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Wirtschaft: Der Tag der Wahrheit

Am Dienstag verkündet Airbus das Sanierungsprogramm. Es geht um 57 000 Jobs und 15 Standorte

Monatelang feilte Airbus mit seinem Mutterkonzern EADS an dem milliardenschweren Umstrukturierungsprogramm „Power 8“ – an diesem Dienstag soll nun endlich der Tag der Wahrheit für den Luftfahrtkonzern und seine 57 000 Mitarbeiter sein. Dafür hat Louis Gallois, in Personalunion EADS- und Airbus-Chef, alle Airbus-Betriebsräte in die Zentrale nach Toulouse geladen. Wie genau die acht Module des Sparplans jedoch aussehen werden, darüber wird munter spekuliert: In Deutschland sehen Arbeitnehmervertreter bis zu 10 000 Jobs in Gefahr – bei Airbus und seinen Zulieferern. Doch die Konzernspitze hat über Details bislang geschwiegen.

Vor allem durch Managementfehler ist Airbus in die Krise geraten – und droht nun auch dem Mutterkonzern die Bilanz zu verhageln. Mit „Power 8“ sollen ausfallende Einnahmen aufgefangen werden, die durch Lieferverzögerungen beim Superjumbo A 380 und die Dollarschwäche entstanden sind. Die Entwicklungsvorlaufzeiten sollen um zwei Jahre verkürzt, die Produktivität um 20 Prozent gesteigert werden. Gallois’ Ankündigung , die Einsparungen „gerecht und gleichmäßig“ auf Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien zu verteilen, stößt auf Zweifel – nicht nur beim deutschen Chef des Airbus-Gesamtbetriebsrats, Rüdiger Lütjen (siehe Interview).

Denn in diesem Balancedenken sehen Experten schon die Wurzel des Übels. „Die strukturellen Probleme bei Airbus sind vor allem durch die komplizierte politische Konstruktion bedingt. Es gibt einen starken nationalen Proporz, der bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden muss“, sagt etwa der Hamburger Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth. Auch die Fertigung sei „ein relativ unsinnig anmutendes Puzzlespiel“. Offensichtlich wurden die Probleme erst beim Prestigeprojekt A 380 – durch die enormen technischen und logistischen Herausforderungen beim weltgrößten Passagierflieger. „In dieser Dimension konnte Airbus das nicht mehr stemmen“, sagt Spaeth. Das alte, ineffiziente Organisationssystem sei den neuen Herausforderungen nicht mehr gewachsen gewesen. „Der A 380 brachte Airbus an seine Grenzen.“

Ein weiterer Fehler: „Das Nischenprodukt A 380 hat sämtliche Ingenieurskapazitäten gebunden“, sagt Luftfahrtexperte Andreas Knorr, Wirtschaftsprofessor an der Universität Speyer. Darüber seien wichtige Innovationen verpasst worden. Bei immer mehr Flugzeugteilen kämen künftig moderne Verbundkunststoffe ins Spiel. Diese CFK- oder Kohlefaserverbund-Technologie verringert das Gewicht der Flieger und ist somit wirtschaftlicher. Noch ist das niedersächsische Airbus-Werk Stade hier führend, auch das baden-württembergische Laupheim forscht mit. Aber: „Deutschland hat die Umstellung verschlafen“, sagt Knorr. Gerüchten zufolge soll Stade unter spanische Führung gestellt werden. „Spanien hat einen strategischen Vorteil: Seine Werke sind am Militärtransporter A 400M beteiligt, der schon mit CFK gebaut wird“, sagt Knorr. Ein Verkauf von Stade wäre das falsche Signal.

Seit seiner Gründung 1970 ist Airbus ein Spielball der Politik. Vor allem Frankreich will die Geschicke des strategisch wichtigen Konzerns gerne lenken. Aber nicht erst mit dem – wenn auch nur mittelbaren – Einstieg von Bund und Ländern bei der Airbus-Mutter EADS möchte auch der deutsche Staat mitreden, wenn es um Arbeitsplätze und Standorte geht.

Erzrivale Boeing wird das Gerangel freuen. „Dass der deutsche Staat über ein Konsortium EADS-Anteile von Daimler-Chrysler gekauft hat, wird die Vormacht von Boeing zementieren“, ist sich Wirtschaftsprofessor Knorr sicher. Für Knorr zählt das politische Argument dabei wenig: „Betriebswirtschaftlich ist es Unsinn.“ Der Konzern müsse frei agieren können. Boeing kalkuliere knallhart kommerziell.

Nicht nur die Gewerkschaften wollen Jobs auf jeden Fall erhalten, die Politik stößt ins gleiche Horn. Auf Protestkundgebungen sprachen kürzlich auch die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Airbus-Standorten zu verunsicherten Arbeitnehmern. „Das hat was bewegt“, freut sich Betriebsrat Lütjen. Doch als Konsequenz der „teilweisen Rückverstaatlichung“ fürchtet Knorr, die nötige Sanierung des Konzerns werde verschoben.

„Airbus muss seine Fertigungssysteme vereinheitlichen und mehr Aufträge nach außen vergeben“, fordert Spaeth. Boeing habe das mit Erfolg vorgemacht. Der amerikanische Flugzeugbauer hat seine Produktion stark nach Japan verlagert. Das ist günstiger: „Der Yen fällt seit 20 Jahren“, erklärt Knorr. Die Wechselkursrisiken belasten Airbus dagegen enorm: Produziert wird im teuren Euroraum, aber bezahlt wird in Dollar. Diese Risiken könnten laut Knorr an Partner abgegeben werden. Dies würde eine goldene Regel durchbrechen: „Immer wenn der Dollar schwach war, hatte Boeing die Nase vorne.“

Airbus müsse sich verstärkt um neue Märkte bemühen, raten die Experten. Der amerikanische ist da schwierig: Die großen US-Airlines fliegen mit Boeing. Aber die Absatzmärkte, die Boeing sich in Japan erfolgreich gesucht habe, warteten auf Airbus in Russland oder China.

Juliane Schäuble, Nicole Huss

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