoking übers Parkett geschwebt. Sein spektakulärster öffentlicher Auftritt liegt jedoch schon länger zurück. 2006 ließ sich Carrière vor dem Bundesjustizministerium in Berlin „kreuzigen“. Halbnackt, mit einer Blätterkrone auf dem Kopf und mit Paketband ans Kreuz gebunden, protestierte der Schauspieler, der selbst vergeblich um das Sorgerecht für seine Tochter gekämpft hatte, gegen die Diskriminierung lediger Väter. Jetzt – fünf Jahre später – scheint sich das Blatt zu wenden. Die Regierungsfraktionen und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sind sich einig, dass auch unverheiratete Väter und Mütter das gemeinsame Sorgerecht für ihr Kind bekommen sollen. Gestritten wird aber noch über das Wie.

WAS FRÜHER GALT
Waren die Eltern bei der Geburt nicht verheiratet, bekam die Mutter zunächst das alleinige Sorgerecht. Ein gemeinsames Sorgerecht für beide Elternteile war nur möglich, wenn Vater und Mutter übereinstimmend erklärten, die Sorge gemeinsam übernehmen zu wollen, oder wenn sie heirateten. Gegen den Willen der Mutter konnte der Vater das Sorgerecht nicht bekommen. Eine Möglichkeit, vor Gericht zu gehen und für das Kind zu kämpfen, existierte nicht. Konsequenz: Der Vater konnte zwar sein Kind sehen (Umgangsrecht), wichtige Entscheidungen (welche Schule, welche Ausbildung) traf die Mutter jedoch allein.

WAS DIE GERICHTE SAGEN
Dass ledige Väter besser gestellt werden sollen, haben sie den Gerichten zu verdanken. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied am 3. Dezember 2009, dass es gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, wenn Väter die Ablehnung des gemeinsamen Sorgerechts durch die Mutter nicht gerichtlich überprüfen lassen können. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 21. Juli 2010 die bisherige Sorgerechtsregelung für verfassungswidrig.

WAS JETZT GILT
Damit Väter nicht bis zu einer Gesetzesreform warten müssen, haben die Verfassungsrichter vorläufige Anordnungen getroffen. Danach gilt: Bei ledigen Eltern bekommt die Mutter zunächst das alleinige Sorgerecht. Wollen die Eltern das gemeinsame Sorgerecht, können sie übereinstimmende Sorgeerklärungen abgeben. Sagt die Mutter nein, kann der Vater zum Familiengericht gehen – egal, wie alt das Kind ist und seit wann der Streit läuft. Das Familiengericht überträgt den Eltern das gemeinsame Sorgerecht, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. „Hat sich der Vater gekümmert, ist er in der Lage dazu, zahlt er Unterhalt – das sind mögliche Kriterien für das Gericht“, sagt die Berliner Familienrechtsanwältin Ingeborg Rakete-Dombek. Auch die Übertragung des alleinigen Sorgerechts an den Vater ist in Ausnahmefällen möglich. Erstaunlich: Obwohl die Väter jetzt erstmals in der Lage sind, für ihre Rechte zu streiten, ist die erwartete Antragswelle bei den Gerichten ausgeblieben. „Es gibt kaum Veränderungen“, heißt es bei der Senatsverwaltung für Justiz. Vielleicht warten die Väter doch lieber auf die anstehende Sorgerechtsreform.

WAS DIE POLITIK PLANT
Die Regierungsparteien wollen zwar die Rechte der Väter stärken, streiten aber über den richtigen Weg. Die FDP will beiden Eltern nach der Geburt das gemeinsame Sorgerecht geben und der Mutter ein Widerspruchsrecht einräumen (Widerspruchsmodell). Die Union ist für ein alleiniges Sorgerecht der Mutter nach der Geburt und will, dass sich der Vater aktiv um das gemeinsame Sorgerecht bemüht – notfalls vor Gericht (Antragsmodell). Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verfolgt eine Kompromisslinie (siehe Interview): Nach der Geburt soll die Mutter das alleinige Sorgerecht bekommen. Erklärt der Vater aber, dass er das gemeinsame Sorgerecht will, soll die Frau acht Wochen Zeit haben, dem zu widersprechen. Tut sie das nicht, bekommen die Eltern nach Ablauf der acht Wochen per Gesetz die gemeinsame Sorge übertragen.

Die Union sieht das Modell der Justizministerin kritisch. „Wenn die Mutter schweigt, sollte das nicht zum gemeinsamen Sorgerecht führen“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andrea Voßhoff, dem Tagesspiegel. Eine Entscheidung von solcher Tragweite müssten Vater und Mutter bewusst treffen. Wenn es keine Einigung über ein gemeinsames Sorgerecht gebe, solle der Vater sofort zum Familiengericht gehen können. „Mit einem vorgeschalteten Widerspruchsverfahren beim Jugendamt gibt man den Vätern Steine statt Brot“, meint Voßhoff. Allerdings will auch die Union den Frauen eine Karenzzeit von acht Wochen einräumen, die ihnen das Familiengericht im Sorgerechtsverfahren zugestehen soll – das soll jedoch nur für frisch gebackene Mütter nach der Entbindung gelten.

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